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"Ohne US-Schutz kann es nur schlimmer werden"

20. August 2010

DW-Redakteur Abbas Al-Khashali stammt gebürtig aus der südirakischen Stadt Basra und lebt seit 2000 in Deutschland. Er hält den Rückzug der amerikanischen Kampftruppen aus seinem Herkunftsland für verfrüht.

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DW-Redakteur Abbas Al-KhashaliBild: DW

Ein Staat darf sich nicht nur für seine Souveranität interessieren - wie die derzeitige irakische Regierung. Mindestens genauso wichtig sind Sicherheit und Stabilität. Bürger dürfen keine Angst davor haben müssen, auf offener Straße erschossen oder in die Luft gesprengt zu werden. Institutionen wie Ämter, Behörden oder Ministerien müssen funktionieren.

So sehr es mich als Iraker schmerzt, dies feststellen zu müssen: In meinem Herkunftsland ist all dies nicht der Fall. Der Abzug der amerikanischen Kampftruppen kommt zu früh - und die Sicherheitslage wird sich schon deshalb nicht verbessern können, weil es im Irak bisher keine starke Armee und auch keine starken Polizeikräfte gibt. Beide benötigen noch Zeit, um sich zu entwickeln und auf einen ausreichend professionellen Stand zu kommen. Der Abzug der US-Kampftruppen hinterlässt nach meiner Überzeugung einen schein-souveränen Staat, der schnell zum politischen Pulverfass mutieren könnte - mitten in einer ohnehin instabilen Region.

Die Amerikaner haben die Menschen in meinem Herkunftsland von einer brutalen Diktatur befreit und ihnen die Demokratie geschenkt. Das stimmt. Aber Demokratie kann nicht als pure Hülle ohne Inhalt funktionieren, sie darf nicht bloß aufgesetzt sein. Leider muss man der politischen Elite im Irak aber genau dies bescheinigen: Der Geist der Demokratie ist bisher nicht wirklich bei ihnen angekommen, man agiert in Form von Lippenbekenntnissen und übernimmt keinerlei Verantwortung: Die Regierungsbildung kommt seit Monaten nicht voran, währenddessen erschüttern immer wieder Terroranschläge das Land.

Für mich bleibt nicht nur schleierhaft, wie sich in einer solchen Atmosphäre jemals ein demokratisches Bewusstsein in der Bevölkerung etablieren soll. Mir ist erst recht schleierhaft, warum die Amerikaner ausgerechnet jetzt ihre Kampftruppen abziehen und bis Ende 2011 das Land ganz verlassen wollen. Auch ich wünsche mir einen souveränen Irak - aber soweit sind wir leider noch nicht. Ohne den Schutz der US-Kampftruppen kann sich die Lage eigentlich nur verschlimmern.

Autor: Abbas Al-Khashali
Redaktion: Rainer Sollich