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Scholz: Nüchtern bis an die Schmerzgrenze

10. August 2020

Olaf Scholz will Bundeskanzler werden. Seit 20 Jahren gehört er zum SPD-Spitzenpersonal, ist derzeit Finanzminister und Vizekanzler. Erfahrung hat er, Krise kann er - aber etwas fehlte. Ein Porträt von Sabine Kinkartz.

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Olaf Scholz
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Für Olaf Scholz könnte es derzeit nicht besser laufen und das hat viel mit der Corona-Krise und mit Scholz' Persönlichkeit zu tun. Als Bundesfinanzminister verantwortet er die Milliarden-Hilfen und Kredite, die Wirtschaft und Bürgern durch die Krise helfen sollen.

"Es ist die Bazooka, mit der wir das Notwendige jetzt tun", versprach Scholz mit einer Mischung aus nüchterner Effizienz und erheblichem Selbstbewusstsein. "Wir legen gleich alle Waffen auf den Tisch und zeigen, dass wir gewissermaßen stärker sind als das Problem, das uns da ökonomisch begegnen kann."

In der Corona-Krise ist Scholz der leitende Feuerwehrmann und die Bürger glauben an ihn. Das zeigen seine seit Wochen und Monaten gleichbleibend guten Umfragewerte. In der Krise ist Pragmatismus mehr gefragt als Charisma und das kommt dem 62-Jährigen zugute.

Der Mann also, für den die Wochenzeitung "Die Zeit" 2003 aus den Worten "Scholz" und "Automat" die Bezeichnung "Scholzomat" kreierte, nachdem sich der damalige SPD-Generalsekretär praktisch nur noch in technokratischen Sprechformeln äußerte.

Mit dem Charme einer Maschine

Ein Automat, dessen Aufgabe darin besteht, unbeirrt Politik zu verkaufen. Es ging damals um die umstrittene Arbeitsmarktreform Agenda 2010, die für die Betroffenen harte Einschnitte mit sich brachte. Scholz musste sie öffentlich verteidigen, vor allem auch gegen die Angriffe aus der eigenen Partei.

Deutschland Olaf Scholz wird neuer Bundesarbeitsminister
Olaf Scholz als neuer Generalsekretär mit SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder 2002Bild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

"Ich war der Verkäufer der Botschaft. Ich musste eine gewisse Unerbittlichkeit an den Tag legen", sagte Scholz später. Er habe sich "wirklich als Offizier" gefühlt. "Es gab keinen Spielraum."

Nicht um seine eigenen Befindlichkeiten sei es gegangen, sondern darum, "absolut loyal" gegenüber Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder und der SPD zu sein. "Ich wollte nicht mich retten, sondern meine Partei".

Am Ende ging nicht nur der Rettungsversuch schief und die SPD verlor das Kanzleramt an die CDU, sondern Olaf Scholz hatte auch ein Image weg, das er lange nicht mehr loswurde: In der Öffentlichkeit galt der Jurist fortan als langweiliger und spaßbefreiter Bürokrat.

Geräuschloser und effizienter Aufstieg

In der SPD waren sie mit dem eher introvertierten, sachorientierten Pragmatiker aus Hamburg, der immer nur so viel sagte, wie unbedingt nötig, schon vorher nicht warm geworden.

Doch Scholz ließ sich nicht entmutigen. Geräuschlos und effizient hat er sich auf der politischen Karriereleiter nach oben gearbeitet. War SPD-Generalsekretär, Innensenator und Erster Bürgermeister von Hamburg, Bundesarbeitsminister und ist aktuell Bundesfinanzminister und Vizekanzler.

Prinz William und Herzogin Catherine besuchen Hamburg
Scholz als Regierender Bürgermeister in Hamburg 2017 mit royalem Besuch: Prinz William und Herzogin CatherineBild: Picture Alliance/dpa/D. Bockwoldt/dpa-Pool

In der SPD wird Olaf Scholz dem konservativen Flügel zugerechnet, doch eigentlich scheinen politische Kategorien wie rechts oder links auf ihn nicht zuzutreffen. Als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos vertrat er durchaus radikalsozialistische und kapitalismuskritische Thesen.

Doch zwischen seinem SPD-Eintritt als Schüler im Jahr 1975 und seiner Wahl in den Bundestag 1998 vergingen viele Jahre, in denen Scholz als Fachanwalt für Arbeitsrecht mit eigener Kanzlei in Hamburg viel darüber lernte, wie Wirtschaft und selbständiges Unternehmertum funktioniert. Das prägte ihn.

Ein bisschen Show muss sein

Erst spät hat Olaf Scholz gelernt, dass es in der Politik auch darum geht, sich selbst und seine Botschaft in Szene zu setzen und gut zu verkaufen. Als die SPD-Kandidaten für den Parteivorsitz im Herbst 2019 durch Deutschland tourten, war der Minister ganz plötzlich kaum wiederzuerkennen.

Emotionaler, zugewandter und vor allem auch freundlicher wirkte er, machte aber gleichwohl keinen Hehl daraus, dass er sich selbst die besten Chancen für den SPD-Vorsitz ausrechnete. Doch überraschend verlor er. Ausgerechnet gegen das ausdrücklich politisch links stehende Kandidaten-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

Berlin Ergebnis des SPD-Mitgliedervotums zum Parteivorsitz
Die Erst- und Zweitplatzierten des SPD-Mitgliederentscheids: Walter-Borjans und Esken (l.) sowie Scholz und Geywitz (r.)Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Doch der Parteisoldat Scholz ließ sich nicht beirren. Konzentrierte sich auf die Regierungsarbeit und ließ die Neuen an der SPD-Spitze machen. Loyal und ohne Seitenhiebe, aber wohl auch in dem Wissen, dass das im Gegensatz zu ihm politisch unerfahrene Führungsduo Fehler machen würde. Die Rechnung ging auf und am Corona-Krisenmanager Olaf Scholz führte am Ende kein Weg vorbei.

Was macht die SPD?

Bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die SPD verhalten wird. Mit der Entscheidung für Esken und Walter-Borjans hatte die Parteibasis entschieden, einen politisch deutlich linkeren Kurs einzuschlagen. Den aber wird es mit Olaf Scholz kaum geben.

Am Widerspruch zwischen Partei und Kandidat ist die SPD indes schon mehrfach gescheitert. "Wir wissen, dass diese Entscheidung für einige eine unerwartete Wendung darstellt", sagte Parteichefin Esken. "Wir bitten um Vertrauen in unseren Weg. Wir sind entschieden, diesen Weg gemeinsam zu gehen."