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Vom Bastler zum Anleger

Arne Lichtenberg20. März 2012

Seit der Finanzkrise investieren Anleger ihr Geld wieder verstärkt in Sachwerte. Besonders groß ist die Rendite bei alten Autos. Die Oldtimer-Branche verzeichnet enorme Zuwächse.

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Classic Remise (Foto: Arne Lichtenberg / DW)
Bild: DW

Volker Müller geht in die Knie. Mit Adleraugen prüft er den Lack, begutachtet die Radkästen. "Kunststoff statt Alukarosse. Er hat aber einen Original-Porsche-Motor hinten verbaut. Das muss eine Replika sein."

Der mintgrüne Porsche Spyder 550 geht bei Volker Müller nicht als Original durch. Zu lange ist der Verkäufer aus Düsseldorf schon in der Oldtimer-Szene unterwegs. Drei historische Automobile hat er zu Hause stehen. Heute hat es ihn mal wieder in die Classic Remise in Düsseldorf gezogen. In der denkmalgeschützten Halle, die in den 1930er Jahren als Ringlokschuppen gebaut wurde, stehen hunderte Oldtimer.

Seit 2006 ist die Halle ein Dienstleistungszentrum für Oldtimer. Hier gibt es Händler, Sachverständige und Restaurateure. Wagenbesitzer können Stellflächen für ihre Oldtimer mieten. Sogar einen Sattler gibt es, wenn die Sitze mal ausgebessert werden müssen.

Aktien und Immobilien geschlagen

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 haben Investoren den Oldtimer als Anlageobjekt entdeckt. Knapp sechs Prozent Rendite warfen die Automobile ab - pro Jahr. Damit stellten sie Immobilien oder Aktien in den Schatten.

Gerd Olbricht beim Autokauf (Foto: Arne Lichtenberg / DW)
Gerd Olbricht sucht was SchönesBild: DW

Der Bastler, der am Wochenende sein Auto repariert und ausfährt, wird zunehmend abgelöst vom Investor. Mittlerweile steht nicht mehr das Hobby im Vordergrund, sondern der Werterhalt. "Den Mercedes 230 SL habe ich mit einer ganz guten Rendite verkauft. Da war mal große Nachfrage und ich habe dann mitgespielt", berichtet Müller von einer geglückten Investition.

Auf der anderen Seite der Ausstellungsfläche geht Gerd Olbricht langsam um einige Wagen herum. Er spielt mit dem Gedanken, sich einen Oldtimer zuzulegen. Aktuell besitzt er einen Mercedes SLK und eine A-Klasse, von einem seiner beiden Fahrzeuge will er sich trennen. Er weiß nur noch nicht, von welchem. Vor allem auf die Optik legt er Wert, doch mittlerweile ist er vorsichtig geworden. Allzu oft hat er sich beim Kauf eines Autos vom Aussehen leiten lassen. "Dieser Porsche hier hat einen Lackschaden. Da steht dann drauf, er sei aufwendig restauriert, ist es aber nicht. Diese Details stören mich."

Guter Zustand, hohe Nachfrage und geringe Stückzahl

Abseits der Ausstellungshalle hat Wolfgang Löffelsender sein Büro. Im Raum dominieren warme Farben, und natürlich steht ein echter Oldtimer im Büro. Der Autoexperte ist schon seit Jahrzehnten im Geschäft und weiß, worauf es beim Kauf eines Oldtimers als Kapitalanlage ankommt. "Ein Modell muss selten sein, es muss top erhalten sein, und natürlich muss die Nachfrage nach diesem Modell vorhanden sein." Außerdem sei eine begrenzte Stückzahl des Autos wichtig.

Oldtimer in der Classic Remise (Foto: Arne Lichtenberg / DW)
Oldtimer in der Classic RemiseBild: DW

Von seinem Büro aus kann Löffelsender direkt in seine Werkstatt gehen, nur eine Tür trennt sie von seinem Arbeitszimmer. Von draußen scheint das Tageslicht durch die Fenster in die Werkstatt. Weil mittlerweile viel Geld in der Branche unterwegs sei, würden auch schwarze Schafe angelockt, sagt Löffelsender. Für seriöse Händler sei das ein Problem. "Es müsste ein Verband der Oldtimerverkäufer oder Oldtimerhändler gegründet werden, dann könnte der Verband ein Gütesiegel vergeben, das dem Kunden zeigt: Hier können sie beruhigt ein Auto kaufen. Denn Vertrauen in unsere Branche ist das A und O."

Wolfgang Löffelsender blickt unter die Haube (Foto: Arne Lichtenberg / DW)
Wolfgang Löffelsender blickt unter die HaubeBild: DW

Oft beobachtet er, wie am Wochenende viele potenzielle Kunden in der Classic Remise vorbei schauen, aber nichts kaufen. "Da ist noch Potenzial ohne Ende." Im Jahr 2011 gab es 380.000 Oldtimer in Deutschland, 100.000 mehr als vor Ausbruch der Finanzkrise.

Schon mit kleinen Summen geht es los

In der Kundenkartei von Oldtimerhändler Jörg Bratke von Bergen stehen einige prominente Namen: Politiker und Formel-1-Rennfahrer zählen zu seinem Kundenstamm. Auch er spürt seit einigen Jahren einen Wandel in der Szene. Dabei brauchen die Investoren noch nicht einmal ein großes Budget, um sich einen Oldtimer zuzulegen. "Es fängt schon bei wenigen Tausend Euro an: Ein guter VW Käfer, den man auch noch aus dem früheren Straßenbild kennt, kann für 5000 Euro durchaus werthaltig und interessant sein", sagt der Händler. Denn auch von diesem Wagen gebe es nur noch sehr wenige gute Exemplare.

Nach oben hin ist dem Ganzen natürlich keine Grenze gesetzt. Es gibt Fahrzeuge, die wechseln für hohe einstellige Millionen-Beträge den Besitzer. Das Auto nun aus Angst vor Unfällen und vermeintlichen Schäden dauerhaft in der Garage abzustellen, wäre allerdings ein Fehler. Denn wenn ein Wagen nicht bewegt wird, drohen Standschäden, sagt der Oldtimer-Sachverständige Kai Kleophas von Kleofactum Automotive. "Ein Auto ist ein Gebrauchsgegenstand." Deshalb hätten Oldtimer als Kapitalanlage auch einen schönen Nebeneffekt gegenüber Aktien oder Edelmetallen. "Man kann mit den Oldtimern an historischen Autorallys teilnehmen, das macht unheimlich viel Spaß." Dadurch gewinnen Autos "an Historie", so Kleophas, was sich wiederum "positiv in den Werten niederschlägt".

Sachverständiger Kai Kleophas (Foto: Arne Lichtenberg / DW)
Sachverständiger Kai KleophasBild: DW

Teurer Unterhalt

Allerdings sind die historischen Fahrzeuge recht teuer im Unterhalt. Restaurationen und Versicherungen haben ihren Preis, und allein das Abstellen in der Classic Remise kostet 200 Euro im Monat. Darauf weist auch Händler Bratke von Bergen hin: "Ich empfehle Interessenten, nur dann in Automobile zu investieren, wenn sie eine Affinität zu Oldtimern haben." Denn nur wer wirklich Spaß an dem Thema habe, könne dem Oldtimer-Investment etwas abgewinnen.