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Opa geht online

Ina Rottscheidt22. August 2007

Die Zocker bei der Leipziger Games Convention bekommen Konkurrenz: Immer mehr Senioren drängen an die Spielkonsolen. Aber der Markt ist vollkommen anders: Einfach müssen die Spiele sein und Egoshooter sind verpönt.

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Seniorin am Computer, Foto: dpa
Ein Viertel der Generation "55 plus" surft regelmäßig im InternetBild: picture-alliance/dpa

Hin und wieder gerät Karin Martin in den Machtkampf zwischen Göttern, Drachen und fiesen kleinen Fabelwesen. Doch die 67-jährige Berlinerin weiß sich zu verteidigen, denn sie ist ausgerüstet mit Dolchen und hat listige Tricks aus der Zauberschule der Erdmagie auf Lager. "Two Worlds" ist ihr Lieblings-Computerspiel: "Das Rollenspiel ist gerade erst draußen", erklärt sie stolz. Rund zwei Stunden spielt sie jeden Tag, denn Computer- und Onlinespiele sind ihr großes Hobby: "Die Grafiken sind so bunt und schön auf dem Bildschirm und man kann die Figuren selber lenken", schwärmt sie.

Karin Martin, Foto: privat
"Silver Surferin" Karin Martin hat auch eine eigene Webcam


Ihre Freundin Inge Rappold hat sie auch im Internet beim Solitaire-Spielen kennen gelernt. Seit über einem Jahr spielen die beiden Seniorinnen bereits gegeneinander, doch erst jetzt haben sie sich persönlich getroffen: Die 64-Jährige ist extra aus der Nähe von Stuttgart angereist – jetzt besuchen die beiden Freundinnen gemeinsam die Games Convention in Leipzig.

Neuer Markt "Silver Surfer"

Inge und Karin sind zwei der von der Wirtschaft neu entdeckten "Silver Surfer", zu denen in Deutschland mittlerweile jeder Fünfte über 60 (mit silbergrauen Haaren) zählt. Und wenn an diesem Donnerstag (23.8.) zum sechsten Mal Europas größte Computerspielemesse Games Convention in Leipzig öffnet, sind die beiden an den Spielkonsolen längst keine Exoten mehr: Der älteste Besucher ist 86 Jahre alt und die Branche der interaktiven Unterhaltungssoftware hat sich längst an die neue Konsumentengruppe angepasst.

Ein menschliches Double der Computerspielfigur Lara Croft aus "Tomb Raider" bei der Games Convention (Archiv), Foto: dpa
Für Senioren uninteressant: Lara Croft auf der Games ConventionBild: dpa

Denn die Altersgruppe der Generation "60 plus" wächst stark und hat eine hohe Kaufkraft in Deutschland: Menschen über 65 Jahre stellen 16 Prozent der Bevölkerung und verfügen über 30 Prozent des Vermögens, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelt. Und nach dem “Silver Surfer”-Report des europäischen Branchenverbands der Online-Vermarkter EIAA (European Interactive Advertising Association) surft knapp ein Viertel der Generation "55 plus" regelmäßig im Internet. Dabei verbringen sie durchschnittlich sieben Stunden pro Woche online.

Opa geht spielen

Und immer öfter verschlägt es sie auch in die virtuelle Spielewelt: "Allein in den letzten 12 Monaten hatten wir bei den Spielern jenseits der 50 einen Zuwachs von über 100 Prozent", sagt Eva Steinhorst von GameDuell, das mit fünf Millionen registrierten Mitgliedern größte Spieleportal im Internet ist: "Der Markt boomt."

Bild von der Aktionswoche "Internet für ältere Menschen", Foto: dpa
Gedächtnistraining oder Geschicklichkeitsspiele sind bei Senioren beliebtBild: dpa

Während jedoch für Jüngere bei den Spielen die Unterhaltung im Vordergrund steht, interessieren sich die Silver Surfer vor allem für Spiele, bei denen es um Gedächtnistraining oder Geschicklichkeit geht: "Frauen interessieren sich vor allem für Denk- und Puzzlespiele, Männer für Action- oder Wissensspiele", hat Eva Steinhorst bei einer Unfrage der User im Juli 2007 beobachtet.

Shooterspiele wecken schlechte Erinnerungen

Wichtig jedoch für diesen neuen Markt: "Die Spiele müssen leicht zu lernen oder schon bekannt sein, wie etwa Solitaire", erklärt die Expertin, "sonst haben die Senioren keinen Zugang dazu." Auch die Preise empfindet so mancher als zu hoch: 30 bis 50 Euro für eine einzelne CD-ROM, das würde kaum jemand ausgeben. "Grelle, bunte Verpackungen bei vergleichsweise geringem Inhalt wirken bei den betagten Usern nicht", so Jürgen Bewilogua vom Projekt "Senioren ans Netz" in Leipzig.

Screenshot des Egoshooters "Doom 3", dessen Vorgänger wegen exzessiver Gewaltdarstellung indiziert worden waren, Quelle: DW
Egoshooter sind bei Senioren verpönt

Bei einer Studie hat er untersucht, in welcher Weise Senioren von Computerspielen profitieren: "Motorische Fähigkeiten lassen sich mit der Maus trainieren und es gibt zahlreiche Strategie- und Rollenspiele, die den Geist in Bewegung halten", erklärt er. Besonders die "Edutainment-Software" ist für diese Menschen interessant: "Wir haben zum Beispiel historische Spiele getestet. Da ging es um die napoleonischen Feldzüge: Die Senioren waren begeistert!", sagt der Computerexperte. Nur Kriegspiele und so genannte Egoshooter seien bei den Silver Surfern verpönt: "Das weckt bei Kriegs- und Nachkriegsgeneration schlechte Erinnerungen", sagt er.

Davon will aber "Galilea03" alias Karin Martin nichts wissen: Sie hat im Netz schon Moorhühner abgeschossen und Piraten versenkt. Und sie ist neugierig auf die Game-Convention. Zusammen mit ihrer Silver-Gamer-Freundin Inge alias "Mecki" wird sie bis zum Sonntag hinter den Konsolen verschwinden und nur die beiden Ehemänner haben am Wochenende das Nachsehen: "Die bleiben zu Hause", sagt sie "und machen irgendwas zusammen, aber nicht Computerspielen."