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Opposition in Ägypten ruft zu Massendemo auf

22. November 2011

Auch nach dem Rücktrittsangebot der Übergangsregierung gehen die Proteste in Kairo weiter. Die Organisation Amnesty International wirft den Militärs derweil vor, die Menschenrechtslage sei schlimmer als unter Mubarak.

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Polizisten feuern von einem Fahrzeug aus auf Demonstranten (Foto: AP)
Gewaltsam geht die Polizei gegen friedliche Demonstranten vor, kritisiert AmnestyBild: dapd

Die Gegner des Militärrats in Ägypten lassen nicht locker. Auch nach dem Rücktrittsangebot der Übergangsregierung riefen zahlreiche Oppositionsgruppen für den heutigen Dienstag (22.11.2011) zu neuen Massenprotesten auf.

Mohammed Hussein Tantawi (Foto: dpa)
Der Chef des Militärrats, Mohammed Hussein Tantawi, soll gehenBild: picture alliance / dpa

Nach den Protesten der vergangenen Tage harrten immer noch tausende Demonstranten auf dem Kairoer Tahrir-Platz aus und forderten die Ablösung von Militärratschef, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi. Dabei kam es wieder zu Ausschreitungen zwischen den Protestierenden und der Polizei. Nach Angaben von Medizinern wurden mindestens 20 Menschen verletzt. Einige seien mit Gummigeschossen im Gesicht getroffen worden. Die Ärzte haben eine provisorische Klinik in der Nähe des Tahrir-Platzes eingerichtet, um Demonstranten dort zu behandeln.

Amnesty: Militär regiert mit Mubaraks Methoden

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe gegen die Militärführung. Die Menschenrechte würden heute teilweise stärker mit Füßen getreten als zu Zeiten des gestürzten Staatschefs Husni Mubarak, heißt es im jüngsten Bericht der Organisation, der in der Nacht zu Dienstag veröffentlicht wurde.

Der oberste Militärrat habe die Notstandsgesetze noch immer nicht aufgehoben und löse, wie in den vergangenen Tagen geschehen, friedliche Proteste regelmäßig gewaltsam auf, heißt es darin. 12.000 Zivilisten sei in den vergangenen Monaten vor Militärgerichten unrechtmäßig der Prozess gemacht worden. Mindestens 13 seien zum Tode verurteilt worden.

Kritiker werden mundtot gemacht

Sanad auf einer Demonstration in Kairo mit einem Plakat (Foto: Maikel Nabil Sanad)
Wegen Kritik an der Diktatur in Haft: der Blogger Maikel Nabil SanadBild: Maikel Nabil Sanad

Den Beschuldigten wird rücksichtsloses Verhalten, Missachtung der Ausgangssperre oder Beleidigung der Armee vorgeworfen. Demonstranten, Journalisten, Blogger und Streikende würden verfolgt und "schonungslos zum Schweigen gebracht", so Amnesty.

Der Häftling Maikel Nabil Sanad wurde inzwischen zur Symbolfigur. Ein Militärgericht verurteilte den Blogger im April zu drei Jahren Haft, unter anderem wegen Kritik an der Armee. Seit August soll er im Hungerstreik sein, notwendige Herzmedikamente würden ihm verweigert.

Auch Folter gehöre zu den Methoden des Militärs, schreibt Amnesty. Die Generäle seien ihrem Versprechen, die Menschenrechte zu achten, bislang in keiner Weise nachgekommen.

Militärrat muss Rücktritt der Übergangsregierung bestätigen

Nach dreitägigen Unruhen hatte die Übergangsregierung von Ministerpräsident Essam Scharaf am Montagabend ihren Rücktritt eingereicht. Der Militärrat unter Feldmarschall Tantawi muss dies aber noch akzeptieren. Bei den Unruhen wurden nach offiziellen Angaben 24 Menschen getötet, Aktivisten sprechen dagegen von 33 Toten. Über 1000 Menschen sollen verletzt worden sein.

Rund 38 Oppositionsgruppen haben für den heutigen Dienstag zu neuen Massenprotesten aufgerufen. Die einflussreiche Muslimbruderschaft will sich dieses Mal allerdings fern halten. Die Islamisten rechnen sich bei den am Montag beginnenden Parlamentswahl gute Chancen aus.

Muslimbrüder taktieren

Demonstranten auf dem Tahrir-Platz (Foto: dpa)
Zu den Protesten vom Wochenende hatten die islamistischen Muslimbrüder aufgerufenBild: picture-alliance/dpa

Die Muslimbruderschaft und ihre möglichen Koalitionspartner - die radikalen Islamisten der Salafisten-Bewegung und der Gamaat Islamija - streben zweierlei an. Erstens wollen sie nach der Parlamentswahl die stärkste Fraktion sein, um dann maßgeblichen Einfluss auf die neue Verfassung zu nehmen. Zweitens wollen sie verhindern, dass die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung vorab Richtlinien für diese Verfassung festlegt, die ihre Pläne für eine weitere Islamisierung des Staates behindern könnten.

Islamisten, Liberale und Linke vereint im Protest

Deshalb, und weil der Militärrat immer noch kein Datum für die Präsidentschaftswahl genannt hat, hatten die Muslimbrüder ihre Anhänger am vergangenen Freitag auf den Tahrir-Platz gerufen. Die Islamisten erschienen in großer Zahl. Zusammen mit ihnen protestierten Linke und Liberale, denen die bislang formulierten Richtlinien für eine Verfassung ebenfalls nicht passen - wenn auch zum Teil aus anderen Gründen.

Fast alle politischen Parteien Ägyptens kritisieren an den Richtlinien, dass der Armee darin weitgehende Autonomie garantiert wird. Sie soll ihr Budget ohne Rücksicht auf die Regierung bestimmen und verwalten und bis zur Wahl eines Präsidenten eine wichtige Rolle im politischen Prozess spielen dürfen.

Autorin: Eleonore Uhlich (dpa, afp)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot