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Abschied vom Filibustern

Antje Passenheim22. November 2013

Es ist eine Eigenheit der US-Politik: Dauerredner lähmen den Senat. Der hat nun den sogenannten Filibuster gekippt. Obama hat jetzt mehr Spielraum, sagt der Politikwissenschaftler Norman Ornstein.

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Norman J. Ornstein (Foto: Jay Westcott)
Bild: AEI/Jay Westcott

DW: Nach jahrelangem erbittertem Streit hat der US-Senat Regelungen zum Filibuster bei Personalfragen gekippt. Einige Beobachter sprechen von der wichtigsten parlamentarischen Änderung seit Jahrzehnten. Stimmen Sie zu?

Norman Ornstein: Dies ist eine historische Änderung, keine Frage. Die Regeln im Senat konnten seit jeher nur mit einer überparteilichen Zustimmung oder einem Konsens verändert werden. So, wie sie angelegt sind, können sie nicht einfach mit einer Mehrheit verändert werden. Die Regeln im Senat sind beständig. Sie ändern sich nicht mit einer Neuwahl, denn zwei Drittel des Senats werden ja jeweils nicht neu gewählt (Alle zwei Jahre wird nur ein Drittel der US-Senatoren neu bestimmt - Anm. d. Red.). Es ist also historisch, die Regeln des Senats auf diese Weise zu ändern, wie es hier geschehen ist. Aber das Verhältnis der Parteien ist schon schlecht genug, so lag es bereits eine ganze Weile auf der Hand, dass so etwas passieren musste.

Präsident Barack Obama war in den vergangenen Monaten oft verärgert, weil Republikaner viele Nominierungen für hohe Behördenposten blockiert haben. Was gab denn nun den letzten Anstoß, damit dieses Blockadeinstrument gekippt werden konnte?

Betrachten wir es historisch: Als George W. Bush Präsident war, waren die Demokraten im Senat in der Minderheit. Und sie filibusterten und blockierten mehrere Richter, die Bush nominiert hatte. Die damaligen Mehrheitsführer erklärten, sie würden die Regeln so ändern, wie es nun auch geschehen ist. Sie nannten es die 'Nuklear-Variante', weil es die normalen Praktiken des Senats sprengen würde.

Doch eine Gruppe von Senatoren beider Parteien - sieben von jeder Seite - erarbeiteten einen Kompromiss. Wir nannten sie 'die Gang der 14'. Als dieser Kongress hier im Januar dieses Jahres seine Arbeit aufnahm, wollten die Demokraten um (ihren Mehrheitsführer) Harry Reid die Regeln gleich von Anfang an ändern. Sie waren frustriert darüber, dass die Republikaner die von Obama nominierten Richter und Behördenmitarbeiter durch Filibuster blockierten. Reid und der republikanische Minderheitenführer Mitch McConnell vereinbarten einen Deal, um das zu verhindern. Doch die Republikaner lehnten ihn ab.

Nun war da also die Blockade der drei Nominierten für ein wichtiges Gericht, ein ähnlich wichtiges wie das Oberste Gericht und entscheidend für Obamas Regierungsgeschäfte. Und es war so, dass die Nominierten nicht blockiert wurden, weil sie etwa unfähig oder extrem sind. Die Republikaner wollten - ungeachtet von Obamas Wiederwahl - einfach verhindern, dass diese Posten wieder besetzt werden. Da haben Reid und die Demokraten entschieden, dass eine extreme Maßnahme her müsste.

Der Maulkorb für Filibuster-Freunde gilt nun aber lediglich für personelle Nominierungen des Präsidenten, denen der Senat zustimmen muss. Zudem sind die besonders wichtigen Nominierungen zum Obersten Gerichtshof ausgenommen. Wie lange wird es dauern, bis sich der US-Senat grundsätzlich von Dauerrednern verabschiedet?

Möglich, dass dieser Schritt eines Tages dahinführt. Momentan mussten die Demokraten so handeln, weil sich sonst vielleicht herausstellt, dass die Republikaner gar nicht jedes wichtige Gesetz durch das Filibustern blockieren. Derzeit passiert überhaupt nichts im Senat, kein wichtiges Gesetz geht durch. Und wenn es etwas durch den Senat schafft, bleibt es im Abgeordnetenhaus stecken. Aber wenn die Republikaner ein wichtiges Gesetz haben wollen, lassen sie es auch durchgehen. Wir werden weiterhin Verzögerungen im Senat haben. Es ist nach wie vor eine Kammer, in der die Regeln dem Einzelnen zum Vorteil gereichen. Und es wird weiter seine Zeit brauchen, bis die Dinge verabschiedet werden. Der entscheidende Punkt ist aber der, dass Obama eine Reihe von Posten in Justiz und Behörden besetzen kann. Und so können in einer Zeit, in der wenig Gesetzesarbeit geleistet wird, viele wichtige Dinge in seinen Behörden vorangetrieben werden. Das ist ein großes Plus für ihn.

Wird ihm das helfen, über den politischen Stillstand hinaus zu kommen?

Es gibt ihm etwas Zeit zum Luftholen. Aber machen wir uns nichts vor: Diese Geschichte hier ist zwar wichtig. Doch sie wird nicht die entscheidende der nächsten Wochen sein. Ausschlaggebend wird vielmehr sein, wie es mit der Umsetzung der Gesundheitsreform voran geht.

Der Politikwissenschaftler Norman J. Ornstein arbeitet für den konservativen Washingtoner Think Tank American Enterprise Institute (AEI).