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Orthodoxe Sonderrolle

Heimo Fischer23. März 2013

Um das Land vor der Pleite zu bewahren, will Zypern einen "Solidaritätsfonds" einrichten. Diesen will auch die orthodoxe Kirche füllen. Die Bande zwischen Staat und Kirche auf Zypern sind seit Jahrhunderten eng.

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Erbischof Chrysostomos und Präsident Nikos Anastasiades (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Der orthodoxe Erzbischof Chrysostomos II blickt schweigend in die Kameras, während Zyperns Präsident Nikos Anastasiades nervös mit den Fingern spielt. Gleich wollen die beiden gemeinsam frühstücken. Sie sind verabredet, um über die Lage des Staates zu sprechen. Es geht um die drohende Staatspleite Zyperns und den Rettungsplan der EU, den das Parlament ablehnt. Und es geht um ein großzügiges Angebot, das der Geistliche dem Staatschef macht. "Die Kirche und die Klöster werden für die Rettung des Landes alles zur Verfügung stellen", erklärte der 71-jährige Erzbischof im Anschluss an das Treffen diese Woche im Präsidentenpalast. Die Kirche ist bereit, Hypotheken auf ihren Immobilienbesitz aufzunehmen und Anleihen auszugeben, um dem Staat zu helfen.

Es scheint erstaunlich, dass die Kirche ihre Besitztümer riskiert, um dem verschuldeten Staat aus der Not zu helfen. Fachleute zeigen sich allerdings wenig überrascht von der Ankündigung. "Es hat mich nicht gewundert", sagt Georgios Trantas vom Lehrstuhl für orthodoxes Christentum an der Universität Erfurt. In der Orthodoxie Ost- und Südosteuropas gebe es eine enge Verflechtung zwischen Staat und Kirche. In Krisensituationen sei ein Schulterschluss zwischen Erzbischof und Staatschef nichts Ungewöhnliches.

Georgios Trantas (Foto: GK 1412)
Georgios Trantas: "Es hat mich nicht gewundert"Bild: GK1412

"Werk des Teufels"

Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche ist auf Zypern besonders eng. Die Kirche mischt in großen und kleinen Fragen der Politik mit und auch Erzbischof Chrysostomos meldet sich regelmäßig in weltlichen Dingen zu Wort. Manchmal äußern sich Zyperns Geistliche auch drastisch: Vor zehn Jahren etwa lehnte die Kirche den Friedensplan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zur Wiedervereinigung des türkischen und griechischen Teils der Insel ab und bezeichnete ihn als Werk des Teufels.

Der politische Einfluss der Kirche sei auf Zypern hoch, bestätigt Günter Seufert von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Die orthodoxen Geistlichen halten ihre machtvolle Position jedoch für angemessen. Grund: Ihr oberster Repräsentant wird traditionell direkt von allen Gemeindemitgliedern gewählt, die Listen führen die örtlichen Pfarrer. "Dadurch hat der Erzbischof die Mehrheit des Volkes hinter sich." Rund Dreiviertel der gut eine Million Bewohner der Mittelmeerinsel sind orthodoxe Christen.

Günter Seufert (Foto: privat)
Günter Seufert: "Politischer Einfluss ist hoch"Bild: privat

Zepter statt Hirtenstab

Hohe Geistliche übernehmen sogar immer wieder politische Ämter. Erzbischof Makarios etwa führte die Insel Anfang der 1960er Jahre aus der britischen Herrschaft und wurde zum ersten Staatschef des unabhängigen Zypern gewählt. In seine Zeit fallen blutige Konflikte mit dem türkischen Bevölkerungsteil. Geistliches und weltliches Amt übte er bis zu seinem Tod 1977 parallel aus.

Selbst im generell eher staatsnahen orthodoxen Christentum Süd- und Osteuropas spiele die Kirche Zyperns eine besondere Rolle, sagt Orthodoxie-Experte Trantas. Das hat auch mit ihrer langen Geschichte zu tun. Ihrem eigenen Verständnis nach wurde die orthodoxe Kirche Zyperns von den Aposteln Paulus und Barnabas bereits im Jahr 45 auf der Insel gegründet. Das Konzil von Ephesus gewährte der Organisation 431 eine weitgehende Autonomie. Wenig später gestand der byzantinische Kaiser dem Erzbischof der Kirche Zyperns für die damalige Zeit sehr umfangreiche Rechte zu. Der Erzbischof durfte fortan statt eines Hirtenstabs ein Zepter tragen. Bis heute. Auch Chrysostomos II hielt das Symbol der weltlichen Macht bei seinem Treffen mit dem Staatschef in seinen Händen.

Statue des Erzbischofs Makarios III. vor dem Erzbischöflichen Palast (Foto: picture alliance)
Makarios-Statue vor dem Bischofspalast: Staatschef und geistliches OberhauptBild: picture alliance/Rainer Hackenberg

Wirtschaftsinteressen der Kirche

Es geht um Macht und auch um Millionen. Die zyprische Kirche kontrolliert ein wahres Wirtschaftsimperium, das über die Zeit gewachsen ist und auch unter jahrhundertelanger Fremdherrschaft zusammengehalten wurde. Mit Besatzern arrangierte man sich. "Während der osmanischen Herrschaft war die Kirche auf Zypern zum Beispiel für die Einnahme der Steuern zuständig", sagt Georgios Trantas von der Uni Erfurt.

Über den Gesamtwert der Besitztümer sind nur karge Informationen verfügbar. Experten gehen aber davon aus, dass die orthodoxe Kirche zu den größten Immobilieneigentümern der Insel gehört. Sie besitzt außerdem einen Minderheitsanteil an der "Hellenic Bank", dem drittgrößten Kreditinstitut des Landes, und ist an einer Brauerei beteiligt. Ein Bankencrash oder eine Wirtschaftskrise würden der Kirche großen Schaden zufügen. Auch aus diesem Grund ist SWP-Zypern-Experte Günter Seufert überzeugt, dass die Hilfszusage des Erzbischofs mehr ist als ein politisch motiviertes Lippenbekenntnis. "Ich denke, dahinter steckt ein konkreter Wille zum Handeln."