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Otkrytie: Bankenrettung auf Kreml-Art

Miodrag Soric
1. September 2017

Die größte Privatbank Russlands ist gerade noch vor dem Bankrott gerettet worden - von der russischen Zentralbank. Bislang funktionierte Bankenrettung in Russland anders. Miodrag Soric aus Moskau.

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Russland Otkritie Bank
Bild: Imago/Itar-Tass

Ob das gut ausgehen wird? Andrej Netschajev, Russlands Wirtschaftsminister zu Beginn der 90er-Jahre, ist sich da nicht so sicher. Er nennt es ein Experiment: "Erst in einigen Jahren werden wir sehen, ob das der richtige Weg ist", erklärt er der DW. Mit "dem Weg" meint er die Übernahme der bislang größten russischen Privatbank Otkrytie durch die russische Zentralbank.

Das hat es in der jüngeren Bankengeschichte Russlands noch nicht gegeben: Die Zentralbank übernimmt mindestens 75 Prozent der Anteile einer ins Strudeln gekommenen Bank und führt ab sofort auch das operative Geschäft.

Bislang verliefen Bankenrettungen in Moskau nach einem anderen Muster: Zwar kam auch da das Geld von der Notenbank. Doch dieses wanderte in die Tresore eines gut funktionierenden Geldinstitutes, damit dieses einen überschuldeten Konkurrenten schluckt und saniert. Offenbar war es dabei auch zu Ungereimtheiten gekommen, es verschwanden Hilfsgelder in Millionenhöhe.

Wie unabhängig ist die Zentralbank?

Jetzt also der Fall Otkrytie, das "Experiment", wie es Netschajew nennt. Dieses Finanzinstitut gehörte bislang zu den acht größten des Landes - und war damit systemrelevant: Ein Konkurs könnte das Bankensystem Russlands erschüttern. Das will die Zentralbank nicht riskieren.

Insgesamt setzt die russische Zentralbank ihren Kurs der Stabilisierung des Bankensektors fort. In den vergangenen Jahren hat sie über 300 Geldinstituten die Lizenz entzogen. Viele Banken hatten zu wenig Eigenkapital, verspekulierten sich oder hingen am Geldtropf weniger Oligarchen oder Großinvestoren. Die Konsolidierung der russischen Bankenlandschaft wird von der Zentralbankchefin Elwira Nabiullina vorangetrieben - übrigens auch mit dem Segen von Kremlchef Wladimir Putin.

Eigentlich ist Russlands Notenbank unabhängig vom Staat - zumindest auf dem Papier. In Wirklichkeit kann auch die Zentralbank kaum wichtigen Entscheidungen treffen, ohne sich vorher mit dem Präsidenten und seiner Administration abzusprechen.

Die Folgen ungebremsten Wachstums

Dazu gehört sicher die Übernahme von Otkrytie durch die Zentralbank. Ob die Bank in absehbarer Zeit wieder privatisiert wird oder langfristig in staatlicher Hand bleibt, ist derzeit unklar. Vertreter der deutschen Außenhandelskammer, die namentlich nicht genannt wollen, rechnen mit einer Rücküberführung des Geldinstitutes in die Privatwirtschaft. Andere sind da skeptischer. In jedem Fall wächst durch die Übernahme von Otkrytie durch die Zentralbank der staatliche Einfluss auf die einheimische Wirtschaft weiter. Etwas, was viele Wirtschaftsexperten kritisieren.

Otkrytie ist - wie so viele russische Banken - in den letzten neun Jahren schnell gewachsen. Meist durch Übernahmen anderer Geldinstitute. Offenbar verlief das Wachstum zu schnell, wie der Bankexperte Maksim Osadschij vermutet. Ins Straucheln geriet Otkrytie, als einer der größten Kapitalgeber völlig unerwartet sein Geld abzog. Andere folgen diesem Beispiel, so dass eine Ratingagentur im Juni die Aussichten für die Bank auf fast "Ramschniveau" herabsetzte.

Das Vertrauen ist weg

Inzwischen läuft bei Otkrytie das Kundengeschäft wieder normal: Die Kassen sind geöffnet, die Bankautomaten voller Geld. Und doch sind viele Kunden verunsichert. Die Beinahe-Pleite der Bank war ein wichtiges Thema auf den Titelseiten russischer Zeitungen. Der Börsenkurs der Bankaktie hat eine beachtliche Achterbahnfahrt hinter sich: Ein Absturz der Werte bevor die Zentralbank ihre Übernehme verkündete und ein Aufsteigen in neue Höhen nach der Bekanntgabe.

Viele Kunden dürften trotz der Rettung von Otkrytie dem Institut die Treue kündigen und ihr Geld gleich einer staatlichen Großbank anvertrauen.