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Outsourcing von Kriegsführung

Das Gespräch führte Stefan Berkholz3. September 2006

Ein Phänomen verändert die internationale Politik: die Privatisierung des Krieges. Die Deutsche Welle sprach mit dem Publizisten Rolf Uesseler, der darüber ein Buch geschrieben hat.

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Allein im Irak sind schätzungsweise 10.000 'Privatsoldaten' aktivBild: AP

Deutsche Welle: Ihr Buch trägt den Titel "Krieg als Dienstleistung“. Warum engagieren eigentlich Staaten, Regierungen also, Privatfirmen für ihre Kriegsgeschäfte?

Rolf Uesseler: Aus verschiedenen Gründen. Einmal glauben verschiedene Staaten Kosten zu sparen, was sich inzwischen nach den Erfahrungen der USA und Großbritanniens als falsch herausgestellt hat. Es sind keine Kosteneinsparungen da. Zum zweiten engagieren sie sie, weil sie am Parlament und an den Kontrollgremien vorbei militärische Einsätze befehlen können, ohne dieser Kontrolle zu unterliegen. Drittens beschäftigen sie sie, weil sie in vielen Bereichen auf dem neuesten Stand der Militärtechnik sind und sie nicht mit ihren staatlichen Streitkräften (…) warten müssen, bis die so weit ausgebildet sind, bis sie die neuesten Techniken eben gelernt haben.

Wie groß ist denn das Problem? Ist das weltweit verbreitet?

Private Militärfirmen sind in über 90 Ländern tätig - auf allen Kontinenten. Wir haben über anderthalb Millionen Angestellte, früher nannte man sie Söldner, von privaten Militärfirmen auf allen Kontinenten, die das Kriegsgeschäft betreiben.

Haben Sie eine Ahnung, wie viele Deutsche diesem Beruf als bezahlter Soldat nachgehen?

Nein, ich weiß keine genauen Zahlen. Ich weiß nur, dass sehr viele Deutsche in diesem Beruf tätig sind und zwar im allgemeinen für angelsächsische Militärfirmen.

Warum bleiben diese Militärfirmen eigentlich weitgehend unbehelligt von der Politik?

Weil die Politik sie stützt. Die Politik will sie haben. Wenn ich kein Problem mit der Öffentlichkeit haben will als Exekutive, als Regierung und kein Problem haben will mit dem Parlament, sondern das durchsetzen will, was ich in diesem Moment für richtig halte, etwa verdeckte Operationen, wofür ich eben militärisch ausgebildetes Personal brauche oder auch für Geheimoperationen, dann kann ich diese Militärfirmen anheuern, brauche nicht das Parlament zu fragen, ob sie diesem Einsatz zustimmen. Sie sehen, wie das gerade in Deutschland abläuft, mit dem Kongo-Einsatz, wo ja nur halt sehr wenige Soldaten hingeschickt werden und das dann auch noch in einer Friedensmission, wo es gar nicht um Kämpfe oder um Konfliktbewältigung geht oder um kriegerische Auseinandersetzung, sondern einfach nur um Wahlabsicherung. Und auch das hat ja schon ein monatelanges Ringen hinter sich. Und das alles kann man vermeiden, wenn man private Militärfirmen engagiert.

Sie sprechen von militärisch gut ausgebildeten Angestellten. Wo erlernen denn diese Leute ihr Kriegshandwerk?

Das lernen sie in den staatlichen Streitkräften. Das ist ja gerade der Witz, weshalb, wenn man die Berechnung richtig anstellt, unterm Strich eben für den Staat die Sache nicht billiger wird. Weil: Er bildet erst seine Leute aus (…), diese Leute gehen dann, lassen sich anheuern von privaten Militärfirmen und verdienen dann das Zehn- bis Hundertfache.

Sie schreiben: Die Privatsoldaten arbeiten anonym, am liebsten unter mehreren Decknamen. Warum ist das so?

Na ja, Sie können sich vorstellen, wenn ich jetzt im Sudan für die eine Seite arbeite, in diesem Jahr, und die private Militärfirma nimmt einen Auftrag von der Gegenseite im nächsten Jahr an, wenn dann die Soldaten der privaten Militärfirmen bekannt sind und auch namentlich bekannt sind, dann sind sie natürlich wie jetzt schon im Irak die Zielscheibe des Feindes, der sie ja kennt, weil sie einmal für die eine Seite gearbeitet haben und einmal für die andere Seite jetzt arbeiten.

In welchen Bereichen arbeiten diese Privatsoldaten?

Sie arbeiten in allen vier Bereichen, die heutzutage moderne Streitkräfte ausmachen. Also im ersten Bereich: Sie sind im bewaffneten Einsatz, also das, was man im allgemeinen denkt, was Soldaten machen, obwohl das ja nur ein kleiner Teil ist. Sie sind im zweiten Bereich, was Nachschub, Versorgung, Logistik anbetrifft, was immer der größte und auch der größte Kostenfaktor ist, der ja auch jetzt in der Bundeswehr zur Privatisierung ansteht oder zum Teil schon privatisiert worden ist. Der dritte Bereich ist Ausbildung und Beratung. Und der vierte Bereich ist das, was in Deutschland der militärische Abschirmdienst macht, das heißt also geheimdienstliche Tätigkeiten, Informationen sammeln etc., was heutzutage bei der electronic warfare, bei der elektronischen Kriegsführung immer wichtiger wird, weil ich wissen muss, wer ist mein Feind überhaupt und wo ist er verborgen, in Klammern: Terrorismus, um überhaupt meine Waffen einsetzen zu können.

Der Untertitel Ihres Buches lautet: "Private Militärfirmen zerstören die Demokratie“. Und sie schreiben nun, das Agieren dieser privaten Militärfirmen kollidiere mit dem Staatsrecht. Warum?

Wir haben mit dem Frieden von Münster und Osnabrück, dem so genannten Westfälischen Frieden 1648, den Dreißigjährigen Krieg beendet und haben damit in Europa das Gewaltmonopol für den Staat eingeführt. Das heißt, das was die marodierenden Landsknechtstruppen oder halt die Soldaten, die privat, denn bis dahin gab’s ja nur Privatarmeen, die dort die Dörfer plünderten etc., die Staatsstreiche, die die Könige erpressten, die ganze Reiche zum Umsturz brachten - das wollte man ab dem Zeitpunkt nicht mehr. Sondern der Staat, die Gemeinschaft, sollte die militärische Macht, die ja nun die größte ist noch vor der Polizei, die größte Macht wollten sie unter Kontrolle haben. In dem Moment, wo diese privaten Militärfirmen wieder das militärische Gerät unter eigener Kontrolle haben und dem Staat sagen können, wann was gemacht wird (…) - diese Möglichkeit, private Militärfirmen mit ihrem irrsinnigen Gewaltpotential, mit den modernsten Kriegstechniken und Kriegswaffen, nicht mehr kontrollieren zu können, heißt, dass der Staat abdankt, dem Bürger Sicherheit zu versprechen. Er kann dem Bürger keine Sicherheit mehr garantieren.

Haben Sie auf Ihre Forderungen eigentlich schon aus bestimmenden politischen Kreisen in Deutschland eine Resonanz bekommen?

Die neue Bundesregierung will endlich das Weißbuch zur Sicherheitspolitik dieses Jahr vorlegen. Und die Versprechen laufen in die Richtung, dass sie dieses Problem auf jeden Fall in anderer Weise lösen wollen als das die angelsächsischen Länder tun. Ich glaube, dass man an diesem Problem nicht vorbei kommt. Weil es ein immer größer werdendes Problem sein wird. Und in dem Moment, wo es öffentlich ist, und die Bevölkerung begriffen hat, was dort abläuft, wird sie die Politik zwingen, Lösungen zu finden, die ihre Sicherheit nicht, wie bisher geschehen, weiter sinken lässt, sondern dass sie zumindest den Stand halten, der momentan vorhanden ist. Also ich glaube nicht, dass man einfach der Bevölkerung sagen kann, aus nicht vorhandenen plausiblen Gründen wird eure Sicherheit einfach runtergefahren.