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Löfflers Lektüren

10. November 2010

Mit seinem Roman-Erstling, der mit 30 Jahren Verspätung endlich auf Deutsch erscheint, erweist sich der ungarische Autor Péter Esterházy bereits als Meister voll Sprachwitz, Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung.

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Buchcover von Péter Esterházys Buch "Ein Produktionsroman (Zwei Produktionsromane)" (Foto: Berlin Verlag)

Péter Esterházy, als Spross der bedeutenden ungarischen Magnaten-Dynastie 1950 in Budapest geboren, ist vom Studium her Mathematiker und arbeitete in den 1970er Jahren als "Systemorganisator" (Datenverarbeiter) in einem Budapester Ministerium, ehe er den Sprung zum freien Schriftsteller vollzog. Er gehört mit Imre Kertész und Péter Nadás zum großen Dreigestirn der ungarischen Gegenwartsliteratur, vor allem dank seinem Ungarn- und Familienroman "Harmonia Caelestis" (2001) sowie seinem Mammutroman "Einführung in die schöne Literatur" (Deutsch: 2006). Die deutschen Übersetzungen seiner Werke erscheinen nicht chronologisch, sondern in merkwürdigen Zeitsprüngen, die späteren Werke zuerst, die früheren Romane werden jetzt peu à peu nachgereicht. Mit 30-jähriger Verspätung kommt nun Esterházys Erstlingsroman, der in Ungarn bereits 1979 erschienen ist und den Autor in Ungarn schlagartig berühmt machte, auf Deutsch heraus: "Ein Produktionsroman (Zwei Produktionsromane)".

Ein komisches Heldenepos

Péter Esterházy (Foto: Dan Wesker)
Péter EsterházyBild: Dan Wesker

Der Roman besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil spielt in einem Rechenzentrum und ist der eigentliche Produktionsroman, genauer: eine Satire auf den Produktionsroman. Er parodiert diese Lieblingsgattung des sozialistischen Realismus, die optimistische Darstellung der heroischen Welt der Arbeiterklasse, und macht daraus ein komisches Heldenepos rund um den Rechentechniker Imre, der sich mit Verve als System-Desorganisator in dem Intrigenstadl eines mathematischen Instituts in Budapest betätigt, bis eine Papierflut das ganze Büro unter sich begräbt.

Scherz, Satire und tiefere Bedeutung

Der zweite Teil ist der umfangreichere, und er arbeitet gleichfalls mit ironischen Brechungen und Spiegelungen, spöttischen Zitaten und eingeschobenen parodierten Trivialtexten. Berichtet werden Leben, Taten und Ansichten des Meisters Péter Esterházy und seiner Familie – seiner Frau, seiner Brüder, seiner Eltern –, stets nahe an der tatsächlichen Biografie des Autors entlang. Der Meister arbeitet an seinem ersten Roman, er produziert seinen "Produktionsroman" – darauf bezieht sich die zweite Hälfte des Titels: "(Zwei Produktionsromane)". Zwischendurch spielt der Meister Fußball, in einer viertklassigen Budapester Mannschaft. Aufgezeichnet wird das alles von einem Herrn, der in der Maske des Peter Eckermann auftritt, des berühmten Goethe-Chronisten ("Goethes Gespräche mit Eckermann"). "P. E." - Peter Eckermann, Péter Esterházy, "der Meister": Hier wird ein selbstironisches Spiel mit der Goethe-Parallele gespielt.

Esterházys Debüt zeigt bereits den charakteristischen Schreibstil des Autors: formal innovativ, sprachschöpferisch, humorvoll und rundum respektlos. Der Roman macht sich über das Ungarn Janos Kádárs lustig und zieht Staat und Gesellschaft durch den Kakao, bleibt aber durch Ironie unangreifbar. Terézia Moras deutsche Übersetzung ist virtuos und trifft in ihrer Quecksilbrigkeit und ihrem geistreichen Witz den Esterházy-Sound sehr genau.

Autorin: Sigrid Löffler

Redaktion: Petra Lambeck

Péter Esterházy: "Ein Produktionsroman. (Zwei Produktionsromane)". Aus dem Ungarischen von Terézia Mora. Berlin Verlag. 544 Seiten. 36 Euro.