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Bildungsoffensive in Gefahr

Ana Lehmann22. Oktober 2008

Pakistan wollte mit deutscher Hilfe moderne Universitäten schaffen. Doch Finanzkrise und politischer Wechsel gefährden die Bildungsoffensive.

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Ein pakistanisches Mädchen steht am 14.7.2003 vor einer Tafel einer Straßenschule in Lyari nahe Karachi und liest die Sätze in englischer Sprache vor. Die Schule ist ein Selbsthilfeprojekt örtlicher Bürger.
Ein Mädchen in einer Straßenschule in Lyari nahe KarachiBild: picture-alliance/ dpa

Pakistan steht seit langem in der Kritik, weil es zu wenig Schulen und Universitäten und zu schlechten Unterricht gibt. Die Regierung unter Präsident Pervez Musharraf startete daher eine Offensive zur Verbesserung von Lehre und Forschung in den Hochschulen. Neun Länder, unter ihnen China, Frankreich, Italien und Deutschland wurden mit dem Bau von Universitäten in Pakistan beauftragt. Deutschland zum Beispiel sollte in Lahore eine Technische Hochschule nach deutschem Muster errichten.

Junges Potential - schlechte Strukturen

165 Millionen Menschen leben heute in Pakistan. 85 Millionen - rund jeder zweite - sind unter 19 Jahre alt. Diese jungen Menschen sind Pakistans Potential, sie werden eines Tages über die die Zukunft des Landes bestimmen.

Um ihnen eine Chance zu geben, sei eine Bildungsreform bitter nötig, sagt Irshad Haqqani. Nach 50 Jahren Erfahrung als engagierter Lehrer und Schulleiter kritisiert er enttäuscht die Lehre an den Staatlichen Hochschulen als realitätsfern und einseitig: "Ich schäme mich, dass in meinem Land die Studenten den Lehrern keine kritischen Fragen stellen - sie werden dazu nicht ermutigt. Und die Lehrer sind nicht gut genug ausgebildet - sie können kritischen Fragen nichts entgegnen." Die Einrichtungen seien sehr rückständig, sagt Haqqani. "Keine fortschrittliche Lehre, kein fortschrittliches Denken, keine freie Debatte." Zudem sei auch die Ausstattung mit aktuellen Büchern sehr schlecht.

Koranschulen für die Armen

Koranschule in Pakistan (Quelle: AP)
Hunderttausende gehen in die MadrasasBild: AP

Bildung galt in Pakistan lange nicht als staatliche Priorität. Nur knapp zwei Prozent des Bruttosozialprodukts setzte der Staat in den vergangenen fünf Jahrzehnten für Lehre und Forschung ein - für Militärausgaben dagegen 30 Prozent.

Problematisch sei auch, dass das öffentliche Bildungssystem viele Menschen aus den ärmeren Schichten nicht erreicht, so Haqqani. Viele Eltern, die die Gebühren für die staatlichen Schulen und Universitäten nicht bezahlen können, geben ihre Kinder in die kostenlosen islamischen Koranschulen, die sogenannten Madrasas. Doch dort bleiben sie ohne wirkliche Perspektive. "Wenn sie herauskommen, sind sie in gewisser Hinsicht keine förderlichen Mitglieder der Gesellschaft. Sie sind nur nützlich als Vorbeter in den Moscheen", sagt Haqqani.

Versprochene Reform

Pervez Musharraf (Quelle: DPA)
Nach dem Ende der Musharraf-Regierung mussten viele Funktiönäre gehenBild: dpa - Report

Angesichts dieser Situation und nicht zuletzt auch unter westlichem Druck nahm die ehemalige Regierung unter Präsident Musharraf eine Modernisierung der Hochschulbildung in Angriff.

Auf der Reformagenda standen: Entbürokratisierung und Computervernetzung der Hochschulen, Stipendien- und Forschungsprogramme und vor allem der Aufbau von neuen Hochschulen mit internationalen Lehrkräften. "Die Initiative bringt die pakistanischen Studenten in die internationale Arena. Sie internationalisiert die höhere Bildung und ist daher für Pakistan ein wichtiger Schritt nach vorne", sagte Ata ur-Rahman, Leiter der Staatlichen Bildungsbehörde, der mit der Umsetzung der Initiative beauftragt wurde.

Das Budget für die Bildungsoffensive wurde in den vergangenen sechs Jahren um 2000 Prozent erhöht. Zu diesem Mega-Projekt gehörte die Errichtung einer Technischen Hochschule für 5000 Studenten in Lahore. Das pakistanisch-deutsche Gemeinschaftsprojekt soll 600 Millionen Dollar kosten und will verschiedene Zweige und Wissenschaften des Ingenieurwesens vereinen.

Kürzungen und Rücktritt

Doch nach den Wahlen im März dieses Jahres, als die Pakistanische Volkspartei an die Macht kam, wurde das Hochschulbudget heruntergefahren und die Zahl der internationalen Universitäts-Partnerschaften verkleinert. Der Beginn des deutschen Projekts wurde ins kommende Jahr verschoben.

Und dann ist auch noch Rahman zurückgetreten. Noch gibt es keinen Nachfolger. Die deutschen Partner sind verunsichert und wollen sich nicht öffentlich äußern.

Der Rücktritt ist politisch motiviert, erklärt der Historiker und ehemalige Regierungsberater Aslam Syed. Rahman war ein Mann des Militärregimes von General Musharraf und habe in der heutigen demokratisch gewählten Mitte-Links-Regierung keine Hausmacht mehr: "Wenn eine Regierung wechselt, dann werden die Leute, die mit General Musharraf assoziiert werden, freiwillig gehen, oder sie werden gezwungen, ihre Positionen zu verlassen."

Miese Staatsfinanzen

Der Hauptgrund für den momentanen Stillstand der für Pakistans Zukunft so wichtigen Bildungsoffensive ist jedoch die katastrophale Finanzsituation des Staates. Pakistan steht angesichts von explodierenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen und der internationalen Finanzkrise kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.

Aslam Syed ruft daher Deutschland und andere westliche Staaten dazu auf, Pakistan in dieser Situation nicht im Stich zu lassen und mit finanzieller Hilfe dazu beizutragen, dass die Bildungsinitiative fortgeführt werden kann. Sonst könnte bei den Menschen im Land der Eindruck entstehen, dass die Ausländer eher bereit waren, mit dem autoritären Regime Musharrafs zusammenzuarbeiten als mit der jüngst gewählten Regierung.

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