Pakistan: Ein offenes Ohr für traumatisierte Journalisten | Asien | DW | 04.04.2019
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Asien

Pakistan: Ein offenes Ohr für traumatisierte Journalisten

Reporter in Konfliktregionen haben oft mit psychischen Belastungen zu kämpfen. Im pakistanischen Quetta bietet eine Organisation kostenfreie Beratung an. Ein junger Reporter erzählt, wie er sein Trauma überwinden konnte.

Pakistan Eröffnung eines Traumazentrums für Journalisten in Quetta

Eröffnung des Traumazentrums für Journalisten in der Stadt Quetta

"Manchmal berichte ich über sehr sensible Themen – zwar nicht jeden Tag, aber es kommt vor. Und als Freiberufler muss ich zudem auch noch an mehreren Themen gleichzeitig arbeiten.

Ich habe mich ans Individualland Media Center gewandt, weil ich berufsbedingt unter sehr hohem psychischem Stress stand. Das ging so weit, dass selbst Kleinigkeiten bei mir Angstzustände auslösten. Allerdings war es dann ein besonderer Vorfall, der mich letztendlich dazu bewegte, mir Hilfe zu suchen.

Ich bemerkte, dass mir jemand folgte

Als ich eines Abends nach einem langen Arbeitstag auf dem Nachhauseweg war, bemerkte ich, dass mir jemand folgte. Als ich endlich zu Hause war und die Tür hinter mir schloss, stellte ich fest, dass mein Haus überwacht wurde. In dieser Nacht begannen auch die ständigen Telefonanrufe. Der Anrufer ließ es nur einmal klingeln und legte dann gleich wieder auf. Ich rief mehrfach zurück, aber wenn jemand abnahm, hörte ich nur Lärm in der Leitung.

Diese Vorfälle verunsicherten mich sehr. Ich hatte keine Ahnung, warum mir nachgestellt wurde, um welche Geschichte es ging. Ich wandte mich an meine Vorgesetzten, bekam dort aber keinerlei Unterstützung. Sie belehrten mich vielmehr, dass dies Teil des Reporterjobs sei und ich lernen müsse, solche Vorfälle zu verdrängen. Aber das konnte ich nicht. Und weil ich dachte, dass ich es können sollte, ging es mir noch schlechter.

Ich hatte Angst, nach Hause zu gehen

Ich begann, unter Verfolgungswahn zu leiden und schaute mich ständig um, ob jemand hinter mir war. Ich hatte auch Angst davor, nach Hause zu gehen. Schließlich entdeckte ich im Presseclub einen Aushang des Individualland-Beratungsprogramms und rief dort an.

Die Beratungsgespräche halfen mir sehr und zeigten mir, wie ich mit meinen Ängsten und meinem Verhalten besser umgehen kann. Anfangs war ich während der Sitzungen noch sehr nervös, kaute an meinen Fingernägeln und konnte kaum still sitzen. Stück für Stück ging ich mit der Psychologin die Situation durch, die die Bedrohung ausgelöst hatte, und besprach auch weitere Lebensbereiche, die mir Stress und Sorgen bereiteten. Wie beispielsweise meine finanzielle Situation als Freiberufler und dass ich meiner Meinung nach für meine Arbeit nicht angemessen bezahlt werde.

Heute denke ich viel positiver und bin gelassener

Die Psychologin half mir, meine Probleme in einem ersten Schritt zu identifizieren, um daraufhin passende Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Anschließend arbeiteten wir daran, diese Strategien in meinen Alltag zu integrieren.

Ich bemerkte, wie sich dadurch die Art und Weise, wie ich Dingen begegne, veränderte, was half, meine Anspannung und meinen Stress zu reduzieren. Heute denke ich viel positiver und bin gelassener. Ich glaube, dass ich jetzt besser für meinen Job gerüstet bin, und es fällt mir sogar leichter, Termine einzuhalten und meine Arbeit zu organisieren.

Die Sitzungen haben mir gezeigt, dass ich die Gesellschaft nicht ändern kann. Dafür kann ich aber die Art und Weise verändern, wie ich mit gewissen Ereignissen und Begebenheiten umgehe, um ein Leben zu führen, das mir gut tut.

Ich bin froh, dass wir jetzt eine Anlaufstelle wie Individualland haben

Journalisten haben es in Pakistan nicht leicht. Sie werden von unterschiedlichen Gruppen oder auch einzelnen Menschen unter Druck gesetzt – manchmal körperlich, meistens jedoch psychisch. Auch die Berichterstattung aus Konfliktregionen ist sehr belastend. Hinzu kommt meist noch eine finanzielle Notlage, mit der viele freie Reporter zu kämpfen haben. Hinsichtlich all dieser Herausforderungen bin ich froh, dass wir jetzt eine Anlaufstelle wie Individualland haben, wo wir über unsere Probleme sprechen können, wo wir lernen, mit ihnen umzugehen und so weiterhin unsere Arbeit tun können. 

Aus Sicherheitsgründen möchte der Verfasser dieser Geschichte nicht namentlich genannt werden, er ist der Redaktion jedoch bekannt. Das Well-Being Center im Individualland Media Center in Quetta wird von der DW Akademie und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt.

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