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Pakistan nach der Flut

5. November 2010

Gewaltige Regenfälle im August dieses Jahres setzten weite Teile Pakistans unter Wasser. Thomas Schwarz von "Care Deutschland" kommt gerade von einer Reise in die Katastrophengebiete zurück.

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Noch immer stehen viele Straßen in Pakistan unter WasserBild: CARE/Thomas Schwarz

DW-WORLD.DE Sie waren im August in Pakistan und jetzt wieder. Geht es den Menschen besser?

Thomas Schwarz: Ja, das kann man Gott sei Dank so sagen, sonst hätte ja auch unsere Hilfe überhaupt nicht gefruchtet. Es gibt allerdings noch viel zu tun, ich würde sogar sagen, dass die Katastrophe andauert.

Wo konnten Sie Fortschritte sehen?

Pakistan Sukkur Schulzelt
In einigen Zeltstädten wird - provisorisch - unterrichtetBild: CARE/Thomas Schwarz

Wir haben einige Camps für Flutflüchtlinge in der Provinz Sindh besucht. Da gibt es Schulunterricht jeden Tag, das ist schon ausgesprochener Luxus. Es gibt sauberes Wasser, es gibt medizinische Versorgung, es gibt regelmäßig zu essen. Aber in der gleichen Provinz war ich auch in einem Dorf, zu dem ich erst mit einem Boot 18 Kilometer über Wasser fahren musste. Dort gibt es all das nicht, die Leute haben sich mit Bambus einen kleinen Schutz gebaut. Mit dem wenigen Getreide, das sie vor der Flut haben retten können, haben sie in den letzten Wochen Brot gebacken. Jetzt gibt es aber kein Brot mehr. Und es gibt auch keine regelmäßige Versorgung mit Essen und sauberem Wasser. Und es ist völlig klar, das das zu Krankheiten führt: Hauterkrankungen, Augenerkrankungen und Durchfall.

Sind das die Beispiele, weswegen Sie sagen: Die Katastrophe setzt sich fort?

Pakistan Dadu Büffel Überschwemmung Wasser
Mensch und Tier trinken vom gleichen Wasser...Bild: CARE/Thomas Schwarz

Ja, wenn ich daran denke, dass ich vorgestern noch im Swat-Tal war und diese unglaublichen Erdrutsche gesehen habe: Da hat man notdürftig Wege planiert, damit dort LKWs und Busse fahren können. Da gibt es von Care und anderen Organisationen kleinere Lager. Es gibt medizinische Zentren, wo die Leute hingehen können. Aber es gibt eben immer auch noch Gegenden, in denen das nicht funktioniert. Ich bin überzeugt, dass die reichen Länder ihrer Verpflichtung nachkommen müssen, wenigstens die zugesagten Gelder endlich auch bereitzustellen, damit die Menschen vernünftig über den Winter kommen.

Das haben sie bisher nicht getan?

Sie haben es nur zum Teil getan. Von dem Geld, das die Vereinten Nationen im August erbeten haben, sind erst 35 Prozent eingetroffen. Die Bundesregierung, das will ich allerdings auch betonen, steht ganz gut da. Aber dennoch reicht das nicht, um Hunderttausende Menschen gesund und heil über den Winter zu bringen. Es gab in der Woche, als ich da war, schon wieder Berichte in Zeitungen, dass zwei Kinder verhungert sind. Das darf einfach nicht sein!

Wie sind die Menschen auf den Winter vorbereitet?

Pakistan Sukkur Wassertank
...wer Glück hat, bekommt frisches Trinwasser geliefertBild: CARE/Thomas Schwarz

Sie sind sicherlich mental vorbereitet, aber es gibt natürlich auch Ängste. Ich nehme einmal das Swat-Tal: Dort sinkt die Temperatur im Winter unter Null. Und tatsächliche fünf Grad minus können gefühlte 15 Grad sein, wenn es die Monate zuvor 30, 40 Grad heiß war. Und jetzt muss man sich vorstellen, man läge in einem Campingzelt und müsse so überwintern. Ich war in einem Zelt in einem dieser Flutflüchtlingslager und habe eine junge Frau gefragt: welche Hilfe braucht ihr denn am meisten? Und die Antwort, die ich bekam, hat mich sehr beeindruckt. Sie hat gesagt: "Wir brauchen keine Hilfe, wir brauchen ein Haus." Die Menschen haben Angst, dass sie erfrieren könnten und wünschen sich ein Haus, in dem sie zumindest ein paar Monate leben könnten. Sie glauben nämlich auch: alles andere, das kriegen wir schon hin.

Das Gespräch führte Günther Birkenstock

Redaktion: Silke Ballweg

Thomas Schwarz ist Pressesprecher der Hilfsorganisation "Care Deutschland"