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Panama Papers: Reine Effekthascherei?

Wolfgang Dick6. April 2016

Nach der Veröffentlichung der "Panama Papers" ermitteln einige Staatsanwaltschaften. Kritiker der Enthüllungen meinen hingegen, es handele sich vielmehr um einen Medienwirbel ohne echte Substanz.

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Symbolbild Panama Papers - Daten-Leak Steuerflüchtlinge. (Foto: ©PHOTOPQR/LE REPUBLICAIN LORRAIN)
Bild: picture-alliance/maxppp/J. Pelaez

Die Journalisten würden zwar einige Namen als mutmaßliche Besitzer von so genannten Briefkastenfirmen nennen, sie blieben aber Beweise zu konkreten illegalen Machenschaften schuldig. So lautet die Hauptkritik, die inzwischen mehrfach, vor allem von Rechtsanwälten, Finanzexperten aber auch von Medienleuten selbst geäußert wird. Von "zweifelhaftem Wert" der Recherchen war zum Beispiel im Branchenmagazin Meedia zu lesen.

Der Finanz- und Börsenexperte Dirk Müller erklärt im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Wir wissen seit Jahrzehnten, dass es Briefkastenfirmen im großen Stil gibt. Dass Panama das Paradebeispiel bei der Ansiedlung von solchen Firmen ist, wissen wir auch. Wo ist die Überraschung?". Müller bezweifelt den "großen Skandal" und wirft dann eine entscheidende Frage auf: "Wirklich spannend ist weniger, wer auf der Liste steht, als vielmehr, wer nicht auf der Liste steht." Auffällig sei, dass es zunächst um Namen aus Regionen der "politisch anderen Seite" gehe. Personen aus China, Russland, der arabischen Welt. "Wo sind die großen Namen aus Amerika? Wurden die Unterlagen vor der Veröffentlichung schon optimiert um Namen, die man gar nicht haben möchte?"

Objektiver Journalismus?

Zu bedenken gibt Müller, dass das an den Panama Papers beteiligte "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) über die amerikanische Non-Profit- Organisation "Center for Public Integrity" unter anderem von der Open Society Foundation des US-Großinvestors George Soros finanziert werde. "Diese Gruppe war schon in der Vergangenheit immer wieder im Gespräch, einseitig zu berichten und politische Interessen zu verfolgen", so Müller. Die Journalistenorganisation hätte selbst eingeräumt, dass sie nur nach den Namen gefiltert hätten, die auf den Sanktionslisten der UN stehen. Müller fragt also "Warum sucht man gezielt bestimmte Leute aus? Warum nicht alle? Warum gibt es das Interesse, Putin in den Zusammenhang zu bringen, der in den Unterlagen gar nicht selbst auftaucht?"

An diesem Punkt setzt auch Craig Murray an. Der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan sieht in der Ankündigung der Recherchegruppe, dass viel Material vertraulich bleiben werde, eine "diplomatische Verlogenheit".

Geldkoffer am Banksafe
Diskrete Geschäfte bevorzugen über 200.000Briefkastenfirmen - ihre Dunkelziffer liegt noch höherBild: Colourbox/Erwin Wodicka

Pseudo-Skandal ?

"Viel Lärm um wenig" befürchtet Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling und verweist auf den Umstand, dass die Praxis der Briefkastenfirmen nicht automatisch zur organisierten Kriminalität gehörten. Es dürften Maßnahmen von legaler Steuergestaltung nicht mit kriminellen Handlungen verwechselt oder vermischt werden, so Schelling.

Auch die Vorwürfe von Panamas Regierung, es handele sich um eine gezielte Verunglimpfung des Landes, sind insofern nachvollziehbar, als dass es in Europa selbst immer noch Steueroasen gibt, die kritisch betrachtet werden müssen. Luxemburg, Irland, Malta, die Kanalinsel Jersey oder auch die Niederlande locken mit teilweise enormen Steuervorteilen. Dasselbe gilt für die US-Staaten Delaware, Nevada und Wyoming, was vielleicht auch erklärt, warum Prominente US-Bürger mit Briefkastenfirmen nicht besonders häufig in Panama agieren.

Auch Michael Fuchs, Abgeordneter und Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag warnte vor einer voreiligen "Skandalisierung". Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, räumte ein, dass der Besitz einer Briefkastenfirma nicht strafbar sei.

Ebenso betonten Mitglieder des Rechercheverbundes, dass zunächst einmal die Unschuldsvermutung gelte. Der Anwalt des deutschen Formel-1-Piloten Nico Rosberg erklärte als einer der ersten Vertreter der in den "Panama Papers" genannten deutschen Prominenten, eine Firmen-Konstruktion - nicht in Panama, sondern auf den British Virgin Islands - hätte alleinig Grund in "haftungsrechtlichen Fragen" gehabt. Es ginge darum, international agieren zu können, nicht aber um steuerrechtliche Fragen. Rosberg residiert in Monaco und ist dort steuerpflichtig.

EU Gipfel in Brüssel Gruppenfoto. (Foto: REUTERS/Yves Herman)
Die EU-Finanzminister wollen Steuerschlupflöcher schließen - sind sich über den Weg nicht immer einigBild: REUTERS

Viele Banken bestreiten ihre Beteiligung an der Vermittlung von Offshore-Konzepten gar nicht. Die Deutsche Bank und die Hamburger Privatbank Berenberg haben Geschäfte im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen bestätigt, betonen aber die Rechtmäßigkeit der Vorgänge. Wo sei der Skandal fragen die Banker, die die umstrittene Dienstleistung nicht mehr betreiben würden.

Bewährungsprobe kommt erst noch

Zum jetzigen Zeitpunkt scheint der Skandal der "Panama Papers" lediglich in vermuteten kriminellen Aktivitäten der Briefkastenfirmen zu stecken. Bewiesen ist noch nichts. Deshalb fragen die Kritiker der Enthüllungen, was die Journalisten weiter unternehmen werden. Aus den Reihen des Rechercheverbundes war dazu in Interviews nur zu hören, dass die Hauptaufgabe mit der Veröffentlichung eigentlich abgeschlossen sei. Alles weitere sei danach Angelegenheit von Staatsanwaltschaften und Steuerbehörden.

Die allerdings müssten, so Carl Dolan, Direktor des EU Büros von Transparency International erst einmal stichhaltige Nachweise bringen. Das werde in den seltensten Fällen gelingen, gibt sich Dolan gegenüber dem Sender Euronews skeptisch. Hinzu komme, Reformen der Steuergestaltung hätte es nur wenige gegeben.

Die im Zusammenhang mit den Briefkastenfirmen immer wieder erwähnte Kanzlei "Mossack Fonseca" meint belegen zu können, dass die von ihr gegründeten Gesellschaften nicht zur Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder für sonstige kriminelle Zwecke genutzt würden. Wenn auch den Banken tatsächlich der Nachweis gelingen würde, dass sie in ihrer Politik komplett umgesteuert hätten und die Mehrheit der Besitzer von Briefkastenfirmen nachweisen könnten, dass sie keine illegalen Geschäfte, sondern lediglich eine unmoralische Steuervermeidung betreiben, dann werde die Veröffentlichung der "Panama Papers" keine nachhaltige Wirkung haben, sagen Finanzexperten von führenden Steuerkanzleien voraus. Vielleicht läge der eigentliche Skandal in der Doppelmoral einer nicht wirklich entschlossen gegen Steueroasen handelnden internationalen Politik.