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Pandemie-Folgen in Afrika: Mehr schwangere Teenager

Martina Schwikowski
9. September 2021

Der Lockdown in der Corona-Krise hat die Zahlen der Schwangerschaften bei Jugendlichen ansteigen lassen. Hilfsorganisationen warnen vor Rückschritten bei Bildung und Gesundheit.

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Eine junge Mutter hält ihr Neugeborenes im Arm
Teenager-Schwangerschaften sind in Zeiten des Lockdowns gestiegenBild: Monicah Mwagi/REUTERS

"Ich bin im fünften Monat schwanger von einem jungen Mann, der in der Kaserne arbeitet", erzählt die 16-jährige Elsa. "Er ist Soldat und hilft mir, Lebensmittel und andere Dinge für die Schule zu kaufen, denn meine Familie könnte sich meinen Schulbesuch sonst nicht leisten."

Elsa ist eines von vielen Mädchen in Afrika, die während der Einschränkungen in der Corona-Pandemie in eine ähnliche Lage gerieten. Armut und Ungleichheit haben sich durch die Corona-Pandemie verstärkt. Besonders junge Mädchen sind betroffen – durch frühe und ungewollte Schwangerschaften.

Elsa lebt in Mosambiks südlicher Provinz Inhambane und geht in die achte Klasse der "Massinga Secondary School". Ihre Lehrerin Hermenegilda Gafur bestätigt, dass hier in dieser Schule viele junge Mädchen ein Kind erwarten. "Allein in einer Klasse können zwei oder drei Schwangere sitzen." 

So auch die 16-jährige Mirela, die sich einen Ausweg aus der wirtschaftlichen Notlage ihrer Eltern erhoffte. "Ich bin schwanger von einem Mann, der im Krankenhaus arbeitet und sagte, er würde mich heiraten." Das Versprechen platzte, und Elsa wohnt bei ihren Eltern.

Schülerinnen sitzen an Holztischen und schreiben in ihre Schreibhefte
Eine Schule in Grand Bassam nahe Abidjan. Die Pandemie hat auch die Schulbildung negativ beeinflusstBild: picture alliance/ausloeser-photographie

Eine Folge des Lockdowns

In afrikanischen Ländern häufen sich Anzeichen für steigende Zahlen von Schwangerschaften bei Teenagern – eine Folge des Lockdowns in der Corona-Pandemie. Internationale Hilfsorganisationen sehen Grund zur Sorge, und warnen vor den Langzeitfolgen für junge Mädchen. Laut UNICEF gehören Schwierigkeiten bei Schwangerschaft und Geburt zu den Haupttodesursachen bei jungen Frauen zwischen 15 und 19 Jahren.

Kinderehen in der Pandemie

Viele Anlaufstellen für Jugendliche und junge Erwachsene in Notsituationen sowie die Schulen seien geschlossen. Wenn diese Sicherheitsstrukturen wegfallen, gibt es laut der afrikanischen Hilfsorganisation Amref Health Africa in Kenia für die Mädchen keinen Schutz vor sexuellem Missbrauch und niemanden, der sie über sexuelle und reproduktive Gesundheit aufklärt. Nach Einschätzung von Amref gilt dieser Trend für den ganzen Kontinent.

Mädchen aus Armut zwangsverheiratet

Im Nachbarland Uganda nennt der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) auch die wachsende Armut als ein Grund für die steigenden Zahlen bei Teenager-Schwangerschaften. "Wer arm ist, neigt dazu, die Mädchen zu verheiraten, ähnlich wie ein Geschäftsabschluss. Die Eltern erhalten Brautgeld, oft auch Vieh", sagt UNFPA-Vertreter Edson Muhwezi im DW-Interview. Covid-19 habe diese Lage extremer gemacht.

Nach Angaben der Regierung ist vor der Pandemie eine von vier Jugendlichen schwanger geworden. Jetzt seien es fast eines von drei Mädchen in einem Dorf, heißt es. Viola Ekikyo zählt dazu. Mit 17 Jahren bekam sie ein Kind. "Ich hatte Angst und bin von zu Hause weggelaufen", sagt sie. Doch sie kehrte zurück und hilft nun ihrer Mutter in einem kleinen Restaurant. "Sie wäre nicht schwanger geworden, wenn die Schulen nicht geschlossen gewesen wären", sagt die Mutter.

Teenager Mütter in Tansania mit ihren Baby auf dem Arm besuchen eine Schulstunde
Teenager-Mütter in Tansania in einer alternativen Lernstunde. Viele hören mit der Schule auf, wenn sie schwanger werdenBild: DW/K. Makoye

Ein Blick nach Südafrika: Die Zahl der Kinder, die von jugendlichen Müttern in Südafrikas bevölkerungsreichster Provinz Gauteng geboren werden, ist seit Beginn der COVID-19-Pandemie um 60 Prozent gestiegen. Einer der Gründe: Junge Mädchen haben kaum noch Zugang zu Verhütungsmitteln oder die Möglichkeit zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch. Das sagt die Kinderhilfsorganisation "Save the Children" in ihrem aktuellen Bericht und sorgt sich um das Wohlergehen von Müttern und Babys. Zahlen des Gesundheitsministeriums von Gauteng zeigten, dass zwischen April 2020 und März 2021 mehr als 23.000 Mädchen unter 18 Jahren ein Kind zur Welt brachten - davon 934 unter 14 Jahren.

Kreislauf der Kinderarmut setzt sich fort

Marumo Sekgobela, Gesundheits- und Ernährungsmanager bei Save the Children Südafrika, betont, dass die weltweite Pandemie die Gefahr berge, dass Mädchen Rückschläge erlitten und bereits gewonnene Fortschritte – vor allem in Bezug auf Bildung - verloren gingen.

Junge Schülerinnen feiern die Eröffnung einer Schulbibliothek in Kapstadt.
In Südafrika sind die Zahlen von schwangeren Jugendlichen während des Lockdowns stark gestiegenBild: DW/F.Hendricks

"Wir ermutigen sie, die Kliniken für die medizinische Grundversorgung in ihren Gemeinden aufzusuchen." Vorsorgeuntersuchungen, Beratungen bei Sozialarbeitern und offene Gespräche mit den Eltern seien entscheidend, sagt Sekgobela. Die Welle der frühen Schwangerschaften habe Konsequenzen für die Betroffenen: "Die Ausbildung der jungen Mütter wird beeinträchtigt, und die meisten werden wahrscheinlich die Schule abbrechen. Damit wird ein Kreislauf der Kinderarmut fortgesetzt, den viele junge Mädchen in Südafrika bereits durchlaufen."

Auch gebe es gesundheitliche Risiken: Es könnte zu Komplikationen führen – etwa Bluthochdruck während der Schwangerschaft oder hohe Blutzuckerwerte. Auch die Geburt birgt Risiken für Mutter und Kind.

Hohe HIV-Infektionen

Die hohe Schwangerschaftsrate bei Teenagern habe auch den Kampf gegen HIV/AIDS in Südafrika zurückgeworfen, denn die Infektionsraten seien bei den Schwangeren recht hoch. Dazu komme ein weiterer negativer Faktor: Sexuelle Gewalt.

Wie können Teenager-Schwangerschaften verhindert werden? "Wir brauchen eine umfassende Sexualerziehung, die jungen Menschen in angemessenem Alter in und außerhalb der Schule angeboten werden sollte", so Sekbobela. Die Politik und zivile Organisationen müssen das stärker umsetzen und auch traditionelle Oberhäupter und religiöse Führer in Gespräche miteinbeziehen.

Im Prinzip seien die meisten Jugendlichen aufgeklärt, findet Sekgobela. Aber: "Auf dem Land oder in informellen Siedlungen ist ihre Bildung und Entwicklung nicht die Gleiche. In der Stadt sind junge Leute besser informiert."

Mitarbeit: Luciano da Conceição in Mosambik und Julius Mugambwa in Uganda