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"Panic Button": Notfallknopf für Krisengebiete

Marcus Lütticke10. Juli 2014

Eine Handy-App von Amnesty International soll Aktivisten und Journalisten im Ernstfall schnelle Hilfe ermöglichen. Nutzen kann sie jeder. Doch ihr Einsatz kann auch neue Gefahren mit sich bringen.

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Panic Button App von Amnesty International (Foto: AI)
Bild: Amnesty International

Für Senioren gibt es so etwas schon seit langem: einen Notfallknopf, den man drücken kann, falls einem etwas zustößt und man sich selbst nicht mehr helfen kann - nach einem Sturz in der Wohnung, einem plötzlichen Schwindelanfall oder einem Herzinfarkt. Der Notfallknopf wird möglichst direkt am Körper getragen. Wird er gedrückt, baut sich automatisch eine Verbindung zu einer Leitstelle auf.

Während für Senioren allein der Alltag schon viele Gefahren birgt, können Journalisten und Aktivisten bei ihrer Arbeit in Krisengebieten schnell in brenzlige Situationen geraten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat gemeinsam mit einigen Partnern nun für diese Zielgruppe die "Panic Button App" entwickelt. Bei Festnahmen, Entführungen oder anderen Bedrohungen kann der Nutzer der App schnell und unkompliziert einen Hilferuf über sein Smartphone absetzen.

Unauffälliger Einsatz

Die App wurde so entwickelt, dass man sie bei Gefahr unauffällig und mit nur einer Hand aktivieren kann - selbst dann, wenn sich das Smartphone dabei in der Tasche befindet. Durch ein mehrmaliges Drücken des Einschaltknopfes kurz hintereinander wird eine SMS mit dem aktuellen Aufenthaltsort an drei vorher eingegebene Notfallkontakte verschickt. Die App selbst ist auf dem ersten Blick auf dem Smartphone nicht sichtbar. Momentan ist sie nur für Mobiltelefone mit dem Android-Betriebssystem verfügbar und kann im Google Play Store kostenfrei heruntergeladen werden. Allerdings gibt es dort verschiedene Programme mit gleichem oder ähnlichem Namen. Die betreffende App stammt von iilab (Information Innovation Lab).

Bildschirm mit Hilferuf (Foto: AI)
Der Hilferuf kann direkt lokalisiert werden - in Gefahrensituationen ein entscheidender VorteilBild: Amnesty International

"Wir schulen zurzeit Aktivisten in 16 Ländern darin, wie man dieses Werkzeug einsetzt und gleichzeitig der wachsenden Gefahr von Überwachung begegnet, so dass sie wissen, welches Risiko die Nutzung eines Smartphones bei ihrer Arbeit birgt", erklärt Tanya O'Carroll von Amnesty, die das Projekt maßgeblich vorangebracht hat. Denn trotz des Nutzens birgt der Einsatz einer solchen App auch Gefahren für den Nutzer. Und schon das bloße Mitführen eines Handys kann ein Risiko darstellen.

Überwachte Handynetze

Daniel Etter hat als Journalist und Fotograf schon mehrfach aus Krisenregionen berichtet. "Als ich vor einigen Jahren das erste mal in Syrien war, hab ich mein Handy nie angehabt", so Etter. "Die Gefahr, dass man damit seine Position offenbart, war einfach viel zu groß." Für das syrische Regime wäre ein ausländisches Handy im syrischen Netz womöglich Anlass für eine genauere Überwachung oder gar Festnahme gewesen.

Doch das sicherste Verhalten hänge immer von der jeweiligen Situation vor Ort ab. "Manchmal ist es sinnvoll, stets kommunikationsbereit das Telefon dabei zu haben, um dann so ein Alarmsignal absenden zu können, manchmal ist es besser das Telefon ganz aus zu haben und unerkannt zu bleiben", weiß Etter.

Daniel Etter, Journalist und Fotograf in Krisenregionen (Foto: privat)
Daniel Etter ist schon oft in gefährliche Situationen geratenBild: privat

Weiterentwicklung denkbar

Sollte es zu einer Festnahme oder Verschleppung kommen, wird das Handy meist direkt eingezogen. Ein Regime würde die App wohl schnell entdecken und so einen Einblick in die wichtigsten Kontakte der festgesetzten Person erhalten. Für Wojtek Bogusz, Information Systems Coordinator bei der Menschenrechtsorganisation "Front Line Defenders", die gemeinsam mit Amnesty an der App gearbeitet hat, ist daher eine Weiterentwicklung der Funktionen denkbar. "Man könnte sie so programmieren, dass die Kontaktdaten gelöscht werden, sobald ein Notruf abgesetzt wurde."

Sinn macht eine solche App nur, wenn die Notfallkontakte genau wissen, wie sie in einer Notfallsituation dem Betroffenen Hilfe leisten können. Als Journalist, so Daniel Etter, würde man in jedem Fall die Redaktion informieren."Die müssen dann entscheiden, wer da weiter involviert wird." Das könnten andere Journalisten sein, Botschaften oder auch spezialisierte private Sicherheitsfirmen.

Natürlich ist eine solche Notruf-App auch immer auf ein funktionierendes Mobilfunknetz angewiesen. Daniel Etter hat bei seinen Einsätzen die Erfahrung gemacht, dass selbst in Krisen- und Kriegsgebieten das Handynetz meist noch funktioniert. Trotzdem hat er bisher oft auf ein spezielles satellitengestütztes Notruf-Gerät zurückgegriffen, was unabhängig von Mobilfunknetzen arbeitet und weltweit eingesetzt werden kann - sofern man über sich freien Himmel hat. "Das Problem bei dem Gerät ist allerdings, dass es heraussticht, was bei einem Telefon nicht der Fall ist. Dass man jetzt diese Funktion am Smartphone hat und schnell einen Notruf loswerden kann, kann in vielen Situationen sicher lebensrettend sein."