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NSU-Ermittler in Zeitnot

Ole Kämper24. September 2012

Verschollene Akten, ignorierte Hinweise, Terrorhelfer als Informanten – die Pannen bei den Ermittlungen um die Neonazi-Mordserie reißen nicht ab. Dem Untersuchungsausschuss läuft dadurch die Zeit davon.

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Sebastian Edathy (SPD) neben einem Aktenschrank (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nachdem erneut pikante Details ans Licht gekommen sind, wird es für die Polizei immer peinlicher: Ein mutmaßlicher Helfer der Neonazi-Bande Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) war über Jahre auch als Informant für das Berliner Landeskriminalamt (LKA) tätig gewesen. Zunächst war nur durchgesickert, dass die Behörden dadurch schon 2002 Informationen über einen möglichen Aufenthaltsort des Terror-Trios bekommen hatten, dem scheinbar aber nicht nachgegangen worden war. Wenig später drang an die Öffentlichkeit, dass der LKA-Informant die Gruppe sogar mit Sprengstoff versorgt hatte.

Dieser Sachverhalt müsse nun genau aufgeklärt werden, teilte Clemens Binninger (CDU) vom Untersuchungsausschuss für die Neonazi-Mordserie am Montag mit. Erst dann könne man sich, wie ursprünglich geplant, um die Pannen beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) kümmern. Kurz zuvor hatte die Berliner Polizei eine Sonderkommission eingerichtet, um zu klären, was mit den schon 2002 eingegangenen Hinweisen über den möglichen Aufenthaltsort der Terrorzelle passiert war. Auch Berlins Innensenator Frank Henkel will einen Sonderermittler einsetzen.Fehlende Abstimmung ließ Nazitrio unerkannt morden

NSU-Mitglieder Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt (v.l.) (Foto: dapd)
Das Neonazi-Trio des NSU: Mundlos, Zschäpe, Böhnhardt (v.l.)Bild: dapd

Die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund war 13 Jahre lang nahezu unbehelligt mordend durch die Republik gezogen. Ihr werden Morde an neun Migranten und einer Polizistin sowie zwei Sprengstoffanschläge zwischen 2000 und 2007 angelastet. Ende 2011 war die Gruppe schließlich aufgeflogen. Die Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nahmen sich das Leben. Das dritte Mitglied, Beate Zschäpe, stellte sich der Polizei und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Der vom Bundestag kurze Zeit später eingesetzte Untersuchungsausschuss hat seitdem zahlreiche Versäumnisse bei den Ermittlungen aufgedeckt. Die Affäre um den Informanten aus dem direkten NSU-Umfeld ist die bislang letzte Episode. Mehr als zehn Jahre war Thomas S. Vertrauensperson (V-Mann) des Berliner LKA. Der Bundesverfassungsschutz wurde über die Zusammenarbeit nie informiert, berichtete "Spiegel Online". Auch die Thüringer Fahnder, die seit 1998 nach dem Trio suchten, erhielten den 2002 eingegangenen Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort offensichtlich nicht.

Informationen kommen nur stückweise ans Licht

Erst als die Bundesanwaltschaft im Januar 2012 ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Verstrickungen in die NSU-Anschläge gegen Thomas S. einleitete, erfuhr sie von dessen Vergangenheit als V-Mann. Allerdings auch erst zwei Monate später. Kurz zuvor hatte diese Nachricht auch Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) erreicht, der deshalb nun unter Druck geriet. Den Untersuchungsausschuss erreichte die Information nämlich bisher nicht.Als Henkel sich dann erklärte, traten weitere Irritationen auf. Während er darauf besteht, von der Bundesanwaltschaft zur Verschwiegenheit angehalten worden zu sein, dementiert diese eine solche Absprache. "Der Spiegel" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über ein Schreiben, in dem die Berliner Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers aus ermittlungstaktischen Gründen darum bittet, die Information nicht weiterzuleiten. Die Existenz dieses Schreibens bestätigte sie am Montag (24.09.2012).

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) (Foto: picture-alliance/dpa)
Berlins Innensenator Frank Henkel verheimlichte InformationenBild: picture-alliance/dpa

Eigentlich wollte sich der Untersuchungsausschuss endlich ausgiebig mit der Affäre um den Militärischen Abschirmdienst beschäftigen. Der hatte verschwiegen, dass es bereits 1995 Kontakt zum Rechtsextremisten Uwe Mundlos gegeben hatte. In der Folge war auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière unter Druck geraten. Sein Ministerium hatte Unterlagen nicht an den Untersuchungsausschuss weitergeleitet. Die aktuellen Entwicklungen drängen diese Affäre jedoch erst einmal in den Hintergrund. Die aktuellen Pannen sind gravierender.