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Partner statt Führungsmacht

18. Februar 2012

Die USA wollen bei internationalen Militäreinsätzen nicht mehr die Hauptlast tragen. Verteidigungsminister Lothar de Maizière hat in den USA erklärt, wie sich die Bundeswehr darauf einstellt.

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Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU, r.) mit dem amerikanischen Verteidigungsminister Leon Panetta (l.)
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU, r.) mit dem amerikanischen Verteidigungsminister Leon Panetta (l.)Bild: dapd

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Washington überboten sich der US-amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta und sein deutscher Kollege Thomas de Maizière mit gegenseitigem Lob und Anerkennung. Deutschland sei ein "großartiger Verbündeter", sagte Panetta am vergangenen Donnerstag, auch innerhalb der NATO. Das deutsche Militär würde mit der Führung des Kommandos Nord in Afghanistan eine "sehr wichtige Rolle" spielen. Panetta fuhr fort: "Ich bin, genauso wie alle Amerikaner, sehr dankbar, für die herzliche Gastfreundschaft, die die US-Truppen und ihre Familien in Deutschland genießen". Zwar werden zwei US-Kampfbrigaden aus Deutschland abgezogen, aber über 40.000 Soldaten würden weiter stationiert bleiben.

Der Bundesverteidigungsminister revanchierte sich entsprechend. Der Abzug der US-Soldaten sei "kein Grund zur Klage". "Das Ziel der Veränderung von Quantität zu Qualität und somit eine andere Zusammenstellung der Fähigkeiten ist gerade für mich ein sehr nachvollziehbarer Schritt, den wir im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr genauso vollziehen," sagte de Maizière und ergänzte, er könne nicht die USA für etwas kritisieren, was im eigenen Land genauso gemacht werde. Auch die Bundeswehr wird ihr Personal in den USA abbauen. Der Minister hatte bei seinem USA-Besuch die Schließung beispielsweise des Standortes der Luftwaffe in Fort Bliss, im US-amerikanischen Bundesstaat Texas, verkündet.

USA spart bei der Verteidigung

In den USA diktiert der Rotstift die geplanten Veränderungen. Leon Panetta hat gerade erst einen Verteidigungshaushalt vorgestellt, der Einsparungen von fast 500 Milliarden US-Dollar vorsieht. Und entsprechend dem jüngsten Strategiewechsel der US-Regierung richten die Amerikaner ihr Augenmerk verstärkt nach Asien und auf den Nahen Osten – daher der Abzug aus Europa. Damit einher gehen das Ende des Krieges im Irak und der geplante Abzug der Kampftruppen aus Afghanistan im Laufe des Jahres 2013.

US-Soldat in Kandahar Foto: Ahmad Nadeem
US-Soldat in KandaharBild: Reuters

"Die Amerikaner sind müde", sagt Geoffrey Kemp, sicherheitspolitischer Experte der "Transatlantic Academy" in Washington, DC, und Berater der Reagan-Regierung. "Sie haben das Gefühl: Wir haben genug getan, wir haben genug Opfer gebracht, genug Geld investiert, wir müssen uns erholen, unsere Marine neu aufstellen, in Australien trainieren." Die Quintessenz: Es werde großen Druck der Amerikaner auf die Europäer geben, trotz der finanziell schwierigen Lage, mehr zu tun. Schon der frühere Verteidigungsminister Robert Gates hatte vor einer Unterfinanzierung des Militärs in Europa und den möglichen negativen Folgen für die Verteidigungsfähigkeit gewarnt.

Deutschland baut Militär um

Die Bundeswehr, immerhin, hat ihren Etat von 2011 auf 2012 aufgestockt. Minister de Maizière plant eine Reform der Armee, deren Ziel er in einer Rede vor dem "Center for a New American Security" (CNAS) am Freitag (17.02.2012) in Washington umriss: "Wir brauchen robuste Kräfte, die in gemeinsamen Missionen eingesetzt werden können und einer Eskalation gewachsen sind, die aber gleichzeitig groß genug sind, um in mehr als ein Einsatzgebiet entsandt zu werden." Die Zahl der Soldaten insgesamt wird von 183.000 auf 170.000 verringert. Weniger Soldaten also, die aber besser und flexibler eingesetzt werden können.

Bundeswehr in Afghanistan Foto: Maurizio Gambarini (dpa)
Bundeswehr in AfghanistanBild: picture-alliance/dpa

Das kommt den Amerikanern entgegen. "Niemand erwartet, dass Deutschland die Zahl seiner Soldaten in Armee oder Luftwaffe verdoppelt", erklärt Sicherheitsexperte Geoffrey Kemp. Stattdessen müsse sich Deutschland verstärkt in Einsätzen engagieren, die nicht unbedingt den traditionellen Kampfeinsätzen mit massiven Bodentruppen entsprechen. In den letzten zehn Jahren hat sich bei der Bundeswehr bereits einiges getan – dazu habe vor allem der Afghanistan-Einsatz beigetragen, erklärte der Minister in Washington, besonders was den Umgang mit asymmetrischer Kriegsführung angehe. Man habe schnell gelernt und das Training und die Ausrüstung der Soldaten den Gegebenheiten in Afghanistan angepasst. "Heute ist die deutsche Armee in der Lage, zu kämpfen und einen Kampf zu gewinnen", sagte er.

Deutschland steht in der Pflicht

Doch noch immer gelten für die deutschen Soldaten beispielsweise in Afghanistan andere Einsatzregeln als etwa für die Amerikaner. Es sei natürlich wünschenswert, dass in einer Koalition von verschiedenen Nationen unter dem NATO-Schirm alle nach den gleichen Regeln handelten, erklärt Nora Bensahel, Verteidigungsexpertin am CNAS. "Aber im Gegenzug könnte dadurch die Bereitschaft einzelner Regierungen sinken, den Einsatz fortzuführen." Deswegen müsse man mit Forderungen nach verstärktem Kampfeinsatz an einzelne Länder, auch an Deutschland, vorsichtig sein.

NATO-Hauptquartier in Brüssel Foto: DW-Archiv
NATO-Hauptquartier in BrüsselBild: picture-alliance/dpa

Kommt eine Führungsrolle Deutschlands bei einem Kampfeinsatz, wie sie etwa die Franzosen vor kurzem beim Libyen-Einsatz übernahmen, also gar nicht in Frage? Auf der letzten Station seiner USA-Reise widmete sich Verteidigungsminister de Maizière in einer Rede in Boston dieser Frage. Die Zeiten, in denen andere Länder Angst vor einer Führungsrolle Deutschlands gehabt hätten, seien vorbei, erklärte er laut Redetext. Deutschland werde vielerorts als "gleichberechtigter" und damit "gleichverpflichteter" Partner angesehen. Er bezeichnete es als Anspruch Deutschlands, "Verantwortung für seine eigene Sicherheit, aber auch einen Beitrag für die Sicherheit unserer Partner" zu übernehmen.

Partnerschaft statt Führungsmacht

Die Erwartungen an Deutschland dürften aber nicht zu hoch geschraubt werden, erklärte der Minister auch. Ziel deutscher Sicherheitspolitik werde es sein, "tragfähige Partnerschaften" zu schmieden und auszubauen. Multilaterales Vorgehen sei erfolgversprechender als die Dominanz einer einzelnen Nation. Eine Maxime, die auch die USA unter der Präsidentschaft von Barack Obama verfolgen. Dass weiß auch der Minister. Europa müsse sich daran gewöhnen, dass die USA "nicht mehr jedes Mal die Kastanien für uns aus dem Feuer holen", erklärte er in Boston.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière 2011 in Afghanistan Foto: Michael Kappeler (dpa)
Verteidigungsminister Thomas de Maizière 2011 in AfghanistanBild: picture-alliance/dpa

Dabei ist es aber immer noch eine Tatsache, dass die Amerikaner bei Einsätzen wie beispielsweise in Libyen den Großteil des Einsatzes leisten müssen. Vor allem angesichts des Sparzwangs im Pentagon werde sich das ändern, erklärt Nora Bensahel vom CNAS: "Die Europäer im Allgemeinen, und die Deutschen im Besonderen, werden feststellen, dass sie sich weniger auf die umfangreiche Unterstützung der Amerikaner bei solchen Einsätzen verlassen können." Doch zunächst einmal bemühen sich beide Seiten offensichtlich darum, für die Lage des jeweils anderen Verständnis zu signalisieren. Weitere Details können dann ja in großer Runde im Mai beschlossen werden – auf dem NATO-Gipfel in Chicago.

Autorin: Christina Bergmann, Washington DC
Redaktion: Julia Mahncke