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Literatur

Bestseller-Autor Pascal Mercier gestorben

Aygül Cizmecioglu tl
4. Juli 2023

Mit der Reise eines verschlossenen Altphilologen in "Nachtzug nach Lissabon" gelang dem Schweizer Schriftsteller Pascal Mercier ein Weltbestseller. Im Juli 2023 starb er im Alter von 79 Jahren.

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Der Schweizer Schriftsteller Pascal Mercier
Peter Bieri alias Pascal MercierBild: Karlheinz Schindler/picture-alliance/dpa

Jeder hat schon einmal davon geträumt: Was wäre, wenn ich von heute auf morgen verschwinden würde, neu anfangen, irgendwo, wo mich niemand kennt? Hin und wieder ist das ein Gedankenszenario von ungemeinem Reiz, aber in der Realität trauen sich nur wenige einen radikalen Neustart. Fehlender Mut, die Angst vor den Konsequenzen lähmt. Aber warum?

Wohl, weil das Szenario in einigen Lebenssituationen für manche von uns so verlockend ist, traf Pascal Mercier mit seinem 2004 erschienenen Roman "Nachtzug nach Lissabon" einen Nerv beim Publikum. Das Buch wurde zum internationalen Bestseller. Kurz nach seinem 79. Geburtstag starb der Schriftsteller am 27. Juni 2023 in seiner Wahlheimat Berlin.

"Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier

Auf die Welt kam er am 23. Juni 1944 in Bern als Peter Bieri. Das Studium der Altphilologie brach er ab, nach einem Aufenthalt in London zog Bieri nach Heidelberg, wo er Philosophie, Anglistik und Indologie studierte und später promovierte. In Bielefeld, Heidelberg, Marburg und schließlich an der Freien Universität Berlin lehrte und forschte er als Professor für Philosophie. In seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte sich Bieri mit den kognitiven Funktionen des Gehirns.

1995 wurde Bieri zum ersten Mal zu Pascal Mercier. Unter diesem Pseudonym veröffentlichte er fünf Romane, der erste war "Perlmanns Schweigen". Die Philosophie floss in seine belletristische Arbeit ein, der Neuanfang war ein zentrales Thema seiner Geschichten.

In mehr als 40 Sprachen übersetzt

Sein dritter Roman brachte schließlich den internationalen Durchbruch: "Nachtzug nach Lissabon" wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt und 2013 mit Jeremy Irons in der Hauptrolle verfilmt. In dem Roman schickte Mercier einen weltfremden Altphilologen auf eine große Abenteuerreise: Raimund Gregorius ist ein Gelehrter par excellence. Er lehrt an einem Berner Gymnasium Griechisch und Latein, ist geschieden und mehr mit den Büchern als mit dem Leben verbandelt. Einer, der seit 30 Jahren die gleichen Routinen pflegt und von seinen Schülern ehrfurchtsvoll "Mundus" genannt wird.

Eines Tages passiert das Unerhörte: Auf dem Weg zur Schule begegnet Gregorius einer Frau. Sie steht mitten im Regen einsam auf einer Brücke. Will sie sich etwa umbringen? Die mysteriöse Portugiesin schreibt ihm eine Telefonnummer auf die Stirn und verschwindet. Ab diesem Moment ist alles anders. Raimund Gregorius bricht mit dem Altbewährten. Er kauft sich ein Buch auf Portugiesisch, einer Sprache, die er bis dato nur verachtete, und liest Zeilen eines unbekannten Autors namens Prado: 

"Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist, was geschieht dann mit dem Rest?"

In einer Szene des Films "Nachtzug nach Lissabon" stehen ein Mann in einem beigen und eine Frau in einem roten Mantel einander gegenüber. Beide sind von einem Regenfall durchnässt.
Jeremy Irons spielte den Altphilologen in der Verfilmung des Romans "Nachtzug nach Lissabon"Bild: picture-alliance/dpa/NTTL production/C-Films AG/S. Emerson

Gewissheiten im Wanken 

Und Gregorius macht sich auf, diesen "Rest" zu finden. Er nimmt den Nachtzug nach Lissabon - im Gepäck nur eine Kreditkarte und der Drang, mehr zu erfahren über diesen geheimnisvollen Autor. Doch je mehr Gregorius über Prado erfährt, je tiefer er in dessen Lebensumstände eintaucht, desto komplexer werden die Fragen. Plötzlich geraten selbst seine eigenen Gewissheiten ins Wanken. 

"Es ist ein Irrtum zu glauben, die entscheidenden Momente eines Lebens, in denen sich seine gewohnte Richtung für immer ändert, müssten von lauter und greller Dramatik sein, unterspült von heftigen inneren Aufwallungen. Das ist ein kitschiges Märchen, das saufende Journalisten, blitzlichtsüchtige Filmemacher […] in die Welt gesetzt haben. In Wahrheit ist die Dramatik einer lebensbestimmenden Erfahrung oft von unglaublich leiser Art."

Seinem größten Erfolg ließ Pascal Mercier zwei weitere Romane folgen, der letzte, "Das Gewicht der Worte", erschien 2020.

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Oktober 2018. Er wurde anlässlich der Nachricht vom Tod Pascal Merciers am 4. Juli 2023 aktualisiert.