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Peking-Oper trifft Samba do Brasil

Rolf Wenkel12. Juli 2013

China und Brasilien wachsen langsamer als früher. Experten empfehlen den beiden Schwellenländern einen Strategiewechsel: China sollte brasilianischer werden - und Brasilien chinesischer.

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epa03356698 Entertainers perform samba dancing during the opening ceremony of the 22th China Qingdao International Beer Festival in Qingdao city, eastern China's Shandong province, 11 August 2012. This 16 days festival offers about 300 different beer types of 25 world renowned beer brands from 16 countries to tourists. EPA/WU HONG +++(c) dpa - Bildfunk+++
China Brasilien SambaBild: picture-alliance/dpa

Wieder einmal hat Olivier Blanchard, Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds IWF, in seinem aktualisierten Weltwirtschaftsausblick die Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft nach unten korrigiert. Das Wachstum in den USA und Japan fällt magerer aus als erwartet, die Rezession in Europa ist tiefer als angenommen, und nun kommt auch noch ein nachlassendes Wachstumstempo bei den Schwellenländern hinzu, so Blanchard am Mittwoch (10.07.2013) in Washington.

Jahrelang galten Schwellenländer wie China und Brasilien als die Hoffnungsträger der Weltwirtschaft. Um rund zehn Prozent pro Jahr ist China im Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre gewachsen, doch in den Prognosen für das laufende Jahr steht nur noch eine Sieben vor dem Komma. Und in Brasilien, das im Jahr 2010 noch um über sieben Prozent gewachsen ist, verlangsamte sich das reale Wirtschaftswachstum 2012 auf 0,9 Prozent. Selbst wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden Jahr wieder um drei Prozent wachsen würde - es läge es immer noch unter vier Prozent, dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.

China Weltmeister im Sparen

Beiden Ländern könnte es besser gehen, wenn sie voneinander lernen würden, vermutet Markus Jaeger, Volkswirt bei Deutsche Bank Research. Den Grund für die historisch wie aktuell unterschiedlichen Wachstumsraten sieht er im unterschiedlichen Sparverhalten in beiden Ländern. Wo viel gespart wird, können die Banken viel Geld ausleihen, und die Unternehmen kommen leicht an Kredite für Investitionen. Und wo wenig gespart wird, ist auch weniger Geld für Investitionen da.

"In China beträgt die gesamtwirtschaftliche Sparquote rund 50 Prozent. Das heißt, dort wird jedes Jahr die Hälfte der Wirtschaftsleistung auf die hohe Kante gelegt", sagt Jaeger zur DW. Ein absoluter Weltrekord, der China in den vergangenen Jahrzehnten zu einem stark von Investitionen angetriebenen Wachstum geführt hat. In Brasilien liegt diese Quote bei rund 18 Prozent - entsprechend weniger Geld steht für Investitionen zur Verfügung. Das Wachstum in Brasilien war immer konsumorientiert.

Brasilien – ein Auslaufmodell?

"Auf den ersten Blick scheint das konsumorientierte brasilianische Wachstum ein Auslaufmodell zu sein", sagt Jaeger, "während die auf Investitionen ausgerichtete Strategie Chinas nach wie vor ein hohes Wirtschaftswachstum ermöglicht". Berücksichtigt man allerdings die sozialen, ökologischen und politischen Konsequenzen, so wird bald deutlich, dass auch China seine Wachstumsstrategie ändern sollte, ist sich Jaeger sicher. "Brasilien wäre gut beraten, wenn es im Hinblick auf Ersparnis und Investitionsverhalten 'chinesischer' würde, während China im Sinne eines kräftigeren Konsums von einem 'brasilianischen' Verhalten profitieren könnte."

Wie viel von ihren Einkommen die Menschen beiseite legen, hängt stark vom System der Alterssicherung ab. In Brasilien bestehen für die privaten Haushalte nur begrenzte Anreize zum Vorsorgesparen. Die dortigen Sozial- und Rentenversicherungssysteme schaffen eher Konsum- und weniger Sparanreize. In China stehen die privaten Haushalte vor dem gegenteiligen Problem: die Sozialversicherungssysteme sind unzureichend.

Sparen gleich Investieren

In Brasilien sieht sich der Unternehmenssektor aufgrund der geringen inländischen Ersparnis sehr hohen Kapitalkosten gegenüber. In China hingegen haben Unternehmen Zugang zu äußert günstigen Krediten. Die brasilianische Währung ist überbewertet, was die Anreize für Investitionen in exportorientierte Branchen begrenzt, wohingegen die chinesische Währung - zumindest bis vor einiger Zeit - unterbewertet war, wodurch Investitionen in die exportorientierte verarbeitende Industrie begünstigt wurden. "Und diese Liste lässt sich weiter fortsetzen", sagt Markus Jaeger von DB Research.

Dass Brasilien gut beraten wäre, etwas chinesischer, sprich: investitionsfreundlicher zu werden, leuchtet unmittelbar ein. Aber wieso sollte China seine von Investitionen getriebene Wachstumsstrategie aufgeben? "Das kapitalintensive Wachstum hat zunehmend negative ökologische Auswirkungen. Durch ihr investitions- und exportorientiertes Wachstum wird die Wirtschaft zudem anfälliger für externe Schocks", argumentiert Jaeger. "Und schließlich sind die meisten Investitionen kapitalintensiv und schaffen kaum zusätzliche Beschäftigung. Ein stärker an Dienstleistungen und Konsum orientiertes Wachstum wäre beschäftigungsintensiver."

Mäßiger Erfolg

Indes: Was Ökonom Jaeger den Regierungen in Brasilia und in Peking rät, versuchen diese schon seit einiger Zeit in die Tat umzusetzen. So verfolgt Peking nach einem unerfreulichen Disput mit den USA über Ungleichgewichte im Außenhandel schon länger eine Politik, die die inländische Nachfrage stärken will, "und auch die neue Regierung scheint sich auf diesem Pfad zu bewegen", konstatiert Jaeger. Wirkungen zeigen sich bislang aber kaum, räumt er ein. "Das soll nicht heißen, dass Wirtschaftspolitik keine Auswirkungen auf Verbrauchs- und Investitionsmuster hat. Sondern nur, dass sie mit größerem Nachdruck verfolgt werden muss."