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Musik

Penderecki: "Ich möchte die 9. Symphonie schreiben"

Monika Skarżyńska
23. November 2018

"Ich habe alles geschrieben, was ich geplant hatte. Jetzt schreibe ich noch zum Vergnügen", sagt Krzysztof Penderecki im DW-Interview. Der berühmte Komponist feiert heute seinen 85. Geburtstag.

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Polnischer Komponist Krzysztof Penderecki
Bild: Bruno Fidrych

Deutsche Welle: Sie überschritten die symbolische Zahl von einhundert Werken und feierten über einhundert Erstaufführungen. Welche von ihnen waren speziell und einzigartig für Sie?

Krzysztof Penderecki: Das waren meine ersten Werke. Da habe ich mehr geschrieben als jetzt. Der Beginn meiner Karriere als Komponist war für mich eine großartige Erfahrung. Eines meiner ersten Werke war die Lukas-Passion. Während der Donaueschinger Musiktage wurde ich vom Leiter der Redaktion für Neue Musik beim Westdeutschen Rundfunk, dem herausragenden Musikwissenschaftler Otto Tomek, angesprochen. Er fragte, ob ich zur 700-Jahr-Feier des Doms in Münster ein Stück schreiben könnte. Ich bot eine Passion an. Er glaubte es nicht und fing an zu lachen. Jemand, der eine Passion nach Bach komponieren wollte, konnte nur als Verrückter gelten. Ich ging an diese Aufgabe heran und kriegte es gut hin.

Sie arbeiteten später an der Johannes-Passion.

Ich habe nur Texte für dieses Werk gesammelt. Es gibt immer etwas zu beenden.

Im Jahr 1959 gewannen Sie alle drei Preise beim 2. Wettbewerb junger Komponisten der Polnischen Komponisten-Union.

Der erste Preis war ein Reisepass und ein Stipendium für den Aufenthalt im Westen. Ich sandte sogar drei Partituren zum Wettbewerb, um mir einen sicheren Gewinn zu garantieren.

Dann begann die gute Phase in Ihrem Leben. Gab es schwierigere Momente?

Ich weiß es nicht. Es ist sehr schwierig, über sein eigenes künstlerisches Schaffen zu sprechen. Ich habe alles geschrieben, was ich geplant hatte. Jetzt schreibe ich noch zum Vergnügen. Ich glaube nicht, dass es so einen zweiten lebenden Komponisten gibt, der ähnliche Erfolge wie ich erzielt. Man sollte an sich nur auf diese Weise denken. Dann versucht der Mensch immer, in bester Form zu sein.

Polnischer Komponist Krzysztof Penderecki
Krzysztof Penderecki ist auch als Dirigent sehr aktivBild: Bruno Fidrych

Sie sagten einmal, dass Wichtigste sei, nicht von seinem eigenen Weg abzuweichen; Vertrauen zu haben in das, was man trotz aller Zweifel tut.

Es gibt immer Zweifel, wenn man schreibt.

Sie widersetzten sich verschiedenen Moden und Trends. Woraus gewannen Sie die nötige Energie?

Ich hatte den Eindruck, dass dies der Zweck meines Lebens ist, besonders nachdem ich die Lukas-Passion geschrieben hatte. Die Uraufführung des Werkes fand am 30. März 1966 im Dom in Münster statt. Nach dem großen Erfolg der Passion in Deutschland durfte diese religiöse Musik erstmals in Polen aufgeführt werden. Während des Konzerts in der St. Johannes-Kathedrale in Warschau wollten manche Leute sogar die Tür aufbrechen. Es gab keinen Platz mehr in der Kirche.

Es muss betont werden, dass das ein sakrales Stück war. Gerade fielen mir Ihre Worte ein: "Es wurde nichts klüger als der Glaube erfunden. Die größte Entdeckung der Menschheit ist Gott".

Meine Denkweise wurde definitiv von meiner Erziehung beeinflusst. Meine Mutter war sehr religiös und mein Großvater war auch eine gläubige Person. Ich bin in den 1940er-Jahren aufgewachsen - in einer anderen Welt. Der Glaube war für uns alle sehr wichtig. Und das blieb auch so.

Zum einen der Glaube, zum anderen der Patriotismus. Ihr aus Deutschland stammender Großvater war ein echter polnischer Patriot.

Ja, mein Opa hieß Robert Berger. Er starb 1951, als ich 28 Jahre alt war. Er hatte ihn sehr gern. Als ich die Schule schwänzte, hinterlegte ich bei ihm meinen Schulranzen. Der Opa war sehr offen und religiös, aber er erlaubte mir, mehr zu tun, als er sollte.

Ist es ein Zufall, dass Ihr Großvater Sie in die Welt der Natur eingeführte?

Mein Opa ging mit mir in den Wald. Er war mein Freund. Er brachte mir die Namen der Bäume auf Latein bei. Und er pflanzte ja auch viele Bäume um unser Haus.

Dann gab es eine großartige Gelegenheit, in Lusławice weitere Bäume zu pflanzen. Und sogar 84 Baumarten.

Krzysztof Penderecki
"Ich habe alles geschrieben, was ich geplant hatte"Bild: Ludwig-van-Beethoven-Verein, Warschau

Die Liste der einheimischen Baum- und Sträucherarten in Polen ist nicht lang. Ich habe es geschafft, die wichtigsten von ihnen anzupflanzen.

Und auf der anderen Straßenseite befindet sich das Europäische Krzysztof-Penderecki-Musikzentrum - eine gelungene Verbindung von Natur und Kultur.

Ich wollte einen Treffpunkt von jungen Musikern, Musiklehrern und Komponisten schaffen. Tausende talentierte Menschen aus ganz Europa konnten ihre musikalischen Fähigkeiten unter der Leitung von bekannten MusikerInnen wie Anne-Sophie Mutter verbessern.

Und wie sehen Ihre täglichen Berührungen mit Musik aus?

Ich habe das 4. Streichquartett und die Polonaise für das unabhängige Polen erweitert. Ich möchte die 9. Symphonie schreiben, meistens die letzte. Wer nicht holistisch (ganzheitlich) denkt, kann keine Symphonie schreiben. Meiner Meinung nach war Anton Bruckner - abgesehen von den Klassikern - ein großer Symphoniker. In Polen gibt es keine große Symphonie. Den Polen fehlt noch eine Vision für große Formen. Ich möchte nicht schlecht über meine Landsleute reden, aber es ist so.

Von hier ist es nur ein Schritt zu Ihren Worten: "Ich liebe Polen so, wie es sein sollte. (…), das in der Literatur existiert, aber in der Realität nie existiert hat".

Ja, wie es sein sollte…

 

Krzysztof Penderecki ist einer der bedeutendsten Komponisten der polnischen postseriellen und zeitgenössischen Musik. Gelegentlich wird er auch als "spätmoderner Klassiker" bezeichnet.

Das Gespräch führte Monika Skarżyńska