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Pentagon unter Beschuss

Udo Bauer23. Oktober 2003

Ist die Besatzung des Irak nun eine Erfolgsgeschichte oder ein politisches Desaster? Ersteres will US-Präsident Bush gerne glauben machen. Aber die Luft für seinen Kriegsminister, Donald Rumsfeld, wird dünner.

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Die Bush-Regierung wird allmählich nervös. Darauf deuten die PR-Pannen hin, die sich in den letzten Wochen häufen. Zuerst war da eine immer noch unbekannte Quelle im Weißen Haus, die den Klarnamen einer wichtigen CIA-Agentin an die Öffentlichkeit lancierte. Dann die unglückliche Medienschelte des Präsidenten ("gefilterte Nachrichten aus dem Irak"). Und schließlich wurde ein pentagoninternes Memo von Donald Rumsfeld publik, in dem der üblicherweise so eiserne Chef-Wadenbeißer von George Bush offenbar seine weiche Seite - sprich: Selbstzweifel - offenbart. Rumsfeld hatte darin von einer "langen, harten Durststrecke gesprochen", die es zu überstehen gelte, wenn man "auf die eine oder andere Art und Weise" zu einem Sieg kommen wolle. Noch viel schwärzer sieht Rumsfeld darin die Zukunft des Kampfes gegen den Terrorismus. "Aus heutiger Sicht können wir noch nicht sagen, ob wir diesen Krieg gewinnen oder verlieren werden", so der Pentagon-Chef vor dem Hintergrund der immer noch flüchtigen Taliban-Führer, Ansar-el-Islam-Kämpfer und El-Kaida-Spitzenkader.

Vom "Rising Star" zur Sternschnuppe

Nun ist der mediengewandte Verteidigungsminister natürlich nicht um eine Erklärung dieses Memo-Vorganges verlegen. Es sei halt ein Versuch gewesen, eine Debatte innerhalb des Ministeriums zu provozieren, so Rumsfeld. Er halte es für nützlich, wenn Fragen gestellt werden, "die über den Horizont hinausgehen". Ein erkennbar schwacher Erklärungsversuch war das, aber was soll er auch sonst sagen. Tatsache ist: Donald Rumsfeld ist hart angeschlagen, seitdem Präsident Bush ihm einen Teil seiner Macht im Irak abgenommen und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice zugesprochen hat. Und die Vermutung liegt auf der Hand, dass derjenige, der das Memo an die Presse weitergeleitet hat, damit den einstigen "Rising Star" Rumsfeld als Sternschnuppe verglühen sehen möchte.

Lügner im Hintergrund

Aber nicht nur Rumsfeld selbst ist unter Beschuss. Die amerikanische Presse nimmt auch mehr und mehr seinen engsten Führungskreis im Pentagon ins Visier: die neokonservativen Vordenker, Spin Doctors und Propagandisten des Irakkrieges. Neben Paul Wolfowitz und Richard Perle ist laut Washington Post William J. Luti eine zentrale Figur in diesem Geflecht aus Lügen und Halbwahrheiten. Luti ist Staatssekretär im Pentagon und eifernder Vertreter der Denkschule von Dick Cheney und Newt Gingrich. Mehrere nicht genannte Geheimdienstbeamte sagten der Zeitung, dass Luti geheimes Material, das nicht mit seiner Theorie von einer direkten Bedrohung durch den Irak vereinbar war, schlichtweg ignoriert habe - im Gegensatz zu "seinen" Informationen. Luti war Chef des umstrittenen "Büros für Spezialplanungen", eine Art Propaganda-Abteilung innerhalb des Pentagon mit einer einzigen Aufgabe: der Werbung für den Krieg. Zwar ist dieses Büro- mittlerweile auf öffentlichen Druck hin geschlossen worden, aber was bleibt, ist ein tiefes Misstrauen der Pentagon-Kritiker gegenüber dem einflussreichen Beamten ("boshafter Lügner", "Satan") und damit nicht zuletzt gegenüber seinem Chef Donald Rumsfeld.