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Per App in Deutschland orientieren

Janina Semenova31. Juli 2015

Fast jeder Flüchtling hat ein Smartphone. Warum das nicht auch zur Integration in Deutschland nutzen? Die ersten Apps für Asylbewerber machen den Versuch.

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Eine Asylbewerberin sitzt Meßstetten mit ihrem Handy auf dem Gehweg. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

Wenn sie vor Krieg und Gewalt fliehen, sind Flüchtlinge ohne Gepäck unterwegs. Höchstens das Smartphone steckt auf der Reise in der Hosentasche. Für Flüchtlinge kann das Smartphone in Deutschland eine große Hilfe sein: Übersetzungs-Apps helfen jetzt schon bei der Kommunikation, wenn Flüchtlinge und freiwillige Helfer aufeinander treffen, die aber nicht dieselbe Sprache sprechen.

Aber auch darüber hinaus kann das Internet den Flüchtlingen in Deutschland beim Zurechtfinden helfen, indem dort hilfreiche Informationen für den Alltag und die Integration in Deutschland zu finden sind. So gibt es mittlerweile eine Online-Jobbörse für Flüchtlinge, die von zwei Berliner Studenten entwickelt wurde. Die Piratenpartei hatte vorgeschlagen, eine landeseigene Smartphone-App als Orientierungshilfe zu entwickeln. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger wies den Vorstoß jedoch im März zurück.

Vorbild war für die Piratenfraktion die Stadt Witten im Ruhrgebiet, die 2014 nach eigenen Angaben die erste Flüchtlings-App in Deutschland entwickelte. Die App der Stadt ist eigentlich für Touristen konzipiert. Als das Referat Integration der Stadt Hilfseinrichtungen in einer Broschüre auflistete, kam die Idee, daraus auch eine mobile Variante zu entwickeln. "Niemand schleppt die Broschüre mit sich herum", sagt Astrid Raith, Leiterin des Projektes "e-Government" der Stadt Witten, die das Ganze in ein modernes Medium bringen wollte. Innerhalb kürzester Zeit gab es in der Tourismus-App "CityGuide" den Unterpunkt "Soziales Engagement".

Die "CityGuide" App der Stadt Witten. (Foto: Stadt Witten)
Ursprünglich eine Tourismus-App, jetzt aber auch mit Infos für Flüchtlinge: Der "CityGuide" WittenBild: Stadt Witten

Zum Sprachkurs navigieren

"Eine App hat immer eine starke Bildsprache. Das ist wichtig, wenn die Leute der Sprache nicht mächtig sind", ist Astrid Raith überzeugt. Aufgelistet sind beispielsweise ehrenamtlich angebotene Sprachkurse, Sportangebote oder Infos zu Behörden.

Deutschland Wlan für Flüchtlinge in einer Notunterkunft in Witten (Foto: Saxonia Systems)
Wofür sind die Behörden in Deutschland zuständig? Die "Welcome-App" soll Flüchtlingen solche Fragen beantwortenBild: Saxonia Systems

Wenn ein Flüchtling zum Beispiel auf der Suche nach Kleiderspenden ist, könnte er nachgucken, welche Organisation wo etwas anbietet. "Wie es im Smartphone üblich ist, kann man sich von der Navigation auch dorthin leiten lassen", erklärt Raith. Durch das gute "Freifunk"-Netz in Witten sei das auch ohne eigenes mobiles Internet möglich. Denn viele Bürger in Witten haben "Freifunk"-Router, die es den Menschen auf öffentlichen Straßen ermöglichen, kostenlos ins Internet zu gehen.

In Dresden programmierte die private Softwarefirma "Saxonia Systems" in Zusammenarbeit mit der TU Dresden und München und der Partnerfirma "HeiReS" auch eine kostenlose App für Flüchtlinge. Seit Ende Juni gibt es die "Welcome-App" für Microsoft, ab August soll die App dann auch für Android und iOs funktionieren.

Pegida zum Trotz

Für Viola Klein, Geschäftsführerin von Saxonia Systems, waren die Pegida-Demonstrationen in Sachsen ausschlaggebend für die Idee dazu. "Beschämend" sei es gewesen, wie die Pegida-Anhänger gegen Flüchtlinge wetterten. "Das geht so nicht, wir müssen etwas unternehmen", sagte sie damals zu ihren Mitarbeitern.

Ihre IT-Firma hat viel unternommen: Deutschkurse wurden organisiert und Mitarbeiter übernahmen Bildungspatenschaften. "Was kann ich selbst beitragen?", fragte Viola Klein sich. Da sie selbst beruflich viel mit Apps zu tun hat, war die Idee der 'Welcome-App' geboren.

"Was für Probleme für Flüchtlinge existieren, weiß man als Außenstehender gar nicht", erzählt sie der DW. Einen engen Kontakt zu Sozialarbeitern nutzte Klein als inhaltliche Inspiration für die App. So soll die App Flüchtlingen zum Beispiel das deutsche Asylrecht erklären, aber auch über Beratungsstellen und Ämter aufklären. Das alles gibt es in fünf Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und Russisch. Wo finde ich einen Arzt, der Arabisch spricht? Was mache ich bei einem medizinischen Notfall? Wie ist Deutschland kulturell gestrickt? Solche Fragen soll die App beantworten.

Integration für die Zukunft?

Astrid Raith zeigt ein selbstgemaltes Bild einer Maus. (Foto: DW/J. Semenova)
Mit solchen selbst gemalten Bildern möchte Astrid Raith die Wittener App um ein Bildwörterbuch ergänzenBild: DW/J. Semenova

Richtig ausgereift ist die Idee mit den Apps allerdings bisher nicht. Denn viele Flüchtlinge haben zu Beginn ihrer Zeit in Deutschland nicht immer einen deutschen Handyvertrag und somit kein mobiles Internet. Auch der "Freifunk" in Witten ist nicht Standard in allen deutschen Städten. Aber das Potenzial ist da, die Apps müssen nur noch bei den Flüchtlingen ankommen. Das ist vor allem eine Sache der Kommunikation.

In Witten wird momentan überlegt, wie die App den Flüchtlingen näher gebracht werden kann. Laut Astrid Raith sollen ein paar Sachen eingebaut werden, die "die Nutzung ankurbeln würden". So wie ein komplett selbst entwickeltes Bildwörterbuch, das beim Übersetzen helfen soll. Die "Welcome-App" aus Sachsen soll, sobald sie für alle Betriebssysteme fertig ist, an alle deutschen Städte kostenlos weitergegeben werden. Über eine programmierte Software könnten die Städte die App dann selber pflegen und ihre lokalen Informationen und Angebote einbauen.