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Perfektionismus als Kunst: Der Cirque du Soleil

Silke Bartlick4. September 2006

Vom Feuerschlucker zum Geschäftsführer eines weltweit führenden Unterhaltungsunternehmens: Guy Laliberté vom kanadischen Cirque du Soleil hat mit seiner Show schon Millionen Menschen auf vier Kontinenten begeistert.

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Bild: AP

Ein Dorf auf Rädern, eine Kleinstadt beinahe, hat sich am Ufer der Spree in Berlin niedergelassen. Auf 20.000 Quadratmetern, mit Büros, einer Schule und einer Küche, mit Kartenhaus, einem Artistenzelt und dem 19 Meter hohen "Grand Chapiteau", das, vollklimatisiert, knapp 2500 Gästen Platz bietet.

Cirque du Soleil
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"Der Zirkus des 21. Jahrhunderts? Ich denke, das ist das hier!", sagt die kanadische Sängerin Anges Sohier voller Überzeugung. Seit der Weltpremiere von "Dralion" 1999 in Montreal tritt sie in dieser Show auf, die auf Tiere, Stars und die Abfolge von Nummern verzichtet und statt dessen eine Geschichte erzählen will: Die Geschichte von einer Traumwelt, in der der Schwerkraft getrotzt und das physikalisch Unmögliche möglich wird. Das jedenfalls verspricht das Programmheft und unterfüttert den rasanten Bilderbogen aus Akrobatik, Tanz und Artistik auf diese Weise bedeutungsschwer.

Zwei Stunden Staunen

Tatsächlich aber lädt "Dralion" mehr zum Staunen als zum Sinnieren ein. Denn alles, wirklich alles an dieser zweistündigen Hochleistungsshow ist perfekt: die Artisten aus aller Welt, die in Schulen des Sonnenzirkus' in Ausdruckstanz und Performance trainiert wurden, sowie die schillernden Kostüme, die unternehmenseigene Designer in kanadischen Werkstätten aus hochwertigen Materialien anfertigen. Der Soundtrack der Show, der live eingespielt wird und munter indische Melodien mit andalusischen, afrikanischen und mitteleuropäischen Melodien verwebt, das futuristisch anmutende Bühnenbild, das sekundenschnell vom Tor zu Unterwelten zur Kletterwand mutiert sowie schließlich die Choreografie des Abends selbst, diese permanente Gleichzeitigkeit verschiedenster Darbietungen und Effekte.

Cirque du Soleil
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"Es ist kein traditioneller Zirkus. Es mehr ein Musical mit Zirkus", erklärt Claudel Doucet. Sie tanzt zusammen mit ihrem russischen Partner einen Pas de Deux in den Lüften, verschlungen in ein langes Band aus blauem Tuch, tapsige Clowns versuchen sie zu kopieren und dabei wabert Gesang in einer Phantasiesprache durch das "Grand Chapiteau". Artisten bauen menschliche Pyramiden, werden zu Luftakrobaten und winden sich elegant im Takt der Musik, während sie mit eins, zwei, drei, sieben Bällen jonglieren, und junge Chinesinnen tanzen ein Spitzenballett auf leuchtenden Glühbirnen. "Wir sind Kaufleute für Glücksgefühle und befriedigen emotionale Bedürfnisse", hat Cirque du Soleil - Vizepräsident Mario D'Amico einmal gesagt.

Strenge Auswahl

Und die Menschen auf aller Welt, so scheint es, gieren nach diesen momentanen Glücksgefühlen. Mit sieben Shows tourt der Cirque du Soleil um die Welt, weitere sechs zeigt er an festen Standorten in den USA - mit Künstlern, die handverlesen sind und ausgetauscht werden, sobald sie nicht mehr zur vollsten Zufriedenheit arbeiten, die Illusion von Perfektion und der Machbarkeit des Unmöglichen nicht mehr nähren können. Eine Illusion, die knappe zwei Stunden währt, aber vom Publikum gerne konserviert werden darf. Schließlich bietet das Unternehmen CDs und DVDs an und im zirkuseigenen Souvenirshop gibt es allerlei Requisiten für den artistischen Hausgebrauch.