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Bosz: "Mein Weg ist der Offensivfußball"

5. August 2019

Seit Januar ist Peter Bosz Trainer von Bayer 04 Leverkusen. Im DW-Interview spricht der Werkself-Trainer über seine Spielphilosophie und über Johan Cruyff - außerdem darüber, warum er sich selbst nicht aufstellen würde.

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Trainer Peter Bosz
Bild: picture-alliance/R. Ibing

DW: Herr Bosz, in Deutschland wird Fußball ja häufig noch über Kampf und Einsatz definiert. Wie gefällt Ihnen der Fußball, der in der Bundesliga gespielt wird?

Peter Bosz: Der Fußball in Deutschland gefällt mir, die Atmosphäre in den Stadien beispielsweise ist immer gut. Wenn man über Kampf und Einsatz spricht, muss man sagen: Damit fängt alles an. Das ist die Basis. Aber das ist nicht das Ende. Die Spieler benötigen eine professionelle Einstellung, ohne die man keine Spiele gewinnen kann. Aber daneben gibt es noch viel mehr.

Was benötigten die Spieler noch?

Die Spieler müssen eine gute Technik haben, denn ohne eine gute Technik kann man nicht das umsetzen, was ich als Trainer gerne sehen möchte. Natürlich steht der Erfolg immer im Vordergrund. Und den kann man auch auf verschiedene Weisen erreichen. Viele Wege führen nach Rom. Und mein Weg ist der Offensivfußball mit einer kompakten Defensive. Mit diesem Fußball will ich auch die Fans im Stadion unterhalten. Die Leute sollen ein Superspiel sehen. Und wenn sie nach Hause gehen, sollen sie sagen: "Wow, das war aufregend." Aber wir müssen damit auch Spiele gewinnen, das ist das Wichtigste.

Das heißt, Sie nehmen aufgrund ihrer mutigen Spielweise auch mal einen Gegentreffer in Kauf?

Wenn wir die Spielweise richtig umsetzen, also kompakt nach vorne spielen aber auch kompakt nach hinten arbeiten, dann bekommen wir sehr wenige Schüsse auf unser Tor und somit auch wenige Gegentore. Dass das funktioniert, hat die Mannschaft in der Rückrunde bewiesen. Im Vergleich zur Vorrunde haben wir nicht nur 17 Tore mehr erzielt, wir haben auch sechs weniger kassiert. Aber es stimmt: Wenn wir den Plan nicht richtig umsetzen, dann ist meistens hinter unserer Abwehr ein sehr großer Raum, den der Gegner gerne nutzt. Aber auch mit einer defensiven Taktik kann man viele Gegentore bekommen.

Sie selbst waren ein defensiver Mittelfeldspieler, weshalb bevorzugen sie den Offensivfußball so sehr?

Das hat etwas mit Emotionen zu tun. Ich schaue mir gerne Mannschaften an, bei denen etwas passiert. Breit spielen, zurück spielen, nur lange Bälle schlagen, das gehört nicht zu dem Fußball, den ich liebe. Wenn ich Fußball schaue, will ich mitfiebern, es muss Spaß machen zuzuschauen. Deshalb versuche ich auch, meine Mannschaften so spielen zu lassen, dass auch die Fans Gefallen daran finden.

Sie sind ehemaliger niederländischer Nationalspieler. Wenn man die Zeit beugen könnte: Würden Sie als Trainer den Spieler Bosz aufstellen?

Nein. Die Qualität reicht nicht für den Fußball, den ich gerne sehe.

Werden defensive Spieler in den Niederlanden überhaupt beachtet?

Wir haben in Holland eigentlich nur noch Ajax Amsterdam. Dort wird immer offensiv gespielt. Alle anderen Teams stehen meist kompakt hinten drin. Die verteidigen dort aber mit vielen jungen Spielern, die oft noch keine 20 Jahre alt sind. Deshalb sieht das vielleicht nicht so physisch aus, wie in Deutschland.

Warum gelingt nur Ajax Amsterdam diese Spielweise noch?

Das liegt daran, dass die Jungs schon in der Jugend von hinten herausspielen, hoch angreifen und Druck machen wollen. Das ist die Philosophie des Vereins. Dort haben sie auch die besten Spieler, sie haben aber auch am meisten Geld. Sie machen das dort geschickt.

Hierzulande wird derzeit beklagt, dass es kaum noch Straßenfußballer mit besonderen technischen Fähigkeiten gibt. Fehlen Ihnen, mit Ausnahme vielleicht von Kai Havertz, diese besonderen Typen auch?

Bundesliga - Hertha BSC - Bayer Leverkusen
Der Trainer und sein bester Schüler: Peter Bosz (l.) und "Jahrhundert-Talent" Kai Havertz (r.)Bild: picture-alliance/Engler

Diese Spieler gibt es immer. Aber man darf auch keine Angst haben, diese einzusetzen, weil sie meistens etwas unstrukturierter als die Kollegen arbeiten. Kai zwar nicht, aber die meisten anderen. Das war auch mal in Holland ein Thema. Damals, als ich noch auf der Straße gespielt habe, haben die Älteren auch immer schon behauptet, dass es diese Spieler nicht mehr gibt. Vielleicht haben wir Trainer uns aber auch geändert. Wenn ich durch die Straßen fahre, dann sehe ich noch immer Jungs, die auf der Straße kicken. Es gibt sie also noch.

Sie haben sich mit Johan Cruyff kurz vor dessen Krebstod noch eine Woche lang über Fußball unterhalten. Was ist das Wesentliche, was Sie aus diesen Gesprächen mitgenommen haben?

Johan war ein Mann, der immer unabhängig gedacht und gehandelt hat, der keine Angst hatte und seinen Weg gegangen ist. Auch wenn es Rückschläge gab. Er war mutig, und er liebte den Fußball und gute Spieler. Und auch ich gehe meinen Weg, an den ich glaube und von dem ich überzeugt bin. Woran ich nicht glaube ist, dass man auf Dauer Erfolg hat, wenn man ständig die Richtung ändert.

Warum läuft es bei Bayer 04, seitdem sie den Trainerjob übernommen haben?                

Es fängt damit an, dass wir gute Spieler und eine klare Idee haben, wie wir spielen wollen. Und wir haben die Spieler davon überzeugt, dass sie das können. Dann macht den Spielern das auch Spaß, und sie stehen dahinter. Alle Spieler haben gerne den Ball, wir haben manchmal zu 70 Prozent den Ball, wollen nach vorne spielen. Und wenn die Spieler Spaß haben, dann sind sie meist auch erfolgreich.

"Die Menschen in Deutschland haben den wahren Trainer Peter Bosz noch nicht gesehen", haben sie bei Ihrer Vorstellung in Leverkusen gesagt. Wie sieht der richtige Peter Bosz denn aus?

Das habe ich gesagt, weil die Menschen sich immer an den letzten Eindruck erinnern. An die letzten Minuten eines Spiels, an das Ende einer langen Fußballkarriere, an die letzten Wochen meiner Zeit in Dortmund. Wir haben am Anfang in Dortmund guten Fußball gespielt, haben gute Ergebnisse erzielt, waren fünf Punkte vor dem FC Bayern. Und ich wollte zeigen, dass unser Fußball auch auf längerer Strecke funktioniert. Und in der vergangenen Rückrunde in Leverkusen war das schon besser. 

Peter Sylvester Bosz, Jahrgang 1963, ist ein niederländischer Fußballtrainer und ehemaliger Fußballspieler. Als Spieler lief er für Klubs in den Niederlanden, Frankreich, Japan und Deutschland auf. In der Bundesliga spielte er 14-mal für Hansa Rostock. Nach seiner aktiven Karriere wurde er Trainer und war zunächst bei einigen Klubs in den Niederlanden tätig. 2016 übernahm er den israelischen Verein Maccabi Tel Aviv. Nach Stationen bei Ajax Amsterdam und Borussia Dortmund arbeitet Bosz seit Januar 2019 bei Bayer 04 Leverkusen.

Das Interview führte Jörg Strohschein