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Unterwegs

Corina Kolbe28. März 2012

Mongolischer Oberton-Gesang und tibetische Mönchslitaneien: Im Kammermusiksaal erklingen ungewohnte Klänge. Die Berliner Philharmoniker etablieren mit Kollegen aus aller Welt ein interkulturelles Kammerorchester.

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"Unterwegs"-Konzertreihe: Das Ensemble Tamikrest und Huun Huur Tu mit Roger Willemsen {@ Stiftung Berliner Philharmoniker/Antje Schmidtpeter, TOGOMEDIA )
Bild: Stiftung Berliner Philharmoniker/Antje Schmidtpeter, TOGOMEDIA

Rund um den Globus gelten sie als musikalische Kulturbotschafter Deutschlands: die Berliner Philharmoniker. Nicht nur auf Tourneen, sondern auch am Stammsitz in der Hauptstadt zieht das Spitzenorchester ein breites internationales Publikum an. Über das Repertoire westlicher klassischer Musik hinaus öffnen sich die Musiker jetzt auch anderen Kulturen.

Der Literat und bekennende Weltreisende Roger Willemsen moderiert die neue Konzertreihe "Unterwegs", die Ensembles aus Mali, der Mongolei, Bulgarien, Tibet oder Afghanistan auf die Bühne bringt. So werden interkulturelle Brücken gebaut, die von Deutschland zu anderen Kontinenten führen und darüber hinaus überraschende Querverbindungen herstellen.

Die Weltmusik-Programme wecken große Neugier beim Berliner Publikum, der Kammermusiksaal der Philharmonie ist an den "Unterwegs"-Abenden stets gut besetzt. "Die Leute kommen nicht hierher, um im Ohrenschmaus zu schwelgen", meint Moderator Roger Willemsen. "Sie wollen sich fordern lassen und eine ethnologische Exkursion unternehmen. Das nomadische Lebensgefühl übt auf viele offensichtlich einen großen Reiz aus."

Moderator und Publizist Roger Willemsen (Foto: Fredrik von Erichsen dpa/lrs )
Moderator Roger WillemsenBild: picture-alliance/ dpa

Nomaden, Mönche und Afghanen

So wird die Musik der Nomaden aus der westafrikanischen Sahara und den weiten Steppen Asiens vorgestellt. Willemsen, der selbst so manche entlegene Gegend besucht hat, animiert die malische Tuareg-Band Tamikrest dazu, gemeinsam mit den mongolischen Obertonsängern Huun Huur Tu zu improvisieren. Die Zuhörer reagieren begeistert auf diesen ungewöhnlichen musikalischen Dialog, der im Alltag wohl kaum vorstellbar wäre.

In einem weiteren Konzert steht die spirituelle Musik aus Klöstern in Armenien, Bulgarien und Tibet im Fokus. Ritualmusik von Mönchen des Klosters Tashi Lhunpo trifft auf traditionelle geistliche Sharakans aus Armenien und orthodoxe bulgarische Gesänge.

Ein anderer Abend widmet sich den Geschichten und Klängen Afghanistans. Der Krieg hat auch vor der einst reichen Musiktradition des Landes nicht halt gemacht:  Noten wurden vernichtet, das Musikerviertel in Kabul zerstört, der Instrumentenbau stagniert. Und doch lebt die Musik in den Menschen weiter.

Tablo-Trommeln. (AP Photo/Ajit Solanki)
Tablas sind in Afghanistan und Indien weit verbreitetBild: AP

Erstmals stoßen Mitglieder der Berliner Philharmoniker zu einem "Unterwegs"-Konzert hinzu: Eine Gruppe von Streichern gesellt sich zu der afghanischen Laute Rubāb, zu Tabla-Trommeln und zur Perkussion. Zusammen spielen die Musiker ein diffiziles und zugleich eindrucksvolles Arrangement, das es in dieser Kombination noch nicht gegeben hat.

Internationales musikalisches Berlin

"Ich finde es gut, wenn den philharmonischen Hörern mal ganz andere Musik geboten wird", sagt Martin Stegner. Der Bratschist hat schon länger Erfahrungen mit nichtklassischer Musik gesammelt. Früher ging er mit Sinti und Roma auf Tournee, inzwischen spielt er neben seiner Orchestertätigkeit mit seinem Ensemble "Bolero Berlin" auch lateinamerikanische Klänge.

Stegner ist schon gespannt auf das nächste Konzert Mitte Mai, das unter dem Motto "Unterwegs im internationalen Berlin" stehen wird. Die Philharmoniker wollen dann mit in der Hauptstadt lebenden Musikern aus dem Iran, China, Indien, Nordafrika und anderen Regionen ein interkulturelles Kammerorchester bilden. "Das ist das Spannendste, was ich mir vorstellen kann", bekennt er. "Wenn mehrere Kulturen aufeinander treffen, kann etwas großes Gemeinsames entstehen. Natürlich ist so etwas auch riskant; man muss da schon sehr offen sein."

Tango, Fado, alla Turca

Den Grundstein zu der interkulturellen Arbeit der Berliner Philharmoniker legte vor fast sechs Jahren die von der damaligen Intendantin Pamela Rosenberg initiierte Reihe "Alla Turca", in der Musikstile aus dem Orient und dem Okzident in einen Dialog traten.

Intendant Martin Hoffmann (Foto: Britta Pedersen/ dpa )
Intendant Martin Hoffmann liebt das UngewöhnlicheBild: picture-alliance/ dpa

Später wurde das Konzept zu anderen Weltregionen hin erweitert und schloss unter anderem den argentinischen Tango und den portugiesischen Fado ein. Begleitend finden "Education-Programme" statt, mit denen die Berliner Philharmoniker Interessierte jeden Alters unabhängig von Herkunft und musikalischer Vorbildung erreichen wollen.

Mit der neuen Weltmusik-Reihe will Rosenbergs Nachfolger Martin Hoffmann die thematische Öffnung der Philharmonie für neue Genres weiter vorantreiben. "Im Kammermusiksaal veranstalten wir bereits seit längerem Konzerte von einer großen Bandbreite", erklärt er. "Diese Experimente sollen dem Publikum Ungewohntes und Unerhörtes näherbringen. Wir sind davon überzeugt, dass es Regionen gibt, die uns musikalisch noch erschlossen werden können."