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Pianist Daniil Trifonov

Anastassia Boutsko24. Februar 2014

Mit 20 Jahren gewann Daniil Trifonov 2011 den legendären Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau: ein schüchterner Junge, der sich mit Musik besser verständigen kann als mit Worten. Drei Jahre später ist er ein Star.

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Russland Musik Pianist Daniil Trifonov in Moskau (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Einen Film über Daniil Trifonov sollte man mit diesem "Flash-Back" anfangen: Das DW-Team dreht im Jahr 2008 in Moskau einen Beitrag über die Gnessin-Musikschule. Dieses Relikt aus der sowjetischen Zeit ist jetzt eine musikalische Kaderschmiede für Ost und West. Die renommierte Klavierpädagogin Tatjana Zeligman empfiehlt ihren 17-jährigen Schüler Daniil als Interviewpartner: "Er ist momentan der Aussichtsreichste, er ist was Besonderes."

Erste Begegnung: Moskau, November 2008

Im kalten Moskauer November treffen wir uns mit Daniil Trifonov. Feine Gesichtszüge, schulterlanges dunkelblondes Haar, hoffnungslos unmodische Strickjacke. Kein cooler Typ, kein Draufgänger - eher schüchtern und introvertiert. Wie es Evgeni Kissin einmal war. Und genauso wie er gibt Daniil bereitwillig zu Protokoll: "Mir liegt romantische Musik. Ich bin wahrscheinlich selbst ein Romantiker."

Daniil ist Gnessin-Gymnasiast im 11. und damit letzten Lehrjahr. Um seine Ausbildung in Moskau finanzieren zu können, verkauften seine Eltern, beide Berufsmusiker, zwei Wohnungen in der Provinzstadt Nischni Nowgorod - eine aufopferungsvolle Geste, die unter "Gnessin-Eltern" allerdings keine Seltenheit ist. Vom Erlös konnte sich die Familie gerade mal eine Einzimmerwohnung in einem entfernten Vorort der Hauptstadt leisten. Von dort aus fährt Daniil jeden Tag zur Schule: "Das sind circa zwei Stunden: Ich fahre mit dem Bus, dann mit dem Zug, dann mit der U-Bahn", berichtet der Junge. Belastend findet er das nicht; schließlich kann er unterwegs schlafen, lesen und sogar üben. "Damit man sich später auf der Bühne sicher fühlt, muss man eh jedes Werk mehrmals im Kopf wiederholen und es auf den Knien klimpern."

Ein extrovertierter Künstler ist Daniil nicht: Er antwortet kurz und leise, schaut weg, nuschelt vor sich hin. Mit der Musik kann er sich viel besser ausdrücken. Der Kameramann ist begeistert und macht einen langen Schwenk über den kargen Klassenraum: das alte Klavier mit zerkratzter Decke, das konzentrierte Profil des jungen Musikers, der sich in einem Katzenbuckel über die Tasten duckt, zu seinen unglaublich flinken langen Fingern. Trifonov spielt Chopin.

Zweite Begegnung: Köln, Januar 2014

Daniil Trifonov am Flügel (Foto: AP Photo/Dmitry Lovetsky)
Daniil Trifonov beim Tschaikowski-Klavierwettbewerb in MoskauBild: AP

Fünf Jahre später. Backstage-Bereich der Kölner Philharmonie. Daniil Trifonov hat gerade Chopins Zweites Klavierkonzert vor ausverkauftem Haus gespielt. Das Publikum hat ihm zugejubelt. Der Musiker ist euphorisiert.

"Mein Leben hat sich in den letzten Jahren wahnsinnig verändert", sagt er. 2010 gewann er den Chopin-Wettbewerb in Warschau, im Mai 2011 den Rubinstein-Wettbewerb in Israel und schließlich im Juni gleichen Jahres den legendären Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau.

Seine ersten internationalen Auftritte absolvierte Trifonov mit dem einflussreichen russischen Dirigenten Valeri Gergiev, wusste sich aber schnell von dem omnipräsenten Maestro zu emanzipieren. Seine jüngsten Tourneen durch Deutschland und die USA, seine Recitals in der Berliner Philharmonie und der Carnegie-Hall beweisen: Da geht einer seinen Weg.

Künstlerisch ist Daniil Trifonov zwar sehr gereift, doch nach wie vor kostet es ihn große Überwindung, den Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Er antwortet kurz und schülerhaft. Er mag Deutschland, sagt Daniil. Wegen des Publikums - und vor allem wegen der brillanten Konzertflügel, die es einem möglich machen, sich in Höchstform zu präsentieren. Und wenn er vor Menschen spiele, die ihm zuhören, sei er richtig glücklich. Den Kölner Dom hat er schon letztes Mal gesehen. Lieber geht er joggen oder im Hotel schwimmen, das entspannt und schafft Ausgleich. Und die Zeit im Zug - schon am nächsten Tag spielt er in Berlin - nützt er gerne zum Komponieren.

Pianist Daniil Trifonov in Schottland (Foto: imago/United Archives International)
"Der zarte Dämon" beim Edinburgh International Festival 2012Bild: imago/United Archives International

Ein Pianist für Pianisten - und Liebhaber

Im Gegensatz etwa zu Alfred Brendel, dem eher intellektuell geprägten Pianisten (und bekennenden Trifonov-Fan), ist Daniil ganz Subjektivität. Trifnonov ist technisch so perfekt, dass es ihm nur um den Ausdruck, um die Vermittlung seines "Ichs" geht. Und dieses "Ich" vermittelt all das, was er nicht in Worten fassen mag: Zartheit, Tiefe und auch dunkle Abgründe. Die berühmte argentinische Pianistin Marta Argerich, eine weitere Verehrerin Trifonovs, hört gar etwas Dämonisches aus seinem Anschlag heraus.

"Schnelligkeit und Fingerfertigkeit braucht man für Klavierwettbewerbe und fürs Läusefangen in einem dunklen Raum", sagte mal Trifonovs Lehrerin Tatjana Zeligman. "Wenn Individualität da ist, kommt die Technik auch dazu. Das zu werden, was man eigentlich ist - darum geht es."