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Stadt der Bücher

27. April 2009

Paris ist ein teures Pflaster. Auch für Buchhändler. Viele von ihnen zogen südwärts und entdeckten einen malerischen Ort an der Loire. Jetzt nennt sich La Charité-sur-Loire stolz "Stadt der Bücher".

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Antiquariat in La Charité-sur-LoireBild: picture-alliance/ dpa
Christian Vallériaux war der erste Pariser Buchhändler, der sich in dem nur knapp zwei Stunden von der französischen Hauptstadt entfernten mittelalterlichen Dorf La Charité-sur-Loire niederließ. Entdeckt hat der Spezialist für seltene und kostbare Ausgaben den malerischen Loire-Ort, dessen Altstadt durch das zweitgrößte Cluny-Kloster Frankreichs überragt wird, im Jahr 1992. Kurze Zeit später eröffnete er seinen bordeauxrot gestrichenen Buchladen. Festival, Salons und Buchmärkte
La Charité-sur-Loire
Logo der "Ville du Livre"
Seinem Beispiel folgten schnell weitere Buchhändler, die Paris verlassen haben, um sich in La Charité-sur-Loire in ein einzigartiges Abenteuer zu stürzen: den Ort mit seiner zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Kirche in eine "Stadt der Bücher" zu verwandeln. Heute zählt das Dorf mit etwa 5000 Einwohnern zwölf Fachbuchhändler für altes und modernes Antiquariat, einen der originellsten Typografen Frankreichs sowie mehrere Kalligrafen und Buchbinder. Seit es hier 30 Mal so viele Bücher wie Einwohner gibt, jeden dritten Sonntag im Monat einen riesigen Buchmarkt, im April den noch größeren Frühlings-Buchmarkt, die Nacht der Bücher am 1. August, das Festival der Worte, den mittlerweile international bekannten Salon alter Bücher im Juli und den des Buchhandwerks im Mai, hängt unter dem Ortschild nun schon seit mehr als sechs Jahren das Label "Stadt der Bücher". Dornröschenschlaf Wie die Erfolgsgeschichte begann? "Wir wollten Paris verlassen. Wir hatten genug von den überhöhten Mietpreisen für das Geschäft und die Wohnung. Außerdem suchten wir nach mehr Lebensqualität", sagt der 61-jährige Vallériaux. Seine Stammkundschaft, immerhin mehr als 50 Prozent der Käufer, ist ihm gefolgt. Den Rest verkauft er via Internet oder per Katalog. Als Vallériaux und seine Frau hier 1992 ihre Koffer abstellten, sah La Charité-sur-Loire noch anders aus. Die meisten Läden standen leer, es gab weder Cafés noch Kunstgalerien. "Die Stadt, vor allem die Unterstadt, war völlig tot", erzählt Christian Vallériaux. Nach einem Jahr hatte das Ehepaar genug von diesem Dornröschenschlaf. Sie brauchten mehr Kunden und die Stadt mehr Touristen. So präsentierte er dem Bürgermeister sein Projekt der "Stadt der Bücher", und dieser war bereit, das Unternehmen finanziell zu unterstützen. Viel zu sehen, viel zu stöbern Sein Ruf innerhalb der Bücherwelt - Vallériaux arbeitet unter anderem als Experte für alte Manuskripte, die im Pariser Versteigerungshaus Drouot unter den Hammer kommen - und seine guten Kontakte sorgten für den Erfolg. Bereits im Jahr 1996 gründete er den Salon für alte Bücher, und vier Jahre später war aus der Rue du Pont eine beruhigte Verkehrszone geworden, in der sich ein Buchladen neben dem anderen befindet, sowie gemütliche Cafés, kleine Feinschmeckergeschäfte und ein Weinladen mit erlesenen Tropfen.
Buchhändler im Antiquariat
Der Buchhändler Christian VallériauxBild: picture-alliance/ dpa
Seit die Pariser Buchhändler mit ihren bunten Schaufensterauslagen und den pittoresk klingenden Namen ihrer Läden wie "Le Monde à l'envers" (Die Welt verkehrt herum), "Là, où dort le chat" (Dort, wo die Katze schläft) oder "Les Palmiers Sauvages" (Die wilden Palmen) in die Straßen von Charité-sur-Loire eingezogen sind, ist die Anzahl der Touristen beachtlich gestiegen. Denn es gibt nun nicht mehr nur das bedeutende Kloster zu besichtigen, das als die erstgeborene Tochter Clunys bezeichnet wird, und die prächtige romanische Kirche Notre-Dame. Das Stöbern in den herrlich bunten Bücherhöhlen dauert Stunden, wenn nicht Tage. Nachschub scheint gewährleistet "Wir wollen, dass der Tourist im wahrsten Sinne des Wortes in die Welt des gedruckten Wortes eintaucht. Deshalb war es wichtig, Berufe wie Setzer, Buchbinder oder Kalligrafen an unserem Projekt zu beteiligen. Die bieten unter anderem auch Wochenendkurse an", erzählt Vallériaux. Jetzt wünscht sich der Projektinitiator der "Stadt der Bücher" noch, dass auch Händler neuer Bücher und Medien den Weg nach La Charité-sur-Loire finden. Das dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein: Denn in Paris müssen immer mehr Buchläden auf Grund der überteuerten Mieten schließen. Das Viertel Saint-Germain-des-Prés, das noch von seinem Ruf als Literaten- und Intellektuellen-Viertel zehrt, wird immer mehr von Edelboutiquen überschwemmt. So könnte längerfristig aus der mittelalterlichen Stadt La Charité-sur-Loire eine Pilgerstadt des Buches werden - immerhin liegt der Ort am Jakobsweg, einer der berühmtesten Pilgerstrecken überhaupt. (wga)