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Plácido Domingo ist 75

Rick Fulker21. Januar 2016

Er hat 145 Rollen gesungen, ist Dirigent, Konzertveranstalter und Geschäftsmann. Als Opernstar hat er Maßstäbe gesetzt und Rekorde gebrochen - und ist immer noch aktiv.

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Opernsänger Placido Domingo. Foto: picture-alliance/dpa/V. Prokofyev
Bild: picture-alliance/dpa/V. Prokofyev

Die Karriere eines Sängers - vor allem die eines Tenors - ist mit 50 Lebensjahren oft vorbei. Plácido Domingos Stimme jedoch hat mehr als 3.700 Auftritte schadlos überstanden und all die Jahre ihre charakteristische Kraft, Brillanz, Farbe und Differenziertheit behalten. Der Umfang seines Repertoires und ein Weltrekord - 101 Vorhänge nach einer Aufführung von Verdis "Otello" bei der Wiener Staatsoper - haben ihn gleich zwei Einträge im Guiness Buch der Rekorde eingebracht. Und Plácido Domingos Karriere spielt weiterhin fortissimo: Fünf Konzerte auf drei Kontinenten sind für Januar und Februar 2016 angekündigt.

In den 1990er Jahren setzte Domingo Maßstäbe bei der Akzeptanz klassischer Musik auch außerhalb der Konzertsäle. Als einen der "Drei Tenöre" - zusammen mit Luciano Pavarotti und José Carreras - liebte ihn auch das Publikum, das sich sonst nicht für Klassik interessierte. Spätestens nach dem Auftritt bei der Fußballweltmeisterschaft 1990 wurden die drei zum Kult.

Placido Domingo, Jose Carreras und Luciano Pavarotti, die drei Tenöre, mit dem Dirigenten James Levine im Münchner Olympiastadion, 1996. Foto: COLORplus
Mit den anderen beiden Tenören und dem Dirigenten James Levine im Münchner Olympiastadium 1996Bild: picture-alliance/dpa

"Lebende Legende" scheint tatsächlich eine zu schwache Beschreibung für Domingo zu sein, der derzeit die Oper in Los Angeles leitet und gelegentlich auch Opern und Sinfoniekonzerte dirigiert. Zudem ist er immer für Überraschungen gut, zum Beispiel durch einen Auftritt bei der TV-Kindersendung "Sesamstraße" oder durch das Einsingen von Weihnachtsliedern zusammen mit dem deutschen Schlagerstar Helene Fischer. Das Album verblüffte sowohl seine als auch ihre Fans.

In einem Fernsehinterview in den 1970er Jahren sagte Domingo, er wisse präzise, wo er genau fünf Jahre später um 10 Uhr zu erscheinen habe. Das Zeitmanagement des Stars scheint gut zu funktionieren. Bei einer neuen Opernproduktion verbringt er weniger Zeit in der Probe als die anderen Protagonisten, um siebei der anschließenden Aufführung dann alle zu überstrahlen.

Musik im Blut

Plácido Domingo wurde am 21. Januar 1941 in Madrid geboren. Seine Eltern waren beide Sänger im Zarzuela-Fach, eine Form von Operette spanischer Prägung. Bald zog die Familie nach Mexiko. Der vom Fußball und Stierkampf begeisterte Junge wurde im Alter von 14 Jahren ins Nationale Musikkonservatorium des Landes aufgenommen. Bis dahin hatte er im von seinen Eltern gegründeten Lokaltheater bereits die Grundlagen des Musiktheaters gelernt. Der heranwachsende Musiker spielte mal Klavier fürs Ballett, moderierte eine Musiksendung im Kulturradio in Mexico-Stadt, arbeitete als Begleitsänger und spielte verschiedene Nebenrollen im Fernsehen. Im Alter von 18 Jahren kam sein Debüt als Solist. Zwei Jahre später, anno 1961, erfolgte das US-amerikanische Debüt in Dallas/Texas; er sang die Rolle des Arturo in Donizettis Oper "Lucia di Lammermoor".Nach der Heirat mit der Sopranistin Marta Ornelas - die bis heute seine Beraterin geblieben ist und eine Spätkarriere als Opernregisseurin begonnen hat - sangen beide von 1962 bis 1965 an der Oper in Tel Aviv. Der Startschuss zur internationalen Karriere kam zwei Jahre danach, zunächst in Europa, anschließend 1968 mit Domingos Debüt bei der Metropolitan Opera in New York. Es folgten Auftritte in Hamburg, San Francisco, Mailand, Madrid, Edinburgh, London, München, Paris, Salzburg und in ausnahmslos jeder anderen wichtigen Opernstadt. Die meisten Auftritte absolvierte er jedoch bei der Metropolitan Opera, wo er in mehr als 800 Aufführungen 46 Rollen verkörperte.

Placido Domingo mit der Sängerin Anna Netrebko bei einer Aufführung von Il Trovatore, Salzburger Festspiele 2014. Foto: Mandl/Getty Images
Zusammen mit Anna Netrebko in einer Aufführung von Verdis 'Il Trovatore' bei den Salzburger Festspielen 2014Bild: Getty Images

Vom Bariton zum Tenor und zurück

Domingos Hauptrepertoire basiert auf französischen und italienischen Opern mit Schwerpunkt auf den Komponisten Verdi, Puccini und Bizet. 1991 waren Besucher der Richard Wagner-Festspiele in Bayreuth erstaunt, als der "König der Oper" bei einer Aufführung von "Parsifal" unangekündigt im Zuschauerraum auftauchte. Dort blieb allerdings er nicht lange: In der folgenden Saison stand er auf der Bühne, sang die Titelrolle und verblüffte mit einem Wagner-Gesang, der weicher und melodischer klang als gewohnt - ohne die nötigen Strahlkraft vermissen zu lassen. Der deutsche Meister mit einem Hauch vom italienischen Belcanto: Es folgten Auftritte und Studioaufnahmen weiterer Wagnerrollen: Lohengrin, Siegmund, Siegfried und Tristan.

Sarah Willis mit Plácido Domingo
Im Gespräch mit Sarah Willis in der DW-Sendung 'Sarahs Music'Bild: DW/M. Roddewig

Im Jahre 2007 wechselte Domingo vom Tenor- zum Baritonfach, ein Tribut an die Stimme, die sich im Alter veränderte. Zu seinen Rollen in dieser neuen Lebensetappe gehört die des Simon Boccanegra in der gleichnamigen Oper von Giuseppe Verdi, mit der er in diesem Jahr in New York, Barcelona und Berlin auftreten wird.

Jenseits der Bühne

Domingo engagiert sich auch für die Förderung der musikalischen Jugend und gründete 1993 "Operalia", einen Sängerwettbewerb, der alljährlich in einer anderen Stadt stattfindet. 2009 erhielt er als erster den der bekannten Opernsängerin gewidmeten "Birgit Nilsson-Preis", die mit einer Million Dollar am höchsten vergütete Ehrung der Klassikwelt. Die Summe spendete er seinem Sängerwettbewerb. Wohltätigkeit bleibt ein Anliegen des Sängers, der nach einem Erdbeben in Mexiko ein Dorf für verwaiste Kinder gründete und eine Benefizveranstaltung für Opfer des Orkans Katrina in New Orleans 2005 organisierte.

Sänger Placido Domingo. Foto: Rick Rycroft/AP/dapd
Der glücklichste Mensch, den er kenntBild: dapd

Ob er ans Aufhören denkt? In einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte er 2009: "Ich werde keinen Tag länger singen, als ich sollte. Allerdings auch keinen weniger, als ich kann." Das ist eine klare Aussage dieses Sängers, der trotz seines Erfolgs und zahlreicher Preise und Ehrendoktoren bodenständig bleibt. Dabei scheint er seine Kraft aus seinem Glauben zu schöpfen. Vor jedem Auftritt betet er, "zur heiligen Cäcilia, der Schutzpatronin der Musik, und zu Sankt Blasius, dem Schutzheiligen des Halses".

Sollte der Tag des Aufhörens kommen - wohl eher später als früher - könnte sich der Megastar verstärkt seinem Restaurant "Pampano" in New York widmen oder der Wohltätigkeit und Jugendförderung. Die Liste lässt sich beliebig verlängern. In der Zwischenzeit nennt sich Plácido Domingo selbst den glücklichsten Menschen, den er kennt. Alles Gute zum Geburtstag, Tenorissmo!