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Polen sucht seinen Platz an der Sonne

Mareike Aden12. Oktober 2005

Polens scheidender Präsident, Aleksander Kwasniewski, besucht zum Abschied George W. Bush. Seine potenziellen Nachfolger überlegen schon wohin die Antrittsreise geht - und nutzen das zur politischen Kursbestimmung.

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Eine Stichwahl entscheidet, wer Staatspräsident wirdBild: AP

Der Besuch von Aleksander Kwasniewski beim amerikanischen Präsidenten George W. Bush ist ein Abschiedsbesuch. Um Inhalte geht es nur am Rande. Denn spätestens im Dezember muss der polnische Staatspräsident seinen Posten nach zehn Jahren Amtszeit räumen. Viel interessanter für Polen und Europa ist die Frage, wer Nachfolger von Kwasniewski wird. Nach dem Rechtsruck der Regierung durch den Wahlsieg der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) am 25. September, wird die Wahl des Staatspräsidenten zeigen, wohin Polen steuert.

Kwasniewski bei Bush im Weißen Haus
Der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski ist ein enger Verbündeter von George W. Bush.Bild: AP

Eigentlich sollte der Nachfolger Kwasniewskis am 9. Oktober feststehen. Aber keiner der zwölf Kandidaten bekam eine absolute Mehrheit. Zwischen den beiden erstplatzierten Politikern kommt es am 23. Oktober zur Stichwahl. Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO), der für eine unternehmerfreundliche Politik eintritt, erhielt 38,5 Prozent der Stimmen. Für den nationalkonservativen Warschauer Oberbürgermeister Lech Kaczynski stimmten 33 Prozent der rund 30 Millionen wahlberechtigten Polen. Lech Kaczynski, der mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw die bei den Parlamentswahlen so erfolgreiche PiS anführt, konnte einen großen Vorsprung aufholen. Wer die Stichwahl in zwei Wochen gewinnen wird ist offen.

Wohin geht die Reise?

In den Achtziger Jahren waren sowohl Lech Kaczynski als auch Donald Tusk in der Antikommunistischen Opposition aktiv. Heute haben sie sehr unterschiedliche Visionen für die Zukunft Polens und seine außenpolitische Orientierung. Kaczynski versucht mit polterndem Populismus gegen Russland, Deutschland und die Europäische Union bei den Polen zu punkten. Er will ein "Europa der Vaterländer", das sich möglichst wenig in nationale Angelegenheiten einmischt. Sein Konkurrent gibt sich europa-freundlicher. Er stehe für "Kontinuität statt radikalen Wechsel", versicherte Tusk dem NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer und dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barosso bei einem Besuch in Brüssel.

Wie verschieden die beiden Kandidaten die Bedeutung der EU für Polen beurteilen, das verdeutlichen ihre jeweiligen Pläne für den ersten Staatsbesuch. Donald Tusk plant einen Antrittsbesuch in Deutschland oder Frankreich. Lech Kaczynski will in die USA reisen, "weil das unser wichtigster strategischer Partner ist". Doch auch Tusk betonte in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Kein Politiker sollte uns zwingen, zwischen Europa und Amerika zu wählen."

Spagat zwischen Amerika und EU

Wahlen in Polen - Lech Kaczynski
Lech Kaczynski - der "kleine Bruder" - will bei den polnischen Präsidentenwahlen siegen.Bild: dpa - Bildfunk

"Als Staatspräsident würde Donald Tusk das Vermächtnis von Aleksander Kwasniewski fortführen", sagt Polen-Experte Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Anders als Kaczynski, der sich von vornherein auf die USA konzentrieren würde, würde Tusk einen Spagat zwischen Amerika und Europa versuchen. Einerseits braucht das neue EU-Mitglied Polen die Staatengemeinschaft und deren finanzielle Hilfe. Anderseits "trauen die Polen der EU bei der Ostpolitik nicht über den Weg", sagt Kai-Olaf Lang. "Weil die EU und vor allem Deutschland sich ein starkes Russland wünschen, lehnen sich die Polen lieber an die amerikanischen Russland-Skeptiker an." Ein allzu mächtiges Russland ist vielen Polen immer noch unheimlich. Stattdessen möchte man kleine Länder wie die Ukraine stärken.

"Im Zweifel für die USA", sei das Motto der polnischen Außenpolitik unter Tusk, sagt Kai-Olaf Lang. Dieser Maxime folgten auch Aleksander Kwasniewski und der polnische Premierminister Leszek Miller im Frühjahr 2003. In der so genannten "Koalition der Willigen" zog Polen mit den USA und Großbritannien in den Irak-Krieg. "Kwasniewski hat Deutschland und Frankreich nicht nach dem Mund geredet", sagt Dieter Bingen, Direktor des Deutschen Polen Instituts in Darmstadt, "aber er war immer ein verlässlicher Partner". Das werde auch Tusk sein.

Deutsch-polnische Irritationen

Merkel in Polen
Angela Merkel und Donald Trusk könnten die deutsch-polnischen Beziehungen auffrischen.Bild: dpa

Auch den deutsch-polnischen Beziehungen täte Donald Tusk als Staatspräsident gut, sagt Dieter Bingen. Der Irak-Krieg, das geplante Zentrum für Vertreibung, die Debatte um die Ölpipeline und Gerhard Schröders enge Beziehung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin – all das hat in den letzten Jahren "einige Irritationen" zwischen Deutschland und Polen ausgelöst. "Die Kommunikation muss besser werden", so Bingen.

Unter Tusk scheinen die Voraussetzungen dafür gut zu sein. Die voraussichtliche Kanzlerin Angela Merkel hat er bereits kennen gelernt und seine Bürgerplattform gehört – ebenso wie die CDU/CSU – im Europäischen Parlament zur "Europäischen Volkspartei und Demokraten für Europa". Lech Kaczynski dagegen schürt die Angst der Polen vor einem starken Deutschland.

Wenn es nach dem bisherigen Amtsinhaber Aleksander Kwasniewski geht, ist sein Besuch in Washington nicht die letzte Reise in die USA. Künftig würde sich der scheidende Präsident gerne öfter in New York aufhalten. Dort befindet sich der Hauptsitz der UN, deren Generalsekretär Kofi Annan Ende 2007 sein Amt abgeben wird. Für diesen Posten bräuchte Kwasniewski allerdings die Unterstützung von Europa, Amerika – und dem großen Rivalen Russland.