1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Polen und Deutsche schauen zusammen nach vorn

21. Juni 2011

Die vergangenen 20 Jahre waren für das deutsch-polnische Verhältnis eine Erfolgsgeschichte - so sehen es beide Seiten. Bei einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Warschau wurden nun Pläne für die Zukunft gemacht.

https://p.dw.com/p/11fsG
Zwei Jungen mit Tafeln in Form der Länder Deutschland und Polen (Foto: dpa)
Deutschland und Polen wollen noch stärker zusammenwachsenBild: picture-alliance/ dpa

Zu den deutsch-polnischen Konsultationen am Dienstag (21.06.2011) waren Bundeskanzlerin Angela Merkel und die meisten ihrer Minister nach Warschau gereist. Die Regierungen beider Staaten haben ein Paket mit Zukunftsprojekten beschlossen, mit dem die enge Zusammenarbeit weiter intensiviert werden soll. Es geht zudem um eine Vertiefung der Kooperation in der Europäischen Union. Polen übernimmt am 1. Juli für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft.

Ein Anlass der Gespräche ist auch der 20. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages. In dem Dokument war am 17. Juni 1991 das freundschaftliche Verhältnis beider Länder bekräftigt und Polen die Unterstützung Deutschlands auf dem Weg in die Europäische Union zugesagt worden.

Schlussstrich unter die Vergangenheit

Das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland wurde jahrzehntelang von ungelösten Problemen aus der Vergangenheit überschattet. Umstrittene Themen waren unter anderem die Wiedergutmachung für Kriegsopfer und die Folgen von Flucht und Vertreibung.

Vor dem Warschauer Treffen hoben beide Regierungen den positiven Stand der beiderseitigen Beziehungen hervor. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle und sein polnischer Kollege Radoslaw Sikorski schrieben in einem gemeinsamen Beitrag für die in Frankfurt/Oder erscheinende "Märkische Oderzeitung" und die Warschauer "Gazeta Wyborcza" (Dienstagsausgaben), die Zeit der bald beginnenden polnischen Präsidentschaft im Rat der EU werde eine "weitere Verstärkung der europapolitischen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern einleiten". Polen und Deutschland hätten die Chance, ein neues Verhältnis aufzubauen, das frei von Komplexen sei und auf Vertrauen gründe.

Früherer polnischer Präsident Krzystof Bielicki mit dem damaligen Kanzler Helmut Kohl, Altkanzler Willy Brandt und Außenminister Hans-Dietrich Genscher nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags am 17. Juni 1991 (Foto: dpa)
Bundeskanzler Helmut Kohl (M.) und der polnische Ministerpräsident Krzystof Bielecki (l.) unterzeichneten am 17. Juni 1991 in Bonn den auf zehn Jahre angelegten Vertrag "über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit". Bielicki (l.) und Altkanzler Willy Brandt reichen sich nach der Vertragsunterzeichnung die HandBild: picture alliance/dpa

"Wir sind in der Lage, der europäischen Debatte wichtige Impulse zu geben", heißt es in dem Artikel weiter. "Neue wirtschaftliche Dynamik, finanzpolitische Stabilität, die Förderung der Entwicklung der schwächer entwickelten Regionen, die Energiesicherheit, die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, die Annäherung der Staaten Osteuropas an die EU-Standards, die Unterstützung der Demokratisierungswelle, die durch die arabische Welt rollt, seitens der Union - all dies sind die Stützpfeiler unserer Beziehungen im sich vereinenden Europa."

"Ein geopolitisches Wunder"

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hatte am Montag erklärt, im deutsch-polnischen Verhältnis gebe es "nichts Trennendes, nichts Schmerzhaftes" mehr. "Beide Seiten nehmen diese Freundschaft besonders ernst." Die Intensität der Zusammenarbeit sei nur mit der deutsch-französischen Kooperation zu vergleichen, sagte Seibert.

Der außenpolitische Berater des polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski, Roman Kuzniar, sprach unlängst von einem "geopolitischen Wunder", das der Vertrag mit Deutschland mit sich gebracht habe. Die "Gazeta Wyborcza", die größte Qualitätszeitung des Landes, titelte Ende vergangener Woche, Polen wolle nun "Hand in Hand" mit Deutschland gehen.

Jede Menge Projekte

Polnische Studenten in Bonn (Foto: Alexandra Jarecka)
Polnische Studenten in BonnBild: Alexandra Jarecka

Unter Berufung auf diplomatische Kreise berichtete das Blatt über die noch unveröffentlichte Erklärung, die die beiden Regierungen nach den Konsultationen in Warschau unterzeichnen wollen. Die Rede ist von mehreren Dutzend Projekten.

Danach sollen beide Länder gemeinsam gegen die Euro-Krise kämpfen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit intensivieren und die Infrastruktur ausbauen. Deutschland soll mehr Aufmerksamkeit der polnischen Kultur und der polnischen Sprache widmen. Neue Einrichtungen für Polenstudien sollen in Deutschland entstehen.

Auch in der strittigen Frage der Minderheiten war kurz vor dem Jubiläum Einigung erzielt worden. In Deutschland lebende Polen sollen danach mehr Rechte und eine stärkere finanzielle Förderung bekommen - ohne formell den Status einer nationalen Minderheit zu erhalten.

Die Sympathie wächst

Lehrbuch fpr Polnisch als Fremdsprache (Foto: Maciej Wisniewski)
Die polnische Sprache soll in Deutschland mehr gefördert werdenBild: Maciej Wisniewski

Die Vielzahl gemeinsamer Projekte können auch Fachleute schon heute kaum überblicken. Zwei Millionen Jugendliche nahmen bisher an Austauschprogrammen des Jugendwerkes teil, 600 Städte sind Partner, ein gemeinsames Schulbuch für Geschichte soll bald auf den Markt kommen. Und auch die Menschen auf beiden Seiten der Grenze finden sich immer sympathischer. Laut einer aktuellen Umfrage bewerten 55 Prozent der Polen die Beziehungen zu Deutschland positiv, nur 12 Prozent halten sie für schlecht.

Die national-konservative Opposition um den Ex-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski lässt sich von den Meinungsumfragen allerdings nicht beeinflussen. Wenn er an die Macht zurückkehre, sei Schluss mit den Gefälligkeiten gegenüber Berlin und Moskau, kündigte er kämpferisch am vergangenen Wochenende an. Das schreckt in Deutschland allerdings nicht allzu sehr. "Wir wissen, dass in Polen Wahlkampf ist", sagt Cornelia Pieper, die Beauftragte für die deutsch-polnischen Beziehungen in Berlin. Gewählt wird in diesem Herbst.

Autor: Thomas Grimmer (dpa, rtr)

Redaktion: Eleonore Uhlich