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Politik

Polen und das neue Wettrüsten

26. Oktober 2018

Im Fall einer Kündigung des INF-Vertrags durch die USA wäre Polen bereit, US-Mittelstreckenraketen auf dem eigenen Boden zu stationieren. Schuld am Ende des Vertrags sei Russland, sagt der polnische Präsident Duda.

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Polen Rede US-Präsident Donald Trump in Warschau
Ein beliebter Gast: Trump in Warschau im Juli 2017Bild: Reuters/C. Barria

Polen nimmt Donald Trumps Ankündigung, den Abrüstungsvertrag mit Russland zu kündigen, mit Sympathie auf. Das Land strebt seit Jahren nach einem starken Bündnis mit den USA. In Polen gilt Amerika als die eigentliche Sicherheitsgarantie, was mit der historisch bedingten Angst vor Russland verbunden ist.

Polens Außenminister Jacek Czaputowicz erklärte Anfang der Woche in Brüssel, dass Polen in Sachen Abrüstungsvertrag "eine ähnliche Meinung" wie Donald Trump vertrete. "Wir teilen die Einschätzung der Lage, dass Russland durch die Einführung von neuen Raketen gegen den Vertrag verstößt. Wenn der Vertrag nicht mehr funktioniert, weil er verletzt wurde, dann entsteht eine begründete Frage, ob er aufrechterhalten werden soll", so Czaputowicz. Polen möchte, dass die amerikanisch-russische Vereinbarung funktioniert. Allerdings müssten dann beide Seiten danach handeln, so der polnische Minister. 

US-Raketen sind in Polen willkommen

In einer formalen Kündigung des Vertrages sieht er keine Beeinträchtigung der Sicherheitslage Polens, da die eigentliche Gefahr aus Russland und nicht aus Amerika komme. "Selbst wenn sich die USA entscheiden, die Waffen zu bauen, die derzeit durch diesen Vertrag verboten werden, würden sich diese Waffen sicherlich nicht gegen Polen richten", so Polens Außenamts-Chef.

"Verständnis" für die amerikanische Haltung drückte auch Polens Präsident am Dienstag bei seinem Besuch in Berlin aus. Die Kündigung des Abrüstungsvertrages wäre "eine Folge der Lage, die Russland seit Jahren situiert, nämlich die systematische Verletzung dieser Vereinbarung", sagte Andrzej Duda. Im Falle der Vertragskündigung wäre sein Land für die Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen auf dem eigenen Boden bereit, erklärte er.

Die Bindung an Amerika

Dass die polnischen Reaktionen auf die amerikanische Kritik am INF-Vertrag positiv ausfallen würden, war zu erwarten. Das Land in östlicher Randlage Europas ist gleichzeitig das größte Land der NATO-Ostflanke und damit der NATO-Vorposten gegenüber Russland. Nachdem das polnische Territorium seit dem 18. Jahrhundert immer wieder - besonders durch russischen und deutschen Einfluss - verschoben wurde - und nach über 40 Jahren Kommunismus - sind die Ängste vor dem mächtigen Nachbarn und damit das Sicherheitsbedürfnis besonders ausgeprägt. Im polnischen Geschichtsbewusstsein haben auch die ehemaligen westlichen Alliierten einen negativen Ruf, weil sie in Jalta und dann im Potsdamer Abkommen 1945 die Teilung Europas abgesegnet hatten.

Favorisiert wird in Warschau ein direktes militärisches Bündnis mit dem transatlantischen Partner. Seit Januar 2017 ist in Polen ein Rotationskontingent von rund 3500 amerikanischen Soldaten stationiert. Doch Warschau will mehr und fordert eine dauerhafte Präsenz der US-Truppen, am liebsten in Divisionsstärke, die dem Rotationsmechanismus nicht unterliegen würden. 

Der umstrittene "Fort Trump"

Über dieses Planspiel, das von Präsident Andrzej Duda teils scherzhaft, teils ernst gemeint "Fort Trump" bezeichnet wird, haben sich während des jährlichen Warsaw Security Forums Experten und Politiker kritisch geäußert. Laut dem Ex-Oberkommandierenden der US-Landstreitkräfte in Europa, Frederick B. Hodges (2014-2017), würde ein bilaterales polnisch-amerikanisches Projekt wie etwa die permanente Stationierung der US-Truppen von Moskau als ein "Konfrontationsmanöver" gesehen. Er wundert sich, dass eine Idee, "ein Bündnis innerhalb eines schon existierenden Bündnisses" zu bauen, ausgerechnet von Polen kommt, weil Polen ja immer dagegen protestiere, wenn man Vereinbarungen über seinen Kopf hinweg beschließe.

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Eine starke Bindung an Amerika könnte auf die Dauer die Beziehungen Polens mit den europäischen Partnern beeinträchtigen, gab Polens Ex-Präsident  Bronislaw Komorowski am Mittwoch während des Security Forums zu bedenken. "Die jetzige Regierung beeinträchtigt die Sicherheitslage des Landes, indem sie die Position Polens in der EU schwächt und lediglich nach dem Bündnis mit den USA strebt", so Komorowski. Er fügte hinzu, dass seiner Meinung nach Russland kein Potenzial einer Supermacht habe und in seiner Politik vor allem die Schwächen der westlichen Demokratie ausnutze.

Die Hoffnung auf Verständnis der Amerikaner

Marek Świerczyński, der beim Warschauer Think-Tank Polityka Insight als sicherheitspolitischer Experte tätig ist, sieht das "Projekt Fort Trump" als eine logische Folge der pro-amerikanischen Politik Polens, die alle Regierungen nach dem Fall des Kommunismus vertreten hätten. "Die permanente Stationierung der US-Truppen würde eine harte Verteidigungslinie um 1000 Kilometer weiter östlich verschieben und auf diese Weise mit einem dicken Stift eine neue Linie auf Europas Karte markieren. Wir würden noch mehr als jetzt zu einem Front-Staat werden", argumentierte Świerczyński.

Er wirft der PiS-Regierung einen Mangel an strategischem Denken vor, weil beim "Fort Trump"-Konzept nicht von der möglichen Reaktion Moskaus gesprochen werde. "Dabei könnte es passieren, dass die Reaktion Russlands gar nicht direkt gegen Polen, sondern gegen andere Länder gerichtet wäre", betonte Świerczyński.

Nur wenn das Konzept von allen Seiten durchdacht würde, könnte die permanente US-Truppen-Stationierung zum strategischen Ziel Polens werden. Es sei zwar unrealistisch, dass Polen eine ganze Division bekäme, doch eine stärkere militärische Präsenz in Europa sei seit 2014, dem Jahr der Krim-Annexion, auch das erklärte Ziel der Amerikaner, betont der Experte. Deshalb könnten seiner Meinung nach die polnischen Bestrebungen trotz Kritik in Europa auf Verständnis in Washington stoßen.

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Monika Sieradzka DW-Korrespondentin in Warschau