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Polen vor Neuwahlen

7. September 2007

Nach monatelanger Regierungskrise sind die Weichen für einen politischen Neuanfang gestellt. Das polnische Parlament beschloss seine Selbstauflösung, der Weg für Neuwahlen im Herbst ist damit frei.

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Donald Tusk vor dem Parlament
Er könnte bei Neuwahlen die Nase vorn haben: Oppositionsführer Donald TuskBild: AP

Nach dem Zerwürfnis der Regierungskoalition unter Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski steht Polen vor Neuwahlen. Das Parlament in Warschau beschloss am Freitagabend (7.9.) seine Selbstauflösung. Für die Vorlage stimmten 377 Abgeordnete, 54 waren dagegen. Danach kann Staatspräsident Lech Kaczynski innerhalb von 45 Tagen Neuwahlen ausschreiben.

Während die regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Schuld für das Scheitern der Regierung Kaczynski dem "aggressiven Verhalten der Opposition" zuschrieb, sprach der Oppositionsführer Donald Tusk von der Bürgerplattform (PO) von einer "Kapitulation" Kaczynskis.

Die bisherige Regierungskoalition aus nationalkonservativer PiS, radikaler Bauernpartei und der nationalistischen Liga Polnischer Familien war nach zahlreichen Skandalen zerbrochen. Die beiden letzteren Parteien liegen in Umfragen mittlerweile unter der Fünf-Prozent-Grenze, so dass sie um den Wiedereinzug ins Parlament fürchten müssen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Andrzej Lepper von der Bauernpartei
Mit seiner Entlassung fing die Krise an: Andrzej Lepper von der BauernparteiBild: AP

Die innenpolitische Krise hatte mit Korruptionsvorwürfen gegen den Vorsitzenden der Bauernpartei, Andrzej Lepper, und dessen Entlassung als Landwirtschaftsminister begonnen. Auch die Entlassung von Innenminister Janusz Kaczmarek einen Monat später begründete Regierungschef Kaczynski mit dem Kampf gegen Korruption. Seither war das Klima zwischen Kaczynski und seinen einstigen Regierungspartnern von gegenseitigen Vorwürfen und Schuldzuweisungen geprägt.

Beobachter in Warschau gehen davon aus, dass auch Neuwahlen das Kräfteverhältnis nicht wesentlich verändern und kaum zu einer stabilen Regierungsmehrheit führen werden. In Meinungsumfragen liegen die nationalkonservative PiS und die oppositionelle rechtsliberale Bürgerplattform (PO) mit je etwa 30 Prozent an der Spitze. Meistens hat die PO ein leichtes Übergewicht, doch auch vor den Wahlen vom September 2005 schien sie die Nase vorn zu haben und dann siegte die Partei von Jaroslaw Kaczynski.

Deutsch-polnisches Verhältnis

Einen Vorgeschmack darauf, dass das Verhältnis zu Berlin im Wahlkampf eine erhebliche Rolle spielen könnte, zeigte am Freitag die Aufregung um ein Interview des früheren Präsidenten Aleksander Kwasniewski. In der deutschen Ausgabe des Magazins "Vanity Fair" hatte dieser den "Kurs der Provokation" der Zwillingsbrüder Kaczynski gegenüber Deutschland bedauert. Falls diese bei einem erneuten Sieg ihre Politik fortsetzten, sollte Berlin seine bisherige Zurückhaltung überdenken und anders auf die Angriffe reagieren.

Angela Merkel und Jaroslaw Kaczynski
Schwierige Nachbarn in Europa: Angela Merkel und Jaroslaw KaczynskiBild: AP

PO-Chef Donald Tusk nannte dieses Interview "unentschuldbar". Der frühere Präsident Lech Walesa sprach von einer "verteufelt schlechten Idee". Kwasniewski erklärte, die Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen. Er habe Angela Merkel nie zu einem schärferen Kurs gegenüber Polen aufgefordert.

Seit Herbst 2005 wird Polen von den rechtskonservativen Zwillingen Lech und Jaroslaw Kaczynski regiert. Sollte die von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski geführte Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Neuwahlen verlieren, würde zumindest Präsident Lech Kaczynski noch bis 2010 im Amt bleiben können. (wga)