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Politik direkt Forum vom 21. 01. 2008

28. Januar 2008

"Soll Benehmen in der Schule benotet werden?"

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Bild: ZB - Spezial

Informationen zum Thema:

In den 60er und 70er Jahren werden sie in den meisten Schulen abgeschafft - gelten in Zeiten der "Reformpädagogik" als piefig: die so genannten Kopfnoten, Beurteilungen für Betragen oder Mitarbeit in Schulzeugnissen. Doch nach und nach haben sie fast alle Bundesländer wieder eingeführt, beurteilen das Arbeits- und Sozialverhalten der Schüler. Auch in Nordrhein-Westfalen werden nun zum ersten Mal Zeugnisse ausgegeben, die Kopfnoten umfassen. Vor allem die Lehrergewerkschaft GEW und Schülervertreter wettern dagegen, aber auch die Kirchen. Sozialverhalten lasse sich nicht in Noten pressen, sagen die Kirchenvertreter. Die Bildungsministerin und viele Arbeitgeber hingegen verteidigen die Reform.

Unsere Frage lautet:

"Soll Benehmen in der Schule benotet werden?"

Antworten unserer Zuschauer:

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Schüler können sich ändern, sogar zum Besseren. Eine Note, einmal eingetragen, bleibt stehen. So manchen Personalchef interessiert nur die Note. Dem Schüler, längst zur verantwortungsbewussten Person geworden, kann es die Zukunft ungünstig beeinflussen. Diese Benotung war abgeschafft und sollte es bleiben."

Waltraud Maassen, Neuseeland:

"Benehmen ist ja nicht ererbt, sondern erlernt. Und daher ist das Benoten für mich keine schlechte Idee. Doch nur mit Noten wie gut, befriedigend etc. sollte das nicht abgetan werden. Die Lehrer sollten sich schon gut überlegen, welche Beurteilung für Schüler angemessen ist. Höflichkeit, Respekt, Beteiligung am Unterricht, Integration in der Klasse, Mitarbeit und Teamwork könnten jedem jungen Menschen im späteren Beruf sehr zum Vorteil sein. Um das zu beurteilen sollten Lehrer sehr genau hinsehen, auch sich selber im Spiegel betrachten."

Claus Stauffenberg, Australien:

"Noten: Nein! Kommentare: Ja! Wie will man die Persönlichkeit eines Menschen mit einer Zahl bewerten? Das ist zwangsläufig oberflächlich. Eine Umschreibung mit Worten ist da schon besser geeignet. Allerdings ist zu beachten, dass sich Verhalten in einem Reifeprozess verändert. Insofern sind solche Beurteilungen nach ein paar Jahren ohnehin wertlos."

Lee Davis, USA:

"Nein. Als ich auf eine katholische Schule ging, gaben uns die Lehrer Noten für Betragen. Aber früher waren die Menschen viel verständnisvoller. Heute scheint es, dass jeder einen anderen sucht, den er für seine Probleme verantwortlich machen kann. Wenn du einen Fehler machst, dann folgt er dir bis ans Lebensende."

Martin Burmeister, Venezuela:

"Eine objektive Benotung, besonders wenn es sich nur um ‚gut‘ oder ‚sehr gut‘ handelt, wobei ‚gut‘ dann schon zu ‚schlecht‘ wird, halte ich nicht für richtig. Ich bin der Meinung, dass jedes Zeugnis eine kurze Bemerkung zum Benehmen und zur Anteilnahme am Unterricht enthalten sollte."

Thomas Pantzer, Deutschland:

"(...) Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe Kopfnoten bekommen. Und ich weiß nicht, warum das nicht überall gemacht wird. Aus meiner Sicht haben die jüngsten Gewaltausbrüche an Schulen damit zu tun, dass es keine Kopfnoten mehr gibt. Die Argumente der Kopfnotengegner sind nicht stichhaltig. Sie haben zehn Jahre Zeit, ihr Verhalten zu verbessern. Diejenigen, die nach zehn Jahren die Schule mit schlechten Kopfnoten verlassen, zeigen damit, dass sie nicht gelernt haben, ihren Kopf zu benutzen. Wenn sie deshalb keinen Job bekommen, ist das allein ihr Problem, denn sie bekommen nur, was sie verdienen."

Klaus Koszubatis, Finnland:

"Sozialverhalten lässt sich nicht in Noten pressen? Mit über 15-jähriger Erfahrung als Lehrer in Finnland kann ich Ihnen genau das Gegenteil bestätigen. Auch hier werden 'Kopfnoten' gegeben - und respektiert. Das lasche Verhalten gegenüber Jugendlichen hat gerade zu diesem Verfall sozialen Verhaltens geführt. Freie Entwicklung für die Persönlichkeit sollte nicht in einer Freikarte für schlechtes Benehmen enden."

Erwin Scholz, Costa Rica:

"Dem Schüler mit wüstem Betragen

geht's per Note an den Kragen.

Häufig empfunden als ein Skandal,

ist sie doch nur ein Warnsignal:

Selbst aus mir, den Schluss zieh'n sollte er,

wird eines Tages auch noch wer."

Marcel Thiesen, Deutschland:

"Ich finde die Bewertung und Beurteilung von Sozialverhalten in der Schule wichtig und richtig; jedoch kann das Sozialverhalten nicht mit einem Notenspektrum von 1 bis 4 bewertet werden. Meiner Meinung nach sollten Schüler bezüglich ihres "Betragens", ihrer Umgangsformen oder ihrer "social skills", wie es dann später im Berufsleben heißt, in Form von einem ausführlichen Fließtext beurteilt werden. Hierfür könnte man, was die Aufgabe der Beurteilung angeht, z. B. die jeweiligen Klassenlehrer und deren Vertreter in die Verantwortung nehmen. Das Problem, dass Jugendlichen die berufliche Karriere durch Kopfnoten verbaut wird, entstünde nicht, wenn man die Beurteilung als Text aufsetzen würde (...)."

Paul Landmesser, Brasilien:

"Wenn schon elterliche Erziehung heutzutage in weiten Bereichen versagt, wenigstens der Versuch, im kleinen Rahmen an den oft erzieherisch überforderten Schulen für ein Minimum an Ordnung und Respekt zu sorgen!"

Peter Czasch, Deutschland:

"Kopfnoten hatten und haben den Sinn, den Schülern klar zu machen, dass man in einer Gemeinschaft nicht nur sein eigenes Ego pflegen kann. Damit stehen sie gegen die 68er Einstellung des Benehmens ohne jegliche Rücksichtnahme. Kein Wunder also, dass die ideologisch Verbohrten ohne Werte und Leistungsbereitschaft, diese Noten ablehnen. Soziales Verhalten und Einstellung führen jedoch zurück zu einer Gesellschaft, die der Demokratie wieder näher kommt, als das ständige Ich-Verhalten der Vergangenheit. Dabei spielt es keine Rolle, was unreife Menschen dazu zu sagen haben."

Norbert Craesmeyer, Österreich:

"Für mich als Arbeitgeber sind die Kopfnoten unerlässlich. Die schulischen Leistungen müssen eh nachgebessert werden. Die charakterlichen Eigenschaften im Rahmen des Sozialverhaltens ändern sich wenig und sind eine wichtige Grundlage. Lehrer und Schüler verstehen das nicht, weil sie keine Arbeitgeber sind. Was sonst erwartet einen Schüler nach der Schulzeit, als ein Eingliedern in ein Berufsleben, in dem sein Sozialverhalten meist wichtiger ist als eine 4 in Deutsch oder eine 2 in Religion !"

Lothar K. Schneider, Mexiko:

"Als ich zur Schule ging (1948-1959 in Hessen), gab es diese Kopfnoten im Zeugnis. Diese Noten haben auch den Eltern gute Hinweise gegeben, klar auch den Arbeitgebern. Es war nichts dagegen einzuwenden. Nur sind heute oft die Eltern oft aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, überhaupt Schulnoten bewusst zur Kenntnis zu nehmen und auf ihre Kinder entsprechend einzuwirken. Kinder werden - was Schulnoten betrifft - öfters allein gelassen."

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