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Politik direkt Forum vom 25.09.2008

2. Oktober 2008

"Kann hartes Durchgreifen Städte vor dem Niedergang bewahren?"

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Berliner Bezirk NeuköllnBild: DW

Informationen zum Thema:

Null-Toleranz oder Verständnis - Was tun gegen Ghettos in Großstädten?

In immer mehr Bezirken deutscher Großstädte ist der soziale Friede in Gefahr. Die Gewaltkriminalität steigt. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund leben isoliert wie in Ghettos, die Integration kommt kaum voran. Politiker sind ratlos und streiten um erfolgreiche Lösungen: mehr Druck vom Staat, mehr Repression oder mehr Verständnis und Unterstützung. Eine Reportage aus Berlin-Neukölln.

Unsere Frage lautet:

"Kann hartes Durchgreifen Städte vor dem Niedergang bewahren?"

Antworten unserer Zuschauer:

Paulo de Assis, Brasilien:

"Deutschland sollte zusammenarbeiten mit den Personen, die in Ghettos wohnen, weil sie wahrscheinlich Angst vor der Sprache, dem Volk oder vor dem einfachen Leben haben. Es wäre gut, dort (...) Kulturarbeit zu machen. Ich glaube, sie (die Menschen in Problemvierteln, d.Red.) denken, dass sie nicht willkommen sind ."

René Junghans, Brasilien:

"Die Bildung von Ghettos in deutschen Großstädten ist ein ernstes Problem, fast schon wie in den USA. Fehlende Integration hängt aber nicht allein von uns Deutschen ab, sondern vielmehr von den Zuwanderern, viele davon illegal in Land. Als deutscher Auswanderer, seit 36 Jahren in Brasilien ansässig, weiß ich genau, wovon ich rede. Passt man sich seiner neuen Heimat an, kann man ein hervorragend schönes Leben führen. Fängt man allerdings an, an allem rumzukritisieren, seinen im Land geborenen Mitmenschen sagen zu wollen, was einem alles nicht gefällt usw., kann man schnell mal anecken. Da ist es in der ganzen Welt nicht anders. (...) Es ist wichtig, eine große Toleranz mit jedem Mitmenschen zu zeigen, vor allem Ausländern gegenüber, damit diese sich in der neuen Heimat wohl fühlen und sich auch integrieren. Es ist allerdings falsch, die andere Backe hinzuhalten, wenn man von einem Zuwanderer (oder auch Landsmann) in irgendeiner Weise angegriffen wird. Meiner Meinung nach, muss die Polizei hart gegen jeden Unruhestifter und Gesetzesbrecher durchgreifen, sonst gibt es sehr schnell eine Anarchie und die wird weder den Deutschen und noch viel weniger den Zuwanderern gefallen. Es gilt das Prinzip: Wer sich anständig benimmt, ist herzlich willkommen und verdient unser aller Unterstützung und wer sich nicht integrieren will und uns schadet, der muss mit aller Härte bestehender Gesetze angepackt werden. (...)"

Herbert Fuchs, Finnland:

"Es ist einfach schier unbeschreiblich, wie viel Bockmist unsere superschlauen Politiker uns in all den Jahren beschert haben. Holen fremde Menschen aus anderen Kulturen ins Land und können ihnen keine gute Zukunft anbieten. Diese Menschen können sicherlich nichts dafür, dass sie in Großstädten geistig in Ghettos total verkommen und deren Kinder vom Deutschen Staat nicht die allerkleinste Chance bekommen im neuen Heimatland (...) Wurzeln zu schlagen. Das stimmt mich sehr traurig. Man kann sich gut ausmalen, dass die Kriminalität vor Ort leichtes Spiel hat, wenn es ums tägliche Überleben geht. (...) Es gibt nur eine Lösung. Dass der Staat einigen dieser Menschen eine gewisse Geldsumme anbietet, damit sie in ihre alten, vertrauten Heimatländer zurück wandern, ohne Wenn und Aber. Hartes Durchgreifen verschlimmert nur noch die Situation und den aufgestauten Hass, und die Folgen sind unberechenbar. Man muss einen sozialen Plan aufstellen und denen, die sich helfen lassen, eine wirklich reale Chance geben, aus den Ghetto zu entkommen.(...)"

Hannelore Krause, Deutschland:

"Sie leben isoliert, weil sie die Sprache des Landes, in dem sie leben, noch immer nicht richtig sprechen und sich immer noch als Fremde fühlen mit einer Kultur, die nicht die unsrige ist. Sie erwarten unser Verständnis. Sie wohnen in Großfamilien dort, wo die Mieten niedrig sind - entsprechend ihrer zum Teil staatlichen Unterstützung. Die Mittelschicht jener Migranten hat bereits die Flucht aus diesen Stadtteilen ergriffen und sich am Rande der Stadt niedergelassen. Das Thema Integration kommt seit mehr als 20 Jahren immer wieder aufs Tapet, wenn es denn brenzlig wird; es wird heiß diskutiert, aber so richtig angepackt worden ist es nie. Niemand traut sich. Eigentlich ist es schon 5 Minuten nach 12."

Rolf Bockmühl, Philippinen:

"Ich bin ein wenig in unserer Welt herum gereist. Lebe lange auf den Philippinen. Als Expat darf ich mich nicht ausgrenzen, muss die Regularien des Gastlandes voll akzeptieren. Ansonsten sollte man wieder zurück gehen in sein Heimatland. Aus diesen Gründen kann es in Deutschland nur so sein, dass Gesetze und Verordnungen auch durchgesetzt werden. Wer anders leben will, sollte sich sein Rückticket kaufen. Als Gastland kann man nicht alles tolerieren, was ein "Fremder" so mitbringt. Wir Ausländer hier auf den Philippinen haben wenige Möglichkeiten, uns abzusondern. Schon geringe Missachtung von Recht und Gesetz führt unweigerlich zu Abschiebung. Dieses harte Handling ist zu respektieren, auch wenn es uns Europäern in einigen Fällen etwas rückständig erscheint. So ist es, wenn ich in die Dritte Welt gehe. So müssen es auch die Personen sehen, wenn sie in die BRD kommen! Integration ist wichtig. Nur so lässt es sich einigermaßen gut leben. Und nur so verstehen wir Ausländer unser Gastland besser."

Rabah Touati, Algerien:

"Wenn ein Land einen Gast (Arbeiter, Student, oder Tourist) bei sich akzeptiert, soll es ihn als solchen behandeln. Auf der anderen Seite soll sich der Gast auch als solcher benehmen. Um zu dieser idealisierten Situation zu gelangen, soll viel Kommunikation gewährleistet werden. Meiner Meinung nach sollte es Ghettos gar nicht geben, denn man soll (sich in) die neue Heimat integrieren wollen; andernfalls warum die Auswanderung? Auf jeden Fall soll jeder für sein Benehmen verantwortlich sein. Ich meine, wenn ein Benehmen strafwürdig ist, soll es bestraft werden, unabhängig von der Herkunft."

Charles Smyth, Großbritannien:

"Der Vorstoß von Bezirksbürgermeister Buschkowsky kann – wenn überhaupt - nur sehr begrenzt funktionieren, weil er nicht an der Wurzel des Problems ansetzt. In absteigenden Bezirken wie Neukölln wäre es wesentlich effektiver, wenn man den Bewohnern dort "beibringen" könnte, ihre Probleme mit ein bisschen Ehrgeiz selbst in die Hand zu nehmen. Es kann nicht sein, dass diese Leute immer nur nach dem Staat rufen, wenn es im Bezirk Probleme gibt."

Oliver Rentzow, Singapur:

"Dem Bürgermeister von Berlin-Neukölln kann ich nur gratulieren. Er hat die Zeichen der Zeit erkannt und den Mut, die Wahrheit auszusprechen, und zwar ohne Blick auf die nächsten Wahlen. Die Zeit des Redens ist vorbei. Es muss gehandelt werden. Ich kann an dieser Stelle nur wieder auf Südostasien verweisen, und ganz besonders nach Singapur. Schulpflicht besteht hier auch in den Ferien und zwar in Form von Anwesenheitspflicht bei regelmäßig durchgeführten außerschulischen Aktivitäten. Diese Aktivitäten sollen verhindern, dass Kinder sich selbst überlassen bleiben, denn auch hier gibt es Eltern, die wenig Zeit für Ihren Nachwuchs haben oder schlicht überfordert sind. Wer dem nicht folgt, hat mit (monitären) Konsequenzen zu rechnen. So einfach, so wirkungsvoll ist das. Abgesehen davon ist Singapur ist ein "Multikulti-"Land par excellence. Das ist es aber auch nur deshalb, weil hart durchgegriffen wird, um die interkulturelle Harmonie und Integration zu gewährleisten. Warum das in Deutschland nicht funktionieren soll, leuchtet nicht ein. Mein Fazit: "Operation Samthandschuhe" ist gescheitert, das "Experiment Berlin-Neukölln" zeigt es deutlich. Operation "Hartes, aber gerechtes Durchgreifen" sollte unverzüglich zur Ausführung kommen."

Paul Landmesser, Brasilien:

"Die gesellschaftlichen Probleme in den sozialen Brennpunkten deutscher Großstädte können mit den weichgespülten Lösungsansätzen einiger Politiker leider wohl kaum gelöst werden. Der Bürgermeister von Berlin-Neukölln verfolgt mit seinem harten Kurs den wohl einzig möglichen Weg, diese anarchische Entwicklung wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen."

Gerhard Seeger, Philippinen:

"Keine leichte Aufgabe. Schutz und Toleranz dürfen natürlich nicht ganz aufgegeben werden. Aber man braucht gar kein Spezialist der menschlichen Natur zu sein um zu erkennen, dass es ohne ein gewisses Maß an Druck und Repressionen (nicht) gehen wird. Das richtige Verhältnis von beidem zu finden wird wohl zu einem der schwersten Teile dieses Problems gehören."

Bert Wiegand, Deutschland:

"Ich halte die Einhaltung von Grundregeln und Disziplin für wichtig. Die lange Zeit praktizierte antiautoritäre Erziehung hat zu den heutigen Problemen des Wegguckens, fehlenden Respekts und fehlenden Anstands geführt. Die vom Bezirksbürgermeister vorgeschlagenen Maßnahmen sind nicht übertrieben und sollten dazu beitragen, die Konsequenzen schlechter Erziehung den dafür Verantwortlichen spürbar zu machen. Manche Menschen brauchen eine klare Führung. Man sollte sie nicht dem Selbstlauf überlassen, sondern klare Regeln vorgeben. Anderenfalls wird die Gesellschaft unterhöhlt und es kommt zu den Auswüchsen, wie sie (...) in manchen Schulen zum Ausdruck kommen."

Rainer Dobberke, Thailand:

"Aus eigener beruflicher Erfahrung weiß ich, dass eine erzieherische Maßnahme nur dann greift, wenn zur Kasse gebeten wird. Der Bürgermeister von Neukölln liegt da völlig richtig."

Die Redaktion von ‚Politik direkt‘ behält sich das Recht vor Zuschriften zu kürzen.