1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Politik direkt Forum vom 26. 08. 2010

2. September 2010

"Hat die Zwangsarbeiter-Stiftung ihr Ziel erreicht?"

https://p.dw.com/p/P2IC
Bild: picture-alliance/dpa

Informationen zum Thema:

Erinnerung wach halten - 10 Jahre Stiftung für Zwangsarbeiter

Es war ein langes Ringen zwischen Politik und Wirtschaft. Vor genau 10 Jahren wurde in Deutschland die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" gegründet. Entschädigt wurden Menschen, die während der Nazi-Zeit millionenfach für das Hitler-Regime Zwangsarbeit leisten mussten. Sie kamen vor allem aus dem Osten Europas und wurden im Durchschnitt mit 2600 Euro aus Industriespenden und Steuergeldern entschädigt. Für viele war das viel zu wenig, sie leben in Armut, sind gebrechlich. Und schon wird darüber debattiert, ob die Wirtschaft noch einmal Geld gibt.

Unsere Frage lautet:

"Hat die Zwangsarbeiter-Stiftung ihr Ziel erreicht?"

Antworten unserer Zuschauer:

Kai Nicholson, Indien:

„Es wäre die moralische Pflicht der Unternehmen, die damals Zwangsarbeiter beschäftigt hatten, die Überlebenden zu unterstützen, um ihnen einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen. Allerdings darf der deutsche Steuerzahler nicht zur Kasse gebeten werden, denn er ist schuldlos an dem Verhalten der Wirtschaft während der NS-Herrschaft.“

Herbert Fuchs, Finnland:

„Nach meiner Meinung wäre es angebracht und gleichzeitig die beste Entwicklungshilfe für (…) Deutschland, die Menschen, die noch leben, soweit wie das möglich ist, finanziell die Hand zu reichen. (Diese Menschen, d. Red.) können damit - trotz der fürchterlichen Erinnerungen – (Frieden, d.Red.) mit dem neuen, demokratischen, freiheitlichen Deutschland finden, soweit das möglich ist. Das wäre eine wirklich gute Geste für die junge Generation. Deshalb denke ich an meinen eigenen Lebensleitspruch: Mensch sein, Mensch bleiben’.“

René Junghans, Brasilien:

„Ganz sicher hat die Stiftung ihr Ziel nicht erreicht. Jemandem 2600 Euro für möglicherweise jahrelange Zwangsarbeit und Verlust der Gesundheit zu bieten, kann eher als eine Beleidigung als eine Gutmachung betrachtet werden. Die mit den Nazis kollaborierenden Industriekapitäne haben sich an der Sklavenarbeit dumm und dämlich verdient, und viele sind auch in der Bundesrepublik stark und einflussreich geblieben. Es liegt am Staat, hier eine gerechte Lösung zu finden. Eine lebenslange Rente wäre hier aber sicher angebracht. Eine Regierung, die Geld für einen Kriegseinsatz in Afghanistan ausgibt, die sollte auch Geld für die Wiedergutmachung unschuldiger Opfer aus dem Dritten Reich verfügbar machen können.“

Hannelore Krause, Deutschland

"Menschen, die unter so extremen Bedingungen gedient haben, mit 2600 € abzuspeisen, ist schon ein Hohn. Vielleicht sieht sich ja die Stiftung in der Lage, den Zwangsarbeitsopfern noch einen finanziellen Nachschlag zu geben, aber nicht in Form einer Rente. Dies wäre nicht sinnvoll, weil die Menschen alt und gebrechlich sind und noch etwas davon haben sollten."

Gerhard Seeger, Philippinen

"Mit diesen geringen Abfindungen für jahrelange Zwangsarbeit unter fürchterlichen Zuständen wurde nicht viel ereicht. Die Unternehmen, die Nutzen und Gewinn aus der Zwangsarbeit zogen, taten sich immer sehr schwer mit Wiedergutmachungszahlungen, auch jetzt, wo es nur noch sehr wenige Überlebende gibt, wollen sie auch denen nichts freiwillig zukommen lassen, um ihnen ihre letzten paar Jahre etwas leichter zumachen. Die Eigner und Manager dieser Unternehmen, die selbst Millionen einstreichen, machen sich durch ihre Verweigerungshaltung irgendwie nachträglich mitschuldig, an diesen, wenn auch vor Jahrzehnten begangenen, Kriegsverbrechen."

Erwin Scholz, Costa Rica

"Hat die Zwangsarbeiter-Stiftung ihr Ziel erreicht?

Sie tat's vielleicht symbolisch,

ansonst in keiner Weis.

Für Taten, diabolisch,

sind Groschen nicht der Preis."

Axel Werner, Deutschland

"Dass wir dazu beitragen, diesen Menschen einen anständigen Lebensabend zu ermöglichen, halte ich für völlig normal. Dabei sollten wir aber darauf achten, dass dies nicht dazu missbraucht wird, immer wieder einem zahlungskräftigen Volk ein schlechtes Gewissen einzureden. Für das erbärmliche Leben der Aldona Wolynskaja und ihrer Leidensgenossen haben sicher auch verschiedene sowjetische und russische Regierungen eine Mitverantwortung."

Carol Milgram, USA

"Mein Vater ist einer dieser Zwangsarbeiter. Er ist heute 83 und es geht ihm materiell nicht gut. Zudem kommen körperliche Probleme, die aus der Zeit seiner Sklavenarbeit für die Nazis resultieren. Man zwang Ihn einhundert Kilo schwere Zementsäcke zu schleppen, als er selbst nur noch 40 Kilo wog. Sein Rücken ist jetzt so krank, dass er nur noch auf einem Stuhl sitzen kann, laufen ist unmöglich. In vielen Bereichen braucht er Unterstützung. Deshalb wären Gelder natürlich sehr hilfreich. Ebenso würde ich gerne wissen, ob es irgendwelche Fonds für physisch oder psychisch kranke Kinder von Holocaust-Überlebenden gibt. Da ich in einem Haus mit zwei Holocaust-Überlebenden groß geworden bin, habe ich ernste Depressionen und viele körperliche Leiden. Das leiden überdauert Generationen."

Rolf Bockmühl, Philippinen

"Sicherlich startete der Versuch, für die lange Zeit unbeachteten Zwangsarbeiter etwas zu tun zu spät. Bis die, minimal mit Geld ausgestattet Stiftung startete, ist zuviel Zeit verstrichen. Besonders die Betriebe, die bei dem Nazisystem hohe Profite erwirtschafteten, beteiligten sich mit zu wenig Geld. Schande über solche Manager. Wir, als relativ reiches Land sollten uns der Verantwortung stellen und schnellsten den wenigen Überlebenden einen gesicherten Lebensabend finanzieren. Sollten die Versicherungen und Betriebe nicht genügend Geld spenden , dann muss die Bundesrepublik Deutschland mit Steuergeldern einspringen. Das ist geringste Pflicht, um diesen geschändeten Personen noch ein wenig Geld zukommen zu lassen. Niemand kann bei den Betroffenen etwas "GUT MACHEN", dazu war das Leid zu prägend! Hier hilft, so denke ich, nur schnellste Hilfe. Weiterhin müssen die bürokratischen Hindernisse beseitigt werden. Helfen wir jetzt, morgen schon kann es zu spät sein. Ich schäme mich, dass hier die Kanzlerin kein Machtwort spricht. Gelder für Missmanagement wurden speziell an Banken und Betriebe gegeben, die normalerweise selber für ihre Fehler hätten haften müssen. Also, Frau Dr. Merkel, handeln sie schnell!"

Manuela B, Peru

"Meiner Meinung nach sind die Unternehmen in der Pflicht, den Leuten eine Entschädigung zu zahlen. Sie haben damals gut an ihnen verdient und machen heute noch gute Geschäfte. Jedoch sollte es ausschließlich von den Unternehmen kommen und nicht vom Steuerzahler. Was hat die heutige Generation damit zu tun? Was ist zum Beispiel mit den Vertriebenen oder den Leuten, die in russischer Gefangenschaft waren? Haben die eine Entschädigung erhalten? Ich denke nicht, dass ein russischer Steuerzahler dafür bezahlt oder bezahlt hat. Und meiner Meinung nach, dürfte man nicht immer nur nach einer Seite schauen."

Die Redaktion von ‚Politik direkt’ behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen.