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Politik für gutes Leben ohne Ökoschaden

Christiane Kliemann19. Dezember 2013

Die Umwelt schützen, weniger konsumieren und dabei zufrieden, suffizient leben. Viele Menschen nehmen sich das vor. Doch es ist gar nicht so einfach, das durchzuziehen. Die Politik muss dabei helfen, sagen Experten.

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Zwei Menschen in der Natur (Foto: Fotolia/ drubig-photo).
Bild: Fotolia/drubig-photo

Sandra Errami macht sich schon lange Gedanken darüber, wie sie ihr Leben besser gestalten kann: Sie versucht, biologisch und lokal einzukaufen, verwertet wieder was sie kann und bewirtschaftet mit anderen Bonner Bürgern zusammen einen Gemüsegarten. Vor Kurzem schaffte Sandra Errami noch ihr Auto ab, eine Entscheidung mit Tücken. "Man muss sich umstellen und umdenken. Der Einkauf ist jetzt anders und der Weg zur Arbeit auch. Unterwegs mit dem Nahverkehr kann ich nicht mehr so viele Termine machen."

Politik für suffizientes Leben

Die Wirtschaftswissenschaftler Angelika Zahrnt und Uwe Schneidewind beschäftigen sich professionell mit dem Thema Suffizienz - mit gutem, nachhaltigen Leben. Naturschützerin Prof. Zahrnt beriet im Rat für Nachhaltige Entwicklung die Bundesregierung undProf. Uwe Schneidewind leitet das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Sie meinen, dass es Aufgabe der Politik ist, günstige Rahmenbedingungen für suffiziente Lebensstile zu schaffen.

Angelika Zahrnt Naturschützerin (Foto: BUND)
Vordenkerin: Angelika ZahrntBild: BUND

In ihremBuch "Damit gutes Leben einfacher wird" beschreiben sie, wie ein solches Leben gestaltet werden könnte, dass es gleichzeitig ein gutes und erfülltes Leben ist. Angelika Zahrnt sieht hier bei der Politik noch großen Nachholbedarf: "Es gibt viele Barrieren, die der Einzelne kaum überwinden kann. Die Politik kann hier helfen und hier entwickeln wir Ansätze für die Politik"

Zahrnt und Schneidewind zeigen, dass das Leitbild Suffizienz alle Politikbereiche berührt. Es geht beispielsweise um eine Politik, die sich an Gerechtigkeit statt an Wachstum orientiert. Eine Steuerpolitik, die den Verbrauch von natürlichen Ressourcen verteuert und die Lohnnebenkosten verringert und regionale Produktionsstrukturen stärkt. Eine Arbeits- und Lebenszeitpolitik, die Zeit für Familie und ehrenamtliche Tätigkeiten einbezieht.

Recht auf weniger Ballast

Auf kommunaler Ebene sehen die Autoren viele und auch leicht umsetzbare Möglichkeiten: Hier gehe es darum, die Zersiedelung und den Flächenverbrauch zu stoppen und kürzere Wege zu ermöglichen. Natur, Fußgänger und Fahrradfahrer sollten in der Stadt mehr Platz haben, so könnte sich die Lebensqualität in der Stadt maßgeblich verbessern. Städter müssten dann zur Erholung nicht mehr aufs Land flüchten, wodurch wiederum Verkehr eingespart würde.

Prof. Uta von Winterfeld beschreibt die Suffizienz als denjenigen Bereich, der in der Nachhaltigkeitsdebatte den meisten Widerstand hervorruft. Denn anders als die Effizienz - also mehr Leistung mit weniger Verbrauch - greift die Suffizienz direkt in alle Lebensbereiche ein und verträgt sich nur schwer mit einer Wirtschaft, die auf Wachstum und Beschleunigung ausgerichtet ist.

Professorin Dr. Uta von Winterfeld Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (Foto: Winterfeld Wuppertal Institut)
Forscherin für Wohlstandsmodelle: Uta von WinterfeldBild: Wuppertal Institut

Uta von Winterfeld fordert ein Recht, nicht immer mehr haben zu müssen und damit ein Recht, auf die Befreiung von Ballast: "Es ist ein Zuviel an Waren und Angeboten. Es gibt Zuviel, was zu schnell verfällt. Durch den schnellen Verfall muss ich mir Dinge immer wieder neu anschaffen." Für von Winterfeld, Expertin für nachhaltiges Produzieren und Konsumieren des Wuppertal Instituts, gibt es aber auch ein Zuviel an Arbeit. "Um überhaupt auf das entsprechende Einkommen zu kommen, müssten viele Menschen mehrere Jobs gleichzeitig machen."

Langer Weg bis zur Suffizienzpolitik

Waren werden zum Teil absichtlich so produziert, dass sie schnell kaputtgehen. Eine Reparatur ist oft nur schwer möglich und oft teurer als ein Neukauf. Eine Suffizienzpolitik könnte hier Rahmenbedingungen schaffen, die Produzenten verpflichten, langlebigere und reparable Produkte herzustellen.

Sandra Errami beim Gemüsegartenprojekt in Bonn (Foto: Christiane Kliemann)
Sandra Errami freut sich über selbgezogenes GemüseBild: Christiane Kliemann

Sandra Errami fände eine solche Politik gut und würde dann wieder ihre Schuhe zum Schuster bringen: "Früher ließ ich meine Schuhe immer besohlen. Heute ist aber die Qualität schlechter. Die Schuhe verlieren die Form schon früh, sodass sich die Besohlung nicht mehr lohnt."

Uta von Winterfeld sieht noch einen langen Weg, bis sich die der Suffizienz in Politik und Wirtschaft etabliert. Doch anderseits mehren sich bereits dieStimmen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die ein Umdenken fordern.