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Wahlkampf in SimCity

Silke Wünsch11. September 2013

Drei deutsche Politiker haben ein Computerspiel unter "echten" Bedingungen gespielt. Darin waren sie Bürgermeister einer virtuellen Stadt. Nun ist das Projekt zu Ende. Konnten sie auch ihre Wahlprogramme verwirklichen?

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In this mage released by Electronic Arts/Maxis, concept art for a waterfront city is shown for the video game "SimCity." (Foto:Electronic Arts/Maxis/AP/dapd)
Galerie Artwork in Computerspielen SimcityBild: :Electronic Arts/Maxis/AP

Die Wahlprogramme der politischen Parteien sind oft sehr schwer zu vermitteln. Die großen Parteien kommen selten unter 100 Seiten aus. Für den Normalbürger ist das oft zu viel, kaum einer liest sich das alles durch. Also muss man in Wahlkampfzeiten andere Mittel und Wege finden, den Bürger von seinen Ideen zu überzeugen. Besonders kreativ werden Politiker, wenn sie sich an die jüngeren Wähler richten wollen. Und da stehen Online-Konzepte an oberster Stelle.

Ein gefundenes Fressen war das Angebot eines Computerspiele-Herstellers, der an die Bundestagsabgeordneten herantrat und sie darum bat, eines seiner erfolgreichsten Games zu spielen. Das Motto: "Macht der Spiele - der SimCity-Wahlkampf-Check".

So funktioniert's:

Im Computerspiel SimCity geht es darum, eine Stadt aufzubauen, zu verwalten und natürlich auch weiter zu entwickeln. Mit allem, was dazugehört: Straßenbau, Schienen, Stromnetz und Wasserversorgung, Wohnhäuser, Industrie und Gewerbe sowie Behörden, Schulen, Sportstätten, Stadtverwaltung. Hinzu kommen das Management von Gesundheitswesen, Abfallwirtschaft, Verkehr und Kriminalität. Die Politiker waren jeweils virtuelle Bürgermeister ihrer Städte und fällten ihre Entscheidungen gemäß ihrem Wahlprogramm. Von den "Bewohnern" wurden sie bewertet.

Dabei konnten sie im Multiplayer-Modus entweder gegeneinander spielen oder auch Kooperationen schließen. Sie waren online nicht nur miteinander, sondern auch mit vielen anderen SimCity-Spielern verbunden.

Diese Drei zockten mit:

Lars Klingbeil, SPD. Jahrgang 1978, netzpolitischer Sprecher, Mitglied der im April 2013 eingestellten Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft im Bundestag. Unterwegs auf Facebook, Flickr, Twitter, YouTube und XING.

Dorothee Bär, CSU. Jahrgang 1978, stellvertretende Generalsekretärin ihrer Partei, in der CSU-Bundestagsfraktion netzpolitische Expertin. Hat einen Youtube-Kanal, ist unterwegs auf Facebook und sehr rege auf Twitter. Zockt selber, wenn sie Zeit hat, und ist Jurymitglied beim Deutschen Computerspielepreis.

Jimmy Schulz, FDP. Jahrgang 1968, sitzt für die Freien Demokraten in vielen Ausschüssen des Bundestages. Schwerpunktthemen sind Internet und digitale Gesellschaft. Konten bei Facebook, Google+, Flickr und Twitter. Interessiert sich für Games und besucht entsprechende Veranstaltungen. Betreibt ein eigenes Blog.

Die Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil, Dorothee Bär und Jimmy Schulz spielen SimCity (Foto: Cornelis Gollhardt)
Gute Laune beim ersten Probespiel: v.l.n.r.: Klingbeil, Bär, SchulzBild: Cornelis Gollhardt

Alle, sowohl die spielenden Politiker als auch die Hersteller, Vertreiber und Entwickler von SimCity wollten wissen, wie nah die Städtesimulation an die Wirklichkeit herankommen kann und ob sich politische Wirklichkeit auf ein Computerspiel übertragen lässt. Natürlich war allen Beteiligten bewusst: Mit dieser Aktion können wir kräftig die Werbetrommel rühren, sei es für das Spiel wie auch für die Parteien.

Martin Lorber von Electronic Arts musste nicht lange nach freiwilligen Probanden suchen: "Ich habe alle im Bundestag vertretenen Parteien angesprochen. Dabei habe ich die Abgeordneten angeschrieben, die sich bekanntermaßen mit Neuen Medien beschäftigen. Die positive Reaktion der Drei, die mitmachen, kam direkt."

Schöne politische Welt?

Alle drei Spieler haben bei null angefangen. Nach zwei Wochen hatten sie ihre Städte - mehr oder weniger - aufgebaut, jeder nach einem eigenen System. So setzte SPD-Politiker Lars Klingbeil auf viele Grünflächen und Erholungsräume für seine Bürger: "In meiner Stadt lege ich zum Beispiel viel Wert auf ein lebendiges Stadtzentrum, mit öffentlichen Einrichtungen, Geschäften und Parkanlagen."

Computerspiel SimCity Städtesimulation: typische Region mit Spielanweisungen (Copyright: Electronic Arts)
Die "Callouts" sagen den Spielern, was sie als nächstens tun könnenBild: Electronic Arts

Dorothee Bär (CSU) wollte eine gute Mischung aus Industrie, Gewerbe und Wohngebieten schaffen, was auch ziemlich gut klappte. Außerdem war ihr viel an einem funktionierenden Bildungssystem gelegen. In Sachen Energieversorgung wollte sie sich unabhängig machen: "Mit zwei Solaranlagen und einem Windkraftwerk muss ich den Strom jetzt auch nicht mehr teuer beim Kollegen Klingbeil kaufen."

FDP-Mann Jimmy Schulz spielte mit Weitblick und legte Wert darauf, dass die Stadt menschlich blieb und sich trotzdem weiter entwickeln konnte. Er setzte auf eine funktionierende und belastbare Infrastruktur, die späteres Wachstum ermöglichen sollte. "Gleichzeitig möchte ich aber auch leichte Erreichbarkeit von bestimmten Einrichtungen und natürlich eine lebenswerte und vor allem nicht überwachte Umgebung."

Wie zufrieden war das virtuelle Volk?

Zunächst stand für alle drei der Spaß im Vordergrund. Doch ganz ohne Wahlkampf ging es nicht. Lars Klingbeil: "Natürlich ist es auch ein gewisser politischer Wettstreit. Das Ganze lässt sich jedoch nicht eins zu eins übertragen." Er hat sich über die vielen positiven Reaktionen aus seinem "realen" Wahlkreis gefreut. Seine virtuelle Stadt Wäschersfelden nutzte den Wohnraum nicht sehr effizient, dafür bot sie aber für alle Einkommensklassen sehr gute Lebensbedingungen. Er erreichte die höchste Zustimmungsrate bei seinen "virtuellen" Bewohnern. SPD-Wahlkampf-Themen konnte er zum Beispiel dadurch umsetzen, dass er in seiner Stadt Vollbeschäftigung erreichte.

Dorothee Bär schaffte in ihrer Stadt BärCity die höchste Bevölkerungszahl und –dichte. Als Bürgermeisterin war sie sehr beliebt und die Bürger profitierten von einem hervorragenden Kulturangebot. Durch die hohen Bevölkerungszahlen und einen hohen Handelssektor nahm sie viele Steuern ein und konnte einen positiven Haushaltsabschluss vorweisen: "Ich bin natürlich schon ein bisschen stolz darauf, dass ich die 100.000-Einwohner-Grenze überschritten habe und meine Bürgerinnen und Bürger im Großen und Ganzen zufrieden sind."

Ein Spiel bleibt ein Spiel

Jimmy Schulz wollte mit seiner Stadt Schwofberg nicht "möglichst schnell, möglichst groß" werden. Seine liberalen Vorstellungen konnte er in die Tat umsetzen: "Schwofberg ist auch ganz ohne Vorratsdatenspeicherung und Pauschalüberwachung eine friedliche Stadt." Die Bewohner von Schwofberg bewerteten die Leistungen als positiv. Außerdem zeigten sich durchweg positive Trends in der Entwicklung – genau wie geplant. Durch die geringe Einwohnerzahl von 5000 Einwohnern waren seine Steuereinnahmen allerdings nicht hoch genug, um die großen Investitionen in Müllentsorgung und öffentliche Verkehrsmittel aufzufangen.

Computerspiel SimCity Städtesimulation: Großstadt bei Nacht (Copyright: Electronic Arts)
Auch bei SimCity brennen nachts die Lichter der Großstadt - solange man nicht pleite gehtBild: Electronic Arts

Einen echten Gewinner gibt es beim Wahlkampf in SimCity nicht, doch alle fanden das Experiment spannend. Bei allem Spaß an der Sache bleibt der Politiker Jimmy Schulz jedoch realistisch: "Man kann natürlich nicht das reale Leben komplett so abbilden wie es auch in der Wirklichkeit wäre." Dorothee Bär sieht das ähnlich: "SimCity spielt sich in einem relativ überschaubaren und kleinen Kosmos ab. Außenpolitik fehlt hier völlig. Auch was Familienpolitik, Netzpolitik, Verbraucherschutz und gesellschaftspolitische Facetten angeht, findet sich keine Entsprechung zur Wirklichkeit." Andererseits würde es sie auch beunruhigen, wenn Politik so einfach wie ein Computerspiel wäre. "Reale Politik kann, was den Spaß und die Spannung angeht, von keinem Game der Welt nur annähernd erreicht werden."