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Politiker werfen Steinbach Erpressung vor

5. Januar 2010

Erika Steinbach hat im festgefahrenen Streit über den Beirat der Vertriebenenstiftung ihren Rückzug angeboten - falls bestimmte Bedingungen erfüllt würden. Der Kompromissvorschlag stößt auf teils heftigen Widerspruch.

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Steinbach im Portrait (Foto: AP)
Erika Steinbach überrascht mit einem KompromissvorschlagBild: AP

Es ist der Dauerstreit der schwarz-gelben Regierungskoalition: Die Debatte um Erika Steinbachs gewünschten persönlichen Platz im Stiftungsrat "Flucht, Vertreibung, Versöhnung". Monatelang hatte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dagegen sein Veto eingelegt. Jetzt kommt Bewegung in die Angelegenheit. Erika Steinbach, CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), will unter bestimmten Bedingungen auf ihre Nominierung für einen Sitz in der Stiftung verzichten. Das kündigte sie am Dienstag (05.01.2010) im Morgenmagazin von ARD und ZDF an. Steinbach sagte, im Gegenzug müsse ihr Verband mehr Mitsprache in der Stiftung erhalten. Dazu solle die Zahl der Mitglieder im Stiftungsrat erhöht und die Stiftung aus der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums gelöst werden. Die Vertriebenen-Präsidentin stellte klar: Nur unter den von ihr gestellten Bedingungen sei sie bereit, auf einen Posten in dem Gremium zu verzichten.

Doch Erika Steinbach lässt ihren Kompromissvorschlag im Stiftungsstreit in einer wesentlichen Frage offen. Auch auf Nachfrage wollte sich sie sich nicht auf eine konkrete Anzahl von Sitzen festlegen, um die der Einfluss des BdV im Rat der Vertriebenen-Stiftung - aus ihrer Sicht - erweitert werden sollte. "Wir fordern, dass der BdV im Stiftungsrat mehr als drei Sitze erhalten soll", erklärte sie lediglich. "Ich habe mich aber ganz bewusst nicht auf eine Zahl eingelassen."

Und sie pokert auch um den zukünftigen Einfluss des Bundes: Steinbach knüpft den Verzicht auf ihre Entsendung in den Stiftungsrat auch an ein Ende der "politischen Bevormundung", also eine deutliche Einschränkung der Mitspracherechte des Bundes. Der BdV fordert, dass die Bundesregierung ihr Recht auf die Benennung der Mitglieder des Stiftungsrates aufgibt. "Dieser Knebelpassus muss verschwinden", forderte Steinbach. Ob sich der Streit beilegen lasse, werde sich ihrer Einschätzung nach bald abzeichnen: In der letzten Januarwoche sei eine reguläre Sitzung des BdV-Präsidiums anberaumt, dann werde man mit Sicherheit auch eine Bewertung der Reaktionen vornehmen, sagte sie.

Westerwelle will Beziehung zu Polen nicht belasten

Westerwelle vor einer Fahne (Foto: AP)
Außenminister Guido Westerwelle will die Beziehungen zu Polen nicht weiter belastenBild: AP

Außenminister Westerwelle, der sich bisher beharrlich weigerte, Erika Steinbach einen Sitz im Stiftungsrat zuzubilligen, sagte im Deutschlandfunk eine "faire, sachliche und konstruktive" Prüfung des Kompromissvorschlags zu. Seine Haltung in dem Konflikt hatte er bisher damit begründet, die Beziehungen zu Polen nicht belasten zu wollen. Für Polen ist die Vertriebenenpräsidentin ein rotes Tuch, weil sie vor 20 Jahren im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Grenze zu Polen stimmte. Zudem hatte Steinbach den EU-Beitritt Polens mit unverhohlenen Vorbehalten begleitet. Nun wehrt sich Warschau mit Händen und Füßen dagegen, dass Steinbach in den Beirat der Vertriebenen-Stiftung einzieht.

Doch nicht nur in Warschau hält man einen Einzug Steinbachs in den Stiftungsrat für untragbar. Die ehemalige Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Gesine Schwan, hat scharfe Kritik an Steinbach geübt. "Keine der Bedingungen, die Frau Steinbach stellt, ist unter dem Aspekt der deutsch-polnischen Versöhnung legitim", sagte Schwan der "Saarbrücker Zeitung". Es sei nicht einzusehen, warum der Bund der Vertriebenen für einen Verzicht Steinbachs auf einen Sitz im Stiftungsrat "einen noch größeren Einfluss erhalten soll. Ohnehin ist die Repräsentativität des Bundes für die Vertriebenen völlig im Unklaren", erklärte die SPD-Politikerin und ehemalige Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten. Anders als die deutsche Regierung habe die polnische Seite nach dem Regierungswechsel sehr schnell alle Personen aus den politisch wichtigen Positionen der Stiftung herausgenommen, "die die andere Seite provozieren". Schwan warnte vor "erheblichem, politischem Schaden" in der Angelegenheit.

Thierse: Steinbachs Forderung ist Erpressungsversuch

Thierse sitzend im Bundestag (Foto: AP)
Er gilt als politischer Mahner: Wolfgang Thierse von der SPDBild: AP

Die Kritik wird von anderen deutschen Politikern noch deutlicher formuliert: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse von der SPD sagte dem "Tagesspiegel", Steinbachs Forderung sei der erpresserische Versuch, das Anliegen der Stiftung in ihrem Sinne zu verändern. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder wies diesen Vorwurf zurück und lobte den Versuch Steinbachs, "zu einem politischen Kompromiss zu kommen, der auch inhaltlich gut ist". Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wies in der "Rheinischen Post" Steinbachs Vorschlag als "absolut inakzeptabel" zurück und forderte ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Steinbach wies Thierses Vorwurf, der BdV versuche die Bundesregierung zu erpressen, zurück. "Das hat mit Erpressung gar nichts zu tun. Wir bieten einen Lösungsweg an." Doch selbst in ihrer eigenen Partei formieren sich bereits die Kritiker. Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach jedenfalls ist klar: "Für dieses Stiftungsgesetz eine Mehrheit zu finden, war nicht ganz einfach. Ich fürchte, wenn man jetzt an der Substanz der Vereinbarung rüttelt, könnte das ganze Projekt in Gefahr geraten."

Was ist in der Stiftung geplant? Sie ist unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums in Berlin angesiedelt. Die Stiftung soll eine Dokumentationsstätte und eine Ausstellung im Deutschlandhaus in Berlin aufbauen. Darin soll an das Schicksal von Millionen Vertriebenen in Europa und insbesondere an die rund zwölf Millionen deutschen Vertriebenen am Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert werden. Für die inhaltliche Ausrichtung ist neben dem Stiftungsdirektor Manfred Kittel, der im Juli 2009 ernannt wurde, maßgeblich der Stiftungsrat zuständig. Er entscheidet über die Verwendung der Mittel, beruft den wissenschaftlichen Beraterkreis und den Stiftungsdirektor. Dem Stiftungsrat gehören 13 Personen an.

Autor: Marcus Bölz (epd, dpa, ap)

Redaktion: Ursula Kissel