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Krise in Albanien

22. Januar 2011

Mit dem Tod von drei Demonstranten in der Hauptstadt Tirana hat die politische Krise in Albanien eine dramatische Wende genommen. Die Opposition kündigt neue Proteste gegen die Regierung an, der sie Korruption vorwirft.

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Brennende Autos während der Proteste am 21.01.2011 im Zentrum von Tirana (Foto: Arben Muka / DW)
Gewalt in TiranaBild: DW/Muka

Regierung und Opposition in Albanien machen sich gegenseitig für die Toten und Verletzten bei der blutigen Demonstration am Freitag (21.01.2011) in Tirana verantwortlich. Bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten waren im Zentrum der Hauptstadt mindestens drei Menschen getötet worden. Zahlreiche Polizisten und Demonstranten erlitten Verletzungen.

Etwa 20.000 Anhänger waren einem Aufruf der Opposition gefolgt und hatten sich im Zentrum der Hauptstadt zu Protesten gegen die Korruption in der Regierung versammelt. Vor dem Amtssitz von Ministerpräsident Sali Berisha forderten sie den Rücktritt der Regierung. Dabei warfen sie Steine gegen die Sicherheitskräfte und setzten mehrere Autos in Brand. Nach amtlichen Angaben hatten die Demonstranten versucht, das Regierungsgebäude zu stürmen. Die Polizei reagierte mit Wasserwerfern, Plastikgeschossen und Tränengas. Mindestens 30 Zivilpersonen sowie knapp 100 Polizisten wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Die Ausschreitungen waren die schwersten Proteste seit 1998.

Tag der Trauer

Oppositionsanhänger gedenken in Tirana mit Kerzen der Todesopfer. (Foto: AP)
Kerzen der TrauerBild: AP

Ministerpräsident Sali Berisha beschuldigte die Opposition, sie wolle nach tunesischem Vorbild gewaltsam die Macht im Land übernehmen. Zugleich betonte er seine Entschlossenheit, Gesetz und Ordnung vor den "Banditen" zu schützen. Es vergleich die albanische Opposition mit dem alten Regime von Präsident Ben Ali. Weiter sagte Berisha, dass der Typ der Schusswaffe, mit der die Demonstranten getötet wurden, nicht zur Bewaffnung der Sicherheitskräfte gehört. Er forderte die Staatsanwaltschaft auf, durch ihre Ermittlungen die Wahrheit zu Tage zu bringen.

Auch der sozialistische Oppositionsführer Edi Rama forderte die Justiz auf, die "staatlichen Verbrechen" aufzuklären. Er warf den Sicherheitskräften gezielte Provokationen vor und kündigte weitere Proteste an. Der Staat habe die Grenzen des Gesetzes überschritten, indem die Polizei gegen friedliche Demonstranten eingesetzt worden sei. Die Opposition werde am Samstag einen "Tag der Trauer" einhalten, sagte der Sozialisten-Chef und Bürgermeister von Tirana mit Blick auf die Todesopfer. Danach werde die Opposition umso entschlossener gegen die Regierung auf die Straße ziehen.

Internationale Gemeinschaft mahnt zur Besonnenheit

Der Albanische Oppositionsführer und sozialisten Chef Edi Rama vor der Presse. (Foto: AP)
Oppositionsführer Edi RamaBild: AP

Vertreter der Europäischen Union, der USA und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa riefen die Bevölkerung in einer gemeinsamen, in Tirana veröffentlichten Erklärung zu Besonnenheit und Zurückhaltung auf. Die EU hatte letztes Jahr Albaniens Beitrittsgesuch zurückgewiesen und das Land zur Bekämpfung der Korruption und dem Aufbau einer funktionierenden Demokratie aufgerufen. Auch Staatspräsident Bamir Topi wandte sich an die politischen Lager und forderte sie zum sofortigen Dialog auf. Albanien müsse seine Wunden heilen und brauche nicht weitere.

Albanien befindet sich seit den Wahlen im Juni 2009 in einer politischen Krise. Die sozialistische Opposition erkennt die Wahlergebnisse nicht an und wirft Berishas Demokratischer Partei Wahlbetrug sowie Korruption vor. Die Opposition boykottierte zunächst das Parlament und blockierte später entscheidende Abstimmungen über wichtige Gesetze. Außerdem hat sie in den vergangenen Jahren immer wieder gewaltfreie Protestaktionen und einen Hungerstreik organisiert. Nach dem Rücktritt von Vize-Ministerpräsident Ilir Meta wegen eines Korruptionsskandals vor wenigen Tagen forderte sie den Rücktritt der Regierung sowie vorgezogene Neuwahlen. Die Proteste am Freitag waren der bisherige Höhepunkt der Spannungen.

Autor: Manfred Böhm (dw, dpa, reuters)

Redaktion: Dirk Eckert