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Polizeichef tritt wegen Abhöraffäre zurück

18. Juli 2011

Die Entwicklung im britischen Abhörskandal wird immer spektakulärer: Nach Vorwürfen der Verstrickung seiner Behörde trat Polizei-Chef Stephenson zurück. Eine Managerin des Murdoch-Imperiums kam gegen Kaution frei.

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Scotland-Yard-Chef Paul Stephenson (Foto: dpa)
Scotland-Yard-Chef Paul StephensonBild: picture alliance/dpa

Der britische Abhörskandal ist näher an Medienunternehmer Rupert Murdoch und die britische Polizei herangerückt. Auch die politische Bedeutung nimmt weiter zu: Angesichts der Entwicklung verkürzt Premierminister David Cameron eine Reise nach Afrika. Die Zeitung "Guardian" berichtete am Montag (18.07.2011), Cameron wolle sich in die Ermittlungen einschalten. Der Regierungschef halte sich nur zwei Tage in Südafrika und Nigeria auf. Besuche im Sudan und in Ruanda seien abgesagt worden.

Cameron steht wegen seiner einst engen Kontakte zu Murdoch-Medien in der Kritik. So war der ehemalige Chefredakteur der inzwischen eingestellten "News of the World", Andy Coulson, zeitweise Sprecher des konservativen Politikers. Am Rande seines Besuchs in Südafrika kündigte Cameron für Mittwoch eine Sondersitzung des Unterhauses zu dem Abhörskandal an.

Scotland Yard-Chef gibt Amt auf

Am Sonntag war wegen der Abhöraffäre der Chef der Londoner Polizeibehörde Scotland Yard zurückgetreten. Ihm sei das Ausmaß der Bespitzelungsaffäre nicht klar gewesen, sagte Paul Stephenson im Fernsehen. Am Montag trat mit John Yates ein weiterer hochrangiger Beamter der Londoner Polizeibehörde zurück. Yates hatte 2009 entschieden, dass trotz neuer Vorwürfe keine neuen Ermittlungen in dem Abhörskandal aufgenommen wurden.

Der britischen Polizei wird vorgeworfen, gegen die Zahlung von Bestechungsgeldern vertrauliche Informationen an die Skandal-Zeitung "News of the World" herausgegeben zu haben. Zudem soll sie den Vorwürfen gegen die Boulevardzeitung nicht entschieden genug nachgegangen sein. Journalisten des Skandalblattes wird vorgeworfen, sie hätten Tausende Telefonate abgehört.

Ein Polizist am 8. Juli 2011 vor dem Redaktionsgebäude von 'News of the World' (Foto: dpa)
Vorwürfe auch gegen die Polizei im Abhörskandal um die Boulevardzeitung "News of the World"Bild: picture alliance/dpa

Stephenson selbst wird mit dem vor wenigen Tagen festgenommenen ehemaligen "News of the World"-Vizechefredakteur Neil Wallis in Verbindung gebracht. Der Polizeichef soll nach Medienberichten Anfang des Jahres fünf Wochen in einem Luxus-Wellness-Hotel verbracht haben, für das Wallis als PR-Berater arbeitete. Scotland Yard hatte zudem zugegeben, dass Wallis nach seinem Wechsel in die PR-Branche eine Zeitlang als Berater für die Polizei gearbeitet hatte. Stephenson bestritt aber ein Fehlverhalten. Er erklärte, er wolle nicht, dass Kritik an seinem Verhalten die Sicherheitsvorkehrungen für die Olympischen Spiele 2012 in London beeinträchtige.

Schwere Vorwürfe gegen Murdoch-Vertraute Brooks

Rebekah Brooks am 10.07.2011 zusammen mit Rupert Murdoch (Foto: pa/dpa)
Rebekah Brooks gilt als enge Vertraute von Rupert MurdochBild: picture alliance/dpa

Ebenfalls am Sonntag wurde die ehemalige Chefredakteurin von "News of the World", Rebekah Brooks, von der Polizei vernommen. Sie erschien nach einer Vorladung und wurde dann festgenommen. Nach zwölfstündiger Befragung wurde sie aber um Mitternacht gegen Zahlung einer Kaution auf freien Fuß gesetzt. Sie muss Ende Oktober wieder auf einer Polizeistation vorstellig werden. Die 43-Jährige war zur Zeit des Abhörskandals für die "News of the World" verantwortlich, bis zu ihrem Rücktritt am Freitag war sie Chefin von Murdochs britischer Zeitungsgruppe News International. Nach Polizeiangaben steht Brooks unter Verdacht, für die Bestechung von Polizisten und das Abhören von Mailboxen mitverantwortlich zu sein. Sie bestreitet aber die Vorwürfe.

Brooks zeitweilige Festnahme erfolgte kurz vor ihrer geplanten Anhörung vor einem Parlamentsausschuss. Sie soll am Dienstag gemeinsam mit Rupert Murdoch und dessen Sohn James zum Abhörskandal Rede und Antwort stehen. Der Vorsitzende des Medienausschusses, John Whittingdale, sagte, die Teilnahme von Brooks sei inzwischen unklar, da ihre Befragung vor dem Ausschuss die Ermittlungen der Polizei stören könnte.

Rufe nach Zerschlagung von Murdochs Medienkonzern

Ein Exemplar der letzten Ausgabe von 'News of the World' vom 10. Juli 2011 (Foto: dpa)
Die letzte Ausgabe von "News of the World" erschien am 10. Juli 2011Bild: picture alliance/dpa

Der Medienkonzern News International kontrolliert bisher 37 Prozent des britischen Zeitungsmarktes. Murdoch gehören zusätzlich 39 Prozent am Fernsehsender BSkyB. Auf die geplante Komplettübernahme des Senders musste der 80-Jährige nach öffentlichem Druck wegen des Abhörskandals verzichten.

Murdoch bat in den Wochenendausgaben aller landesweit erscheinenden Zeitungen in Großbritannien die Öffentlichkeit um Entschuldigung. "We are sorry", so lautete die Überschrift der ganzseitigen Inserate. Trotz der Entschuldigungskampagne wurden inzwischen Rufe nach einer Zerschlagung des Medienkonzerns laut.

Oppositionschef Ed Miliband forderte in einem Interview mit dem "Observer", die Gesetze zur Medienkonzentration müssten verschärft werden. Murdochs Marktmacht sei "gefährlich", sagte der Labour-Politiker. "Er hat zu viel Macht über das öffentliche Leben in Großbritannien." Auch Vizeregierungschef Nick Clegg sprach sich für mehr Vielfalt auf dem britischen Medienmarkt aus.

Autoren: Ursula Kissel / Herbert Peckmann (dpa, rtr, afp, dapd)
Redaktion: Marko Langer / Michael Wehling