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Poly-Rythmo Comeback nach vierzig Jahren

6. Juli 2010

Ihre Hochzeit hatte die Musik des legendären Orchestre Poly-Rythmo de Cotonou in den 70er-Jahren. Danach wurde es still um die Band. Doch die Liebe eines Frankfurter Plattensammlers für den alten Afrobeat änderte alles.

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Poly Rythmo (Foto: Ina Jackson)
Poly Rythmo beim ersten Deutschland-KonzertBild: Ina Jackson

L’Orchestre Poly-Rythmo de Cotonou war in den 70er-Jahren eine der produktivsten und erfolgreichsten Bands Westafrikas. Gegründet 1969 in dem kleinen westafrikanischen Land Benin traf der psychedelische Afro-Sound dieser zehnköpfigen Band den Nerv der Zeit. Hunderte von Songs entstanden. Zu den traditionellen Voodoo-Rhythmen ihrer Region mixten die Musiker von Poly-Rythmo was immer gerade Mode war und ihnen Spaß machte: Soul, Latin, Funk oder auch französische Chansons. Mit "Gbeti Madjro" landeten sie 1970 ihren ersten Hit. Weitere Hits folgten in Afrika. Nach Europa schafften es Poly-Rythmo damals allerdings nicht. Dazu mussten erst vierzig Jahre vergehen, und der Plattensammler und Labelchef Samy Ben Redjeb aus Frankfurt sich in den alten Poly-Rythmo Sound verlieben.

Eine Liebe mit Folgen

Band Poly Rythmo
Poly Rythmo vor 40 JahrenBild: Haus der Kulturen in Berlin

Als er zum ersten Mal auf die Musik von Poly-Rythmo stößt, ist er wie elektrisiert. Das ist es, was er sucht: Musik mit Seele, aus der man noch die Menschen raushört. Die kleinen Macken bei den Aufnahmen sind genau das, was Samy anspricht. "Heutzutage wird die Musik zu sehr bearbeitet, wird alles sehr glatt, alles sehr poliert, desinfiziert", bedauert er. Gerade das Raue fasziniert ihn bei Poly-Rythmo. "Man fühlt die Erde, und das ist halt, was mir an dieser Musik gefällt." Davon will er unbedingt mehr auftreiben.

2005 reist Samy deshalb kurz entschlossen nach Benin, um dort nach alten Schallplatten der Band zu suchen. Manchen guten Tipp können ihm ehemalige Produzenten und die Musiker von Poly-Rythmo geben. Denn die Band existiert noch. Und viele der Musiker der ersten Stunde wie der Gründer und Orchesterchef Clement Mélomé sind noch immer dabei. Dass der Plattensammler aus Deutschland Einfluss nehmen könnte auf die weiteren Geschicke von Poly-Rythmo, daran dachte allerdings keiner der Musiker, erzählt Vincent Aheheninnou, einer der Sänger aus den Anfangstagen der Band. Alte Vinyl-Scheiben im Zeitalten von CD und DVD, das machte erst keinen Sinn für sie.

Nur wer sucht, findet

Band Poly Rythmo
Soul, Latin, FunkBild: Haus der Kulturen in Berlin

Samy Ben Redjeb gräbt alte Vinyl-Scheiben von Poly-Rythmo an den unmöglichsten Orten aus: in der hintersten Ecke eines Stofflagers oder im Abstellraum eines Privathauses, der seit zwanzig Jahren nicht mehr betreten wurde. Viele Platten waren auch einfach verbrannt worden, weil Platz gebraucht wurde. Doch Samy hat Glück. Irgendwann stößt er auf einen Raum mit mehr als 50.000 Schallplatten. Fast eine Woche lang hört er sich dort durch die Musik. Seine Ausbeute: über 4.000 Platten. Zehn Euro zahlt er für eine LP, etwa zwei Euro für ein Single. In Frankfurt sondiert und kompiliert er das, was ihm am besten gefällt, fährt wieder nach Benin und kauft die Rechte von den Poly-Rythmo Musikern und Produzenten - zu mitteleuropäischen Preisen.

Besser spät als nie

2008 veröffentlicht Samy auf seinem Label ANALOG AFRICA die erste Sammlung von Poly-Rythmo-Songs: THE VODOUN EFFECT. Produziert in Beniner Studios zwischen 1972 und 1975. ECHOS HYPNOTIQUES folgt 2009: Psychedelischer Afrobeat aus den Jahren zwischen 1969 und 1979. Was danach folgt, ist wie im Märchen: Die Wiederveröffentlichungen sind international erfolgreich. Englische und französische Produzenten interessieren sich plötzlich für Poly-Rythmo, deren Zeit schon abgelaufen schien. Es kommt zur ersten Europa-Tournee 2009, die nächste folgt im Sommer 2010. Endlich erobert Poly-Rythmo die Welt. "Das hat unser Leben fundamental verändert. Sie haben keine Ahnung, wie wir uns freuen. Wir werden wieder zu jungen Männern von 18 oder 20 Jahren", zieht Vincent Aheheninnou sein Fazit und kichert.

Autorin: Ina Jackson
Redaktion: Dirk Bathe