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Sängerin Lary: "Ich wurde oft auf Sex reduziert"

25. September 2018

Mit dem Duett "So wie du bist" feierte die Popsängerin Lary 2015 ihren Durchbruch in Deutschland. Mit DW spricht sie über ihre Erfahrungen mit Sexismus und wie #MeToo die männerdominierte Musikbranche verändert.

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Kandidaten Bundesvision Song Contest 2015 Lary
Bild: Imago

Respect! - Frauen im Pop: Lary

Deutsche Welle: Nur 29 % der Solokünstler in den deutschen Album-Charts sind weiblich. Warum sind Frauen immer noch unterrepräsentiert im Musikgeschäft?

Lary: Weil die Entscheidungsträger oft Männer sind, die vielleicht im Moment noch nicht den Weitblick oder die Perspektive haben, da wirklich etwas reinzulassen und etwas wachsen zu lassen, was sie nicht wirklich verstehen oder sehen. Wir haben einfach eine grundsätzlich verschiedene Perspektive aufs Leben. Und deswegen ist es so wichtig, dass Männer UND Frauen überall dabei sind.

Infografik Soloalben in den deutschen Top-100-Charts (in %) DE
Laut GfK Entertainment sinkt der ohnehin kleine Anteil von Solo-Künstlerinnen in den deutschen Album-Charts seit Jahren.

Hast Du persönlich schon Erfahrungen mit Sexismus gemacht?

Das passiert einem ständig. Bei meinem ersten Album zum Beispiel habe ich wesentlich mehr Haut gezeigt, wesentlich mehr Sex thematisiert. Da ist mir schon aufgefallen, dass ich dadurch automatisch weniger ernst genommen wurde als Künstlerin. Das fand ich unfair. Immerhin habe ich alle meine Lieder selber geschrieben und mich als Künstlerin wahrgenommen. Doch dann wurde ich oft auf Sex reduziert. Ich fand das total schade, dass ich dann das Gefühl hatte, ich muss mich selber zensieren, weil ich nicht so wahrgenommen werde, wie ich das gerne möchte.

Die #MeToo-Debatte schlägt immer noch große Wellen, vor allem in der Filmbranche. Ist sexuelle Belästigung auch ein Thema in der Musikbranche?

Ich kenne keine Frau, die nicht schon einen #MeToo-Moment hatte. Aber das war bisher eine Konversation, die man nur unter Frauen geführt hat. Und da hat sich mittlerweile ganz viel geändert. Vor ein paar Jahren hat niemand gesagt, er ist Feminist. Weil das irgendwie eine Beleidung war. Und weil man dann an irgendwelche alten Frauen mit Haaren unter den Armen und auf den Zähnen gedacht hat. Heute ist es einfach: Als Frau redet man über die Problematik, redet darüber, was einem passiert ist, ohne dass alle die Augen verdrehen und sagen: "Oh Gott, die schon wieder mit dem und dem Thema."

Wie verändert die #MeToo-Debatte die Branche?

Infografik Urheber der Top 100 Radiosongs in Deutschland (in %) DE

Es ist gut, dass der Dialog entstanden ist. Niemand kann sich jetzt mehr rausreden mit "Ja, das habe ich jetzt nicht gewusst." Oder: "Ach stell dich nicht so an, Kleines. Ich gebe dir mal einen Klaps auf den Hintern." Damit kommt man heutzutage nicht mehr durch. Und das war vor ein paar Jahren echt noch ganz anders. Also da war es normal, dass dich einer "Mäuschen", "Kleines" oder was auch immer genannt hat - diese ganzen Dinge eben, die ja nicht "böse" gemeint sind, die aber total Teil in dieser Geschichte sind und einfach nerven und degradierend sind. Das passiert wesentlich weniger, glaube ich, einfach weil alle gecheckt haben, dass es nicht geil ist.

Du hast einmal gesagt, man könne Mainstream-Musik fürs Radio machen. Aber wenn man mit einer Persönlichkeit um die Ecke käme, würde das als Frau erstmal schwierig. Inwiefern?

In vielen Fällen ist es so, dass es schon alleine, weil du eine Frau bist, darum geht, wie sexy du bist. Es wird überhaupt nicht verlangt, dass du irgendetwas sagst in deinen Texten oder dass du eine Art von Persönlichkeit mitbringst. Wenn das so ist, dann finden die Leute das erstmal sperrig. Das fand ich immer total befremdlich. Ein A&R-Manager meinte mal zu mir: "Ja, Lary, ja das ist ja total geil und wir feiern das total. Aber natürlich ist das auch schwer für die Leute greifbar, weil es schon sehr viel um dich geht." Ich sagte: "Natürlich geht es um mich. Das ist ja auch mein Album!" Auf einem Marteria-Album geht es ja auch um Marteria und auf einem Casper-Album geht es um Casper. Warum sollte es auf einem Lary-Album nicht um Lary gehen?

Was müsste sich ändern in der deutschen Musikbranche, damit Frauen sichtbarer werden im Pop?

Ich glaube, dass es ein Problem ist, das sich mit der Zeit von selbst erledigen wird. Denn die Leute, die jetzt in der Machtposition sitzen, sind meist männlich und relativ alt. Und deswegen passiert auch nicht viel Neues. Ansonsten habe ich das Gefühl, dass Frauen gerade schon krass nachdrängen und dass die Musikbranche versucht, sich zu ändern und  zu öffnen. Auf eine süße Art, die nicht viele Eier hat. Aber immerhin ist der Wille da. Deswegen sehe ich das ganz positiv.

21.08.2014 DW popXport Lary
Bild: Esteban

Du gehst sehr offen mit Deiner Sexyness um und sprichst in Interviews auch gerne über sexuelle Themen. Spielt das nicht den Leuten in die Hände, die sagen: "Du musst Dich im Business sexy geben"?

Wenn ich Bock habe, von morgens bis abends über Sex zu reden und in jedem meiner Videos nackt zu sein, dann sollte das genauso wenig meine Integrität untergraben, wie als wenn ich das nicht mache, und mich lieber hochgeschlossen zeige. Ich finde Frauen, die sich sexy geben, können genauso intelligent und genauso tolle Künstler sein, wie Frauen die das nicht machen. Es ist schade, dass diese Sexyness und dieses Sexding immer etwas bedeuten muss. Es ist so: "Ey, Leute lasst mich doch sexy sein, wenn ich Bock darauf habe. Wenn ich keinen Bock darauf habe, bin ich halt mal nicht sexy."

Larys Vorbild: Die deutsche Sängerin und Schauspielerin Hildegard Knef
Larys Vorbild: Die deutsche Sängerin und Schauspielerin Hildegard KnefBild: ullstein - Thomas & Thomas

Welchen Tipp würdest Du jungen Musikerinnen mit auf den Weg geben?

Wenn du als Frau Musik machen willst oder in dieses Business gehen willst, ist es wahnsinnig wichtig, dass du weißt, was du willst, wie du klingen willst, was du möchtest und was nicht. Du musst wissen, worauf du Bock hast und darfst nicht so blauäugig überall rein stolpern. Denn sonst treffen andere Leute die Entscheidungen für dich. Und das sind dann meistens Männer.

 

Das Gespräch führte Andreas Leixnering.