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"Keine Verhandlungen mit Separatisten"

Bettina Marx, Nina Werkhäuser7. Mai 2014

In Berlin herrscht tiefe Sorge über die Eskalation in der Ukraine. Während der Bundestag darüber debattierte, bediente sich der ukrainische Präsidentschaftskandidat Poroschenko bei Auftritten in Berlin markiger Worte.

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Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Petro Poroschenko vor dem Reichstag in Berlin, Foto: Getty Images
Bild: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images

Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Petro Poroschenko rechtfertigte bei seinem Besuch in der deutschen Hauptstadt das gewaltsame Vorgehen der Armee gegen prorussische Separatisten, die er als Terroristen bezeichnete. Wer ein Maschinengewehr trage und andere Menschen töte, verstehe nur eine Sprache, sagte Poroschenko, "und das ist die Sprache der Gewalt". Verhandlungen mit den Separatisten lehnte er ab: "Sie repräsentieren niemanden". "Wir müssen Recht und Ordnung wieder herstellen und die Terroristen von den Straßen fegen", erklärte der Großunternehmer und Politiker, der als aussichtsreichster Bewerber bei der Präsidentenwahl am 25. Mai gilt. Poroschenko tritt für eine engere Anbindung der Ukraine an die EU ein und solidarisierte sich mit den Demonstranten vom Maidan.

In Berlin unterstützte der Präsidentschaftskandidat den Vorschlag von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), eine zweite Runde der Genfer Konferenz abzuhalten. Auch dort wolle er keine prorussischen Separatisten am Verhandlungstisch sehen, sagte der 48-Jährige. Die Ukraine werde in Genf allein durch ihren Außenminister vertreten.

Keine Verschiebung der Wahl

Der nächste entscheidende Schritt sei die Präsidentenwahl am 25. Mai, die in allen Regionen der Ukraine abgehalten werden müsse. "Diejenigen, die versuchen, die Situation im Osten der Ukraine zu destabilisieren, haben nur eine Absicht: zu verhindern, dass wir die Wahl abhalten", so Poroschenko. Nicht stattfinden dürften hingegen "falsche Referenden" im Osten des Landes, etwa das für kommenden Sonntag in Donezk geplante Referendum über eine Abspaltung der Region.

"Wir haben keine Angst vor Referenden, auch nicht vor Verfassungsänderungen oder vor einer Dezentralisierung der Macht", sagte Poroschenko, der sich in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Parlamentariern austauschte. Aber das könne nur in einem geordneten Prozess nach der Präsidentenwahl geschehen. Der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff betonte nach seinem Treffen mit Poroschenko, es sei "illegal", vor der Wahl andere Referenden abzuhalten. Es gebe Hinweise, dass für den 9. und den 11. Mai "Störaktionen" geplant seien und Russland dabei die Finger im Spiel habe, erklärte Schockenhoff. Er erwarte, dass Russland alle Versuche unterbinde, die Ukraine zu destabilisieren.

Aktuelle Stunde im Bundestag

Im Bundestag brachten gleich zwei Minister ihre Sorgen über die Gewalt in der Ukraine zum Ausdruck. "Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Konfrontation auf unserem Kontinent", sagte Bundesaußenminister Steinmeier in einer kurzfristig anberaumten Debatte. Dennoch sei er zuversichtlich, dass es noch nicht zu spät sei, die Eskalation zu verhindern. Noch könne die Vernunft die Oberhand gewinnen. Er selbst sei derzeit darum bemüht, eine zweite Genfer Konferenz zustande zu bringen, an der die Ukraine und Russland, die EU und die USA teilnehmen müssten.

Steinmeier betonte, dass die für den 25. Mai geplante Wahl in der Ukraine stattfinden müsse. Das müsse auch im Interesse Moskaus liegen, denn gerade die russische Regierung bezweifle doch die Legitimität der ukrainischen Übergangsführung. Darüber hinaus forderte er einen nationalen Dialog in der Ukraine, um die Spannungen zu überwinden. Außerdem sprach er sich für eine Verfassungsreform und für die Entwaffnung der Milizen aus. Während der Minister sprach, traf die Meldung ein, dass Putin seinen Widerstand gegen die Wahl aufgegeben habe. Die Präsidentenwahl nannte er erstmals einen "Schritt in die richtige Richtung". Präsidentschaftskandidat Poroschenko begrüßte am Abend diese Äußerung. Dies sei aber noch keine Garantie für die Stabilisierung der Situation, sagte er der Deutschen Welle.

Frank-Walter Steinmeier bei Didier Burkhalter Foto: REUTERS
"Aufgeben ist keine Option", sagt Steinmeier. Mit dem OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter sucht er nach einem Ausweg aus der KriseBild: Reuters

Diskussion über OSZE-Mission

Vehement wies der deutsche Außenminister die Kritik an der Mission der OSZE-Militärbeobachter zurück, die von dem CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, aber auch aus den Reihen der Opposition geübt wurde. So kritisierte der Linken-Politiker Wolfgang Gehrcke, mit der Entsendung der Militärbeobachter habe man die viel größere und wichtigere zivile Mission gefährdet, an der 500 OSZE-Beobachter beteiligt seien und die von allen Seiten akzeptiert worden sei. Steinmeier betonte dagegen, er verstehe nicht, warum man der Arbeit der Militärbeobachter weniger Wertschätzung entgegen bringe als der zivilen OSZE-Mission.

Die siebenköpfige Gruppe von Soldaten war vor zwei Wochen unter deutscher Führung in der Ostukraine unterwegs gewesen. In der Stadt Donezk waren die Männer und ihre Begleiter von Separatisten gefangen genommen und eine Woche lang festgehalten worden. Am letzten Samstag kamen sie frei. Steinmeier und Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) dankten allen Beteiligten, ausdrücklich auch dem russischen Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin dafür, dass die Männer unversehrt nach Hause zurückkehren konnten. Von der Leyen unterstrich, dass die OSZE-Beobachter-Missionen dazu geschaffen worden seien, gerade in Konflikt-Situationen Vertrauen und Transparenz herzustellen.

Verteidigungsministerin von der Leyen und der Chef der OSZE-Mission Oberst Axel Schnider nach der Rückkehr der OSZE-Beobachter am Flughafen Tegel. Foto. REUTERS
Ministerin von der Leyen empfängt die OSZE-Militärbeobachter nach ihrer Rückkehr aus der UkraineBild: Reuters

Kritik an Putin

Die Grünen-Abgeordnete Marie-Luise Beck übte scharfe Kritik an Russland. Moskau arbeite an der Destabilisierung der Ukraine und trage den Bürgerkrieg in das Nachbarland hinein. Gleichzeitig sterbe in Russland selbst die Zivilgesellschaft, denn Präsident Wladimir Putin bekämpfe eine freizügige und multikulturelle Gesellschaft. Stattdessen suche er den Schulterschluss mit Rechtspopulisten aus ganz Europa. Beck betonte, man dürfe die Abtrennung und Besetzung der Krim durch Russland nicht hinnehmen. Zum ersten Mal seit 1945 sei damit unter Anwendung von Gewalt von außen ein Teil eines souveränen Landes annektiert worden.