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Kampf für den EU-Bürger

Bernd Riegert1. Oktober 2013

Eine irische Journalistin will den Bürokraten in Europa Beine machen. Emily O'Reilly ist die neue Bürgerbeauftragte der EU. Mit "knackigen Beschwerdefällen" will sie ihr Amt und sich ins Gespräch bringen.

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Emily O'Reilly. Ombudsfrau, Bürgerbeauftragte der Europäischen Union. Amtsantritt 01. Oktober 2013. Zuvor Bürgerbeauftragte in ihrer Heimat Irland. Nachfolgerin des griechischen Ombudsmannes Nikiforos Diamandouros. *** Aufgenommen im September 2013 in Brüssel. Foto: Pressestelle des EU-Bürgerbeauftragten. Offizielles Pressefoto rechtefrei.
Bild: EU

In ihrer Heimat Irland hatte sie die Spitznamen "Blonder Ehrgeiz" oder "Herzogin", schrieb die Zeitung "Sunday Business Post", als Emily O'Reilly vom Europäischen Parlament zur neuen Bürgerbeauftragten der EU gewählt wurde. Die ehemals regierungskritische Zeitungsjournalistin legte sich mit katholischen Netzwerken in der konservativen Partei an und wurde gegen Widerstände 2003 zur Bürgerbeauftragten Irlands ernannt.

Jetzt will sie frischen Wind mit nach Brüssel bringen. Das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten müsse "sichtbarer und schlagkräftiger" werden, kündigte Emily O'Reilly schon vor ihrem Amtsantritt am 1. Oktober 2013 an. Vor allem will sie mehr von den vermeintlich guten Taten im Kampf gegen lahme Behörden an die Öffentlichkeit bringen. "Kommunikation ist ein großer Teil meines Lebens. Ich war 20 Jahre lang Journalistin, davon 13 Jahre lang politische Journalistin. Ich habe fünf Kinder, die alle mächtig in den sozialen Netzwerken unterwegs sind. Deshalb verstehe ich auch etwas von den neuen Medienangeboten", sagte Emily O'Reilly im Fernsehkanal des Europäischen Parlaments.

"Ich kann Dinge ändern"

Die 56 Jahre alte Ex-Journalistin ist die erste Frau auf dem Stuhl des Ombudsmannes, der jetzt in Ombudsfrau umbenannt wird. Und das in 24 offiziellen Sprachen der Europäischen Union. An den Bürgerbeauftragten kann sich nämlich jeder EU-Bürger schriftlich oder per online-Formular kostenlos in seiner eigenen Sprache wenden. Die Powerfrau aus Irland, die viele EU-Abgeordnete schon mit ihrem dynamischen Bewerbungs-Video begeisterte, will den Behörden in Europa Beine machen.

"Ich hätte mich nicht beworben und würde den Job nicht antreten, wenn ich nicht leidenschaftlich daran glauben würde, dass ich Dinge ändern kann. Ich habe die Dinge in meinem Land verändert, bürokratische Standards verbessert. Ich habe, so hoffe ich, das Leben normaler Menschen verbessert. Das möchte ich hier auf einer höheren und etwas anderen Ebene wiederholen", kündigte O'Reilly ganz unbescheiden an. Emily O'Reilly will sich verstärkt auf das Netzwerk der Bürgerbeauftragten der Mitgliedsstaaten in der EU stützen.

epa03240293 Nikiforos Diamandouros, European Ombudsman, gives a news conference to present his annual report 2011 at the European Parliament in Brussels, Belgium, 29 May 2012. The European Ombudsman investigates complaints about maladministration in the institutions and bodies of the European Union. EPA/JULIEN WARNAND +++(c) dpa - Bildfunk+++
Mit 71 Jahren in Rente: Nikiforos DiamandourosBild: picture-alliance/dpa

EU neigt zu übertriebener Verschwiegenheit

Viele Beschwerden, die EU-Bürger, Firmen oder Lobby-Verbände an den Europäischen Bürgerbeauftragten richten, fallen nicht in dessen Zuständigkeit. Der EU-Ombudsmann kann nur aktiv werden, wenn tatsächlich EU-Behörden gehandelt haben. Beschwerden gegen den örtlichen Bürgermeister, die Bundesregierung oder das lokale Finanzamt könne der EU-Beauftragte nur an die Zuständigen weiterleiten, erläutert der bisherige Ombudsmann Nikiforos Diamandouros, der nach zehn Jahren in Rente geht.

Jedes Jahr bekam der eher zurückhaltende Politik-Professor 2500 bis 3000 Beschwerden auf den Tisch. "Der hauptsächliche Grund für Beschwerden ist ein Mangel an Transparenz in der EU-Verwaltung. Ich kümmere mich aber auch um Beschwerden gegen die Abwicklung von EU-Programmen und Projekten oder die Verletzung der EU-Verträge. Im letzten Jahr hatte aber ein Viertel aller abgeschlossenen Fälle die Transparenz zum Gegenstand", sagte Nikiforos Diamandouros bei seiner letzten Pressekonferenz vergangene Woche in Brüssel.

In seinem allerletzten Fall konnte Diamandouros zum Beispiel erreichen, dass eine europäische Behörde für die Kontrolle von Telekommunikation einem abgelehnten Bewerber die Gründe für die Ablehnung erläuterte. Außerdem will die Behörde künftig die Kriterien für die Besetzung von wichtigen Posten offenlegen. "Es gibt immer noch viel zu viel Geheimniskrämerei in der Verwaltung", sagte der scheidende Ombudsmann.

Mehrere "Kummerkästen" in der EU aktiv

Vor zwanzig Jahren fing der erste Bürgerbeauftragte noch als Einzelkämpfer an. Inzwischen hat sich der Bürgerbeauftragte zu einer eigenen kleinen Behörde mit 70 Mitarbeitern in Brüssel entwickelt. Mit einem Grundgehalt von 240.000 Euro und etlichen Zulagen wird die neue Bürgerbeauftragte O'Reilly etwas weniger verdienen als die EU-Kommissare, aber mehr als die deutsche Regierungschefin. Um die Bürgerinnen und Bürger in der EU und ihre Beschwerden kümmert sich die Bürgerbeauftragte in Brüssel nicht alleine. Die EU-Kommission, also die oft kritisierte Verwaltung, unterhält einen eigenen Kummerkasten mit Namen "Solvit", der Verwaltungsvorgänge in der gesamten EU beschleunigt und zwischen Beschwerdeführer und nationalen Behörden vermittelt. Auch dieser Dienst arbeitet in 24 Amtsprachen.

Hinzu kommt noch das Telefon-Portal "Europa direkt", das in sämtlichen Sprachen Auskunft über Verfahren und Zuständigkeiten in der Europäischen Union geben soll. Außerdem unterhält das Europäische Parlament einen Petitionsausschuss, an den sich jeder EU-Bürger mit seinen Beschwerden und Eingaben wenden kann. Der Bürger wird also von vielen Stellen umsorgt.

Gebäude der EU-Kommission in Brüssel! Berlaymont-Gebäude, Hauptsitz der Kommission, Rue de la Loi Brüssel.
Trutzburg der Bürokraten: Zentrale der EU-Kommission in BrüsselBild: picture alliance / Arco Images GmbH

Nur ein Bruchteil der Beschwerden ist erfolgreich

Rund ein Fünftel der eingereichten Beschwerden führt zu einem förmlichen Verfahren. Der Rest wird abgelehnt oder an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Das ist für die neue Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly auch eine wichtige Aufgabe: "Ich denke, für viele Menschen ist der Ombudsmann der letzte Ausweg. Die haben sich mit allen Ebenen der Bürokratie angelegt und hoffen jetzt auf irgendeine Antwort. Der europäische Bürgerbeauftragte hat die Pflicht, diesen Menschen zu helfen, auch wenn er das vielleicht nicht direkt kann. Er kann aber vielleicht an die zuständige Stelle vermitteln und er kann zuhören. Die Leute wollen, dass man sie anhört."

Vor ihrer Vereidigung durch den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg steckte die neue Bürgerbeauftragte ihr Ziel für das kommende Jahr ab. Vor den Europa-Wahlen im Mai müssten negative Gefühle bekämpft und das Vertrauen in die EU wieder erhöht werden. "Das Jahr 2014 ist ein entscheidendes Jahr für Europa und die Zukunft der EU. Ich möchte als Ombudsfrau die Kluft zwischen den Bürgern und den EU-Institutionen überbrücken", so O'Reilly, die sich mit "knackigen Themen" bekannter machen will.

Die EU-Kommission sieht in der Bürgerbeauftragten keinen Gegner, sondern eher eine Partnerin, betont der zuständige Spitzenbeamte Maros Sefcovic."Die EU-Kommission wird sich sehr anstrengen, um die aufgeworfenen Fälle durch Einigung, Kompromisse und Vermittlung zu regeln. Wir müssen gemeinsam die Botschaft in der EU verbreiten, dass wir die Sorgen der Menschen Ernst nehmen und dass wir alles versuchen, um konkrete Lösungen zu finden", sagte Sefcovic nach der Wahl der Bürgerbeauftragten im EU-Parlament in Straßburg.