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Politik

"Stabilität war immer mein größtes Anliegen"

Braima Darame
23. März 2019

Guinea-Bissaus Präsident José Mário Vaz versichert im DW-Exklusivinterview, er sei für jede Zusammenarbeit offen. Auch seinen Intimfeind Simões Pereira, der die größte Fraktion anführt, will er nicht ausschließen.

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DW-Interview mit José Mário Vaz, Präsident von Guinea-Bissau
Bild: DW/B. Darama

Aus den Parlamentswahlen vom 10. März war die PAIGC, der auch Vaz angehört, als stärkste Kraft hervorgegangen. Doch ihr Spitzenkandidat Domingos Simões Pereira gilt als Erzfeind des Präsidenten von Guinea-Bissau: 2015 hatte Vaz Pereira als Premierminister abgesetzt und damit die politische Krise in dem westafrikanischen Land fortgeschrieben. Seitdem blockieren Parlament, Regierung und Präsident sich gegenseitig. Jetzt steht Guinea-Bissau erneut vor einer schwierigen Regierungsbildung. Im Bündnis mit den kleinsten Parteien könnte sich Pereira eine hauchdünne Mehrheit über eine Koalition unter Führung von Madem G15 sichern. Entscheidender Faktor: die Kooperationsbereitschaft des Präsidenten.

DW: Herr Präsident, ist das Wahlergebnis vom 10. März geeignet, die Bildung einer stabilen Regierung und die Stabilität im Land zu gewährleisten?

José Mário Vaz: Man kann bereits jetzt sagen: Guinea-Bissau ist ein stabiles Land. Wir haben eine Partei, die die Wahlen gewonnen hat; eine Partei, die die meisten Parlamentsmandate errungen hat. Diese Partei hat zwar nicht die absolute Mehrheit der 102 Sitze im Parlament, aber in einem aufrichtigen Dialog mit den anderen politischen Parteien lässt sich hoffentlich eine tragfähige Mehrheit im Parlament erreichen, sodass ich bereits jetzt sagen kann: Die Stabilität des Landes kann gewährleistet werden.

Ich bin ein Mann, der die Hoffnung niemals aufgibt. Ich bin mir sicher, dass wir zu einer politischen Verständigung in unserem Land kommen werden. Dabei ist mir an einer inner-guineischen Lösung gelegen. Das heißt, wir sollten Einmischungen aus dem Ausland möglichst vermeiden. Ich möchte gar nicht bestreiten, dass es Probleme gibt. Wir Guineer müssen uns aber zusammensetzen und nach Lösungen suchen. Das Land hat viele Probleme, die gemeistert werden müssen, und die Herausforderungen werden nicht kleiner.

Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Domingos Simões Pereira beschreiben? Er ist immerhin der Mann, den Sie vor vier Jahren seines Amts des Ministerpräsidenten enthoben haben, und der nun offensichtlich erneut das Vertrauen der Wähler für sich gewinnen konnte...

Ich habe keinerlei Probleme damit, mit wem auch immer politisch zusammenzuarbeiten. Das Hauptkriterium dabei ist, dass der Betreffende das Vertrauen des guineischen Volks genießt. Es geht nicht darum, ob ich Joaquim, António oder Manuel bevorzuge, um nur ein paar fiktive Namen zu nennen... Meine Aufgabe als Staatspräsident ist es, mit allen politischen Führern zusammenzuarbeiten, die eine Mehrheit erringen und im Parlament vertreten sind. Wir brauchen diesen Dialog, angesichts der großen Herausforderungen, die unser Land vor sich hat.

Wären Sie bereit, Mitglieder von Minderheitsregierungen, die in der Vergangenheit gescheitert sind, erneut zu Ministern zu ernennen?

Was ich in Bezug auf den früheren Regierungschef gesagt habe, gilt auch für frühere Minister: Ich bin bereit, mit Vertretern aller politischen Parteien zusammenzuarbeiten. In den vergangenen fünf Jahren hatten wir reichlich Gelegenheit, politische Erfahrungen zu sammeln. Wir haben unterschiedliche Politiker mit unterschiedlichen Regierungsstilen und Umgangsformen kennengelernt. Aus diesen Erfahrungen werde ich schöpfen, um die Lebensbedingungen in unserem Land zu verbessern.

Glauben Sie, dass Sie persönlich - im Laufe ihres Mandats - zu einer Stabilisierung und einer Entwicklung Ihres Landes sowie zu einer Überwindung der Spaltung beigetragen haben?

Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes obliegt in erster Linie der Regierung und nicht dem Staatspräsidenten. Als Präsident kann man natürlich den einen oder anderen Impuls geben und Themen anstoßen, die das Land voranbringen können. Lassen Sie mich aber Folgendes sagen: Wir hätten in den vergangenen Jahren viel mehr für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes tun können. Ich gebe zu, unsere Bilanz fällt in dieser Beziehung ziemlich dürftig aus.

Demonstration in Bissau
Die Absetzung von Pereira führte zu Protesten (Bild) und zu Spaltungen innerhalb der PAIGC.Bild: DW/F. Tchuma

Aber eines möchte ich auch feststellen: Es fehlt dem Land vor allem an Stabilität. Es ist nicht möglich, wirtschaftliche Entwicklung in ein Land zu bringen, das nicht stabil ist. Stabilität war immer mein größtes Anliegen. Seit Einführung des Mehrparteiensystems 1994 hat es keine Regierung in Guinea-Bissau geschafft, eine vollständige Legislaturperiode im Amt zu bleiben. Das hat natürlich eine große Unordnung zur Folge gehabt. Dieses Problem scheint aber jetzt überwunden und ich bin zuversichtlich, dass wir unser Land in den nächsten Zeiten nach vorn bringen können. Die Verantwortung für die Misserfolge der Vergangenheit liegt nicht nur beim Staatspräsidenten. Sie liegt bei allen Guineern. Jeder einzelne Guineer hat seinen eigenen Beitrag zum Gelingen oder Scheitern unseres Projekts geleistet.

Ich persönlich bin sehr zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Ich konnte die Stabilisierung des Landes voranbringen: Die Militärs sind in den Kasernen geblieben. Die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit wurde gefestigt. Ich bin in gewisser Weise stolz auf das, was wir unter meiner Präsidentschaft erreicht haben.

Wie reagieren Sie auf Ihre Kritiker, die Ihnen vorwerfen, für den politischen Stillstand in den vergangenen vier Jahren in Guinea-Bissau verantwortlich zu sein?

Alle meine Entscheidungen habe ich im Einklang mit unserer Verfassung getroffen. Sie hatten nichts mit persönlichen Animositäten zu tun. Es ging nicht darum, ob ich Person A, B oder C mag oder nicht mag. Es ging mir vor allem um den Respekt vor unserer Verfassung. Außerdem ging es mir darum, wichtige Herausforderungen für unser Land zu meistern. Diese Herausforderungen sind meiner Meinung nach: die Verbesserung der Bildungssituation und der Gesundheitsversorgung, der Aufbau einer Infrastruktur auf allen Ebenen sowie die Bekämpfung der Korruption. Ich werde mich weiterhin für diese Themen einsetzen. Ich bin ein Mann mit Prinzipien und Überzeugungen.

José Mario Vaz, genannt Jomav, ist seit 2014 Präsident von Guinea-Bissau. Sein Mandat läuft in diesem Jahr ab. Bislang ließ er offen, ob er sich ab Herbst einer Wiederwahl stellen wird.

Das Interview führte Braima Darame.