1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Portugiesen wählen mitten im Corona-Lockdown

24. Januar 2021

Obwohl Portugal gerade sehr heftig vom Coronavirus durchgeschüttelt wird, findet dort die Präsidentenwahl wie geplant statt. Favorit ist der Amtsinhaber.

https://p.dw.com/p/3oLIm
Portugal Wahlen
Kann er von der Corona-Krise profitieren: der rechtspopulistische Kandidat André VenturaBild: João Carlos/DW

Rund 9,8 Bürger sind an diesem Sonntag aufgerufen, in Portugal einen neuen Präsidenten zu wählen. Und das mitten in der Corona-Pandemie und während eines Shutdowns, der vor wenigen Tagen in Kraft trat. Wegen der großen Infektionsgefahr zeichnet sich eine äußerst geringe Wahlbeteiligung ab - und das stellt die zwischenzeitlich als sicher angesehene Wiederwahl des beliebten Amtsinhabers Marcelo Rebelo de Sousa in Frage.

Die Abstimmung findet zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt statt. Denn die zuerst in England nachgewiesene neue Coronavirus-Variante B1.1.7 trägt in dem südeuropäischen Staat zu immer neuen Höchstständen bei Infektions- und Opferzahlen bei. In Portugal wurde am Donnerstag ein neuer Rekord von 221 Corona-Toten binnen eines Tages gemeldet. Bereits am Mittwoch war in dem Zehn-Millionen-Einwohner-Land, das seit dem 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ein neuer Spitzenwert bei den täglichen Neuinfektionen von 14.647 Fällen erreicht worden. 

Portugal Präsident Marcelo Rebelo de Sousa
Liegt in Umfragen vorne: Präsident Marcelo Rebelo de SousaBild: Atlantico Press/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Wegen der besorgniserregenden Lage und des landesweiten Corona-Lockdowns wurde der traditionelle Wahlkampf-Endspurt gestrichen. Die Behörden organisierten am Sonntag vor einer Woche einen Wahltag für eine vorgezogene Stimmabgabe. Außerdem holten Freiwilligenteams die Stimmzettel der landesweit rund 13.000 unter Quarantäne stehenden Menschen ab. Rund 200.000 Wähler nutzten das Frühwahl-Angebot. Die Bilder von langen Schlangen vor Wahllokalen, insbesondere in der Hauptstadt Lissabon, trugen allerdings nicht dazu bei, die Furcht vor einer Corona-Infektion bei der Stimmabgabe zu verringern.

Sieben Kandidaten

Für das Amt des Präsidenten, der in Portugal vorwiegend repräsentative Aufgaben übernimmt, gibt es außer Rebelo de Sousa sechs weitere Kandidaten. Der 72-jährige Staatschef, der das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen kann, wird in allgemeiner Wahl für fünf Jahre gewählt, maximal zwei Amtszeiten sind möglich.

Portugal wählt im Lockdown

Noch vor einem Jahr habe es bei Rebelo de Sousas Ambitionen für eine zweite Amtszeit nach einem "Spaziergang" ausgesehen, sagt Paula Espirito Santo von der Universität in Lissabon. Nun sei es aber womöglich "nicht ganz so einfach". Rebelo de Sousa sagte diese Woche dazu: "Es bräuchte nur eine Nicht-Beteiligungsrate von 70 Prozent, um eine zweite Wahlrunde fast unausweichlich zu machen." Vor Rebelo de Sousa waren alle vier Präsidenten seit dem Ende der Diktatur 1976 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden.

Rebelo de Sousa ist beliebt im Land. Mit dem sozialistischen Regierungschef António Costa arbeitet er einträchtig zusammen. Außerdem gibt es viele sympathische Anekdoten über den 72-Jährigen: Dass er in Bermuda-Shorts geduldig an der Supermarktkasse wartet, bis er an der Reihe ist, dass er sein Essen mit Obdachlosen teilt und dass er ins Meer springt, um zwei Mädchen, deren Boot umgestürzt ist, zu Hilfe zu eilen.

Portugal Wahlen
Auch die Abgeordnete Ana Gomes macht sich Hoffnungen auf das hohe AmtBild: João Carlos/DW

Profitiert ein Rechtspopulist?

Weil Rebelo de Sousa so lange als eindeutiger Favorit galt, wird er aber vielleicht Schwierigkeiten haben, seine Wähler zu mobilisieren. Davon könnte der rechtspopulistische Kandidat André Ventura profitieren. Der 38-jährige Gründer der Anti-Establishment-Partei Chega (Genug) setzt darauf, bei der Wahl ein starkes Ergebnis zu erzielen und damit seiner Partei Rückenwind zu verschaffen. Chega war im vergangenen Jahr mit 1,3 Prozent der Stimmen zum ersten Mal ins portugiesische Parlament eingezogen.

Umfragen sagen nun bis zu zehn Prozent der Stimmen für Ventura voraus. Das wäre "ein exzellentes Ergebnis" für ihn, meint der Politik-Experte António Costa Pinto. Zweitplatzierte dürfte den Umfragen zufolge aber wahrscheinlich die frühere sozialistische Abgeordnete Ana Gomes werden. Die Karrierediplomatin engagiert sich im Kampf gegen Korruption und ist eine entschiedene Kritikerin von Ministerpräsident Costa.

kle/ack (afp, dpa)