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Hirnforscher: "Verrückte Ideen sind wichtig"

Gudrun Heise
10. November 2016

Benjamin Judkewitz sagt von sich: "Ich bin immer meinen Fragen gefolgt." Der 35 Jahre junge Forscher ist diesjähriger Preisträger des Alfried Krupp-Förderpreises. Was hat er mit dem Preisgeld von einer Million Euro vor?

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Symbolbild Modell des menschlichen Gehirns
Bild: picture alliance/Bildagentur-online

Deutsche Welle: Sie haben Biologie studiert, Biochemie und Zoologie, in Physiologie und Neurowissenschaften promoviert und in den Bereichen Photonik und Ingenieurwissenschaften habilitiert. Das ist eine ganze Menge! Wo liegt denn heute der Schwerpunkt Ihrer Forschung?

Benjamin Judkewitz: Meine Forschung verfolgt zwei Ziele. Erstens entwickelt mein Labor neue optische Methoden, um die Lichtstreuung zu überwinden. Die Lichtstreuung ist nämlich der Hauptgrund, aus dem unsere Körper so undurchsichtig sind. Durch eine Überwindung dieser Hürde könnten wir uns Gewebe ansehen, die für die Mikroskope bisher unerreichbar waren.

Das zweite Ziel meines Labors ist die Anwendung dieser Methoden in der Hirnforschung. Ich möchte verstehen, wie Nervenzellen auf mikroskopischer Ebene miteinander kommunizieren, und wie dieses Wechselspiel Phänomene wie Lernen, Wahrnehmung und Verhalten ermöglicht.

Wie lassen sich Ihre Forschungsergebnisse in die Praxis übertragen?

Professor Benjamin Judkewitz, Preisträger des Alfried Krupp-Förderpreises 2016
Professor Benjamin Judkewitz, Preisträger des Alfried Krupp-Förderpreises 2016Bild: Krupp Stiftung/B. Kraemer

Eine mögliche langfristige Anwendung liegt in der medizinischen Diagnostik. Ich persönlich sehe mich jedoch hauptsächlich als Grundlagenforscher. In der Neurobiologie, der Zellbiologie, der Krebsforschung, der Entwicklungsbiologie und in vielen anderen Bereichen der Lebenswissenschaften gibt es spannende offene Fragen, die man aufgrund der Lichtstreuung zurzeit nur teilweise angehen kann. Ich hoffe, dass meine technischen Entwicklungen einen Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten können.

Wie würden Sie Ihren Werdegang als Wissenschaftler beschreiben? Was war für Sie wichtig - was ist für Sie wichtig?

Ich bin einfach immer den Fragen gefolgt, die mich interessierten. Dadurch arbeite ich jetzt an bildgebenden Verfahren, denn ich hoffe, meine Fragen so eines Tages beantworten zu können.

Gibt es eine Disziplin, die Sie besonders fasziniert?

Meine Forschung findet an den Übergängen zwischen den verschiedenen Disziplinen statt. Dort trifft man meist auf die interessantesten Fragen und Probleme. In letzter Zeit war ich sehr fasziniert von der ersten Messung kosmischer Gravitationswellen durch das LIGO-Observatorium. Ein unglaublich beeindruckendes Resultat genialer Einfälle, immensen Durchhaltewillens und interdisziplinärer Zusammenarbeit! 

Bleibt überhaupt noch Zeit für etwas anderes außer Forschung?

Wir haben zwei kleine Kinder und sind beide berufstätig. Neben Beruf und Familie, Zeit für sich selbst zu finden ist ganz klar eine Herausforderung. Vor dieser Herausforderung stehen auch meine Freunde mit kleinen Kindern, die in ganz anderen Bereichen arbeiten. Das ist - glaube ich - ein Phänomen unserer Zeit.

Was ist Ihre Antriebsfeder?

Neugierde und die Freude am Rätsellösen. Ich glaube, das ist bei den meisten akademischen Forschern so. Wer an der Universität forscht, macht das vermutlich nicht fürs Einkommen.

Der Alfried-Krupp-Preis ist mit einer Million Euro dotiert. Wofür werden Sie dieses Geld nutzen?

Es gibt Projektideen, die ich schon seit einer Weile im Hinterkopf hatte, aber nicht austesten konnte. Hier sind die öffentlichen Geldgeber tendenziell etwas konservativ und fördern lieber erprobte Ideen. Das ist verständlich - bei "verrückten" Ideen besteht natürlich das Risiko, dass sie einfach verrückt bleiben. Andererseits ist es wichtig, ganz neue Wege auszutesten. Der Förderpreis macht das möglich.

Das Interview führte Gudrun Heise.

Dr. Benjamin Judkewitz ist Professor für Bioimaging und Neurophotonik an der Charité Universitätsmedizin Berlin.

Der Alfried Krupp-Förderpreis wird seit 1986 jährlich für Nachwuchswissenschaftler ausgeschrieben, die in den Bereichen Natur- und Ingenieurwissenschaften eine Erstprofessur an einer deutschen Hochschule innehaben. Er gehört zu den am höchsten dotierten Preisen für den wissenschaftlichen Nachwuchs.