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Pakistan verurteilt Gilani

Sarah Berning26. April 2012

Pakistans Premier Gilani ist wegen Missachtung des Gerichts verurteilt worden, aber trotzdem frei. Eigentlich müsste er auch seinen Platz räumen. Das Land befindet sich damit in einer neuen Phase seiner Dauerkrise.

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Premier Gilani beim Eintreffen am Obersten Gericht (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In dem seit langem schwelenden Streit zwischen Premier Yusuf Raza Gilani und dem Obersten Gericht Pakistans - zuletzt war er im Februar vorgeladen worden - ist Gilani am Donnerstag (26.04.2012) wegen Missachtung des Gerichts verurteilt worden. Der Beginn des Verfahrens gegen Gilani datiert vom Jahr 2009, als das Oberste Gericht Pakistans die Regierung aufforderte, bei der Schweiz um die Wiederaufnahme eines Korruptionsverfahrens gegen Präsident Asif Ali Zardari zu ersuchen.

Zum Hintergrund: Zardari, damals noch nicht Präsident, und seine 2007 ermordete Ehefrau, Ex-Premierministerin Benazir Bhutto, waren 2003 in Abwesenheit von einem Schweizer Gericht wegen Geldwäsche zu jeweils sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Beide legten Berufung ein, aber das Verfahren wurde schließlich eingestellt, nachdem Zardari 2008 Präsident wurde. Schon zuvor hatte Zardaris Vorgänger Pervez Musharraf hohen Funktionären der Pakistanischen Volkspartei (PPP), darunter Bhutto und Zardari, Amnestie gewährt.

Seitdem hat die pakistanische Regierung sich standhaft geweigert, den von der Justiz geforderten Brief an die Schweizer Behörden zu schreiben. Begründung: Der Präsident genieße Immunität. Die Regierung Gilani wirft der Justiz vor, gemeinsam mit dem Militär eine Hexenjagd auf Zardari zu veranstalten.

"Amtsausübung unmöglich"

Gilani hätte bis zu sechs Monate Gefängnis bekommen können, aber die Richter entschieden sich für die symbolische Minimalstrafe einer „Inhaftierung“ von wenigen Minuten Dauer. Der frühere Richter am Obersten Gericht, Wajih Ud Din, sagte der Deutschen Welle, dass das Urteil gegen Gilani ihn für das Amt des Ministerpräsidenten disqualifiziere, "und zwar für die Dauer von fünf Jahren.“ Das Urteil gegen Gilani sei auf Grundlage des Artikels 63/1 G der Verfassung gefällt worden, deshalb könne er ab sofort sein Amt nicht mehr ausüben, so dass die Regierung schnell handeln müsse, um einen Nachfolger zu finden.

Das Oberste Gericht in Islamabad (Foto: picture alliance/dpa)
Das Oberste Gericht in Islamabad fordert die Wiederaufnahme des Korruptionsverfahrens gegen den PräsidentBild: picture-alliance/dpa

"Gemäß der Verfassung haben wir derzeit weder einen Ministerpräsidenten, ein Kabinett noch Bundesminister. Am sinnvollsten wäre es also, wenn diese Leute eine Parlamentssitzung anberaumen würden, einen Mehrheitsführer wählen und diesen als neuen Premier ins Amt bringen, damit die Staatsgeschäfte weitergehen.“ Es sei höchstwahrscheinlich, dass ein Kandidat aus den Reihen der PPP von Gilani gewählt würde. "Diese Wahl könnte noch heute stattfinden“, so der ehemalige Richter am Verfassungsgericht.

Er hält es für wahrscheinlich, dass Präsident Zardari letzten Endes eine Vorladung vor das Schweizer Gericht erhalte. "Das pakistanische Recht schützt ihn während seiner Amtszeit nur auf pakistanischem Territorium, aber außerhalb Pakistans gibt es für den Präsidenten keinen Schutz durch die Verfassung des Landes. Möglicherweise ist er durch die Genfer Konvention geschützt, aber das muss vom Gericht in Genf und nicht in Pakistan entschieden werden.“

Schlechte Position für Pakistan

Der Journalist Nazir Naji sagte gegenüber der Deutschen Welle, dass das Urteil weitreichende Folgen für seine Land haben könnte. "Die Lage ist besorgniserregend. Die Justiz macht Politik, anstatt sich mit Verbrechen zu befassen. Und die Regierung ist derart instabil, dass ihr Fortbestand fraglich ist. Ich frage mich: Wer will mit so einer Regierung verhandeln und reden?“ Gerade erst hätten sich die Beziehungen mit den USA wieder etwas gebessert, sagt Naji unter Anspielung auf die schweren Verstimmungen nach den NATO-Angriffen vom vergangenen November mit 24 getöteten pakistanischen Soldaten.

Pakistans Präsident Zrdari (Foto: dpad)
Streit um Präsident Asif Ali Zardaris altes Korruptionsverfahren

Die darauf verhängte Blockade der Grenzübergänge nach Afghanistan für NATO-Transporte will Pakistan wieder beenden. US-Sonderbotschafter Mark Grossman ist in Pakistan zu Gesprächen eingetroffen. "Wer soll jetzt mit ihm über wichtige Zukunftsfragen reden?“, fragt Naji. Auch in Bezug auf Indien komme das Urteil zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt. "Jetzt, da sich die Beziehungen zu verbessern beginnen, ist unsere politische Stabilität gefährdet. Und die hat direkte Auswirkungen auf unsere Beziehungen zu Indien wie zu den USA, deren Finanzhilfe für uns jetzt auch fraglich sein dürfte.“ Nazir Naji will sogar nicht ausschließen, dass die Armee jetzt die Gelegenheit ergreift und den seit langem befürchteten Griff nach der Macht tun wird.

Diese Sorge hält Richter Wajih Ud Din für unbegründet. "Die angebliche Konfrontation zwischen der pakistanischen Armee und der Zivilregierung findet nicht statt. Beide scheinen doch eher zusammenzuarbeiten. Andererseits, wer soll für einen Ministerpräsidenten sprechen, der offen das Gericht missachtet? Wer soll seine Partei ergreifen?“