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Fast so spannend wie die Mondlandung

Cornelia Borrmann11. November 2014

Zehn Jahre saust die ESA-Raumsonde Rosetta schon durchs All. Jetzt kommt der entscheidende Schritt der Mission: Ein Minilabor soll auf einem Kometen landen.

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Ein Modell des Landeroboters Philae
Bild: DW/F.Schmidt

An diesem 12. November gegen 9:35 Uhr MEZ soll sich das Minilabor "Philae" von Rosetta trennen und seinen langen Anflug an den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko genannt beginnen. Um 17:00 Uhr soll der kühlschrankgroße Roboter dann auf dem Kometen landen. Das tut Philae autonom, denn zwischendurch kann von der Erde niemand mehr eingreifen - die Datenübertragung dauert dafür einfach zu lange. Rosetta ist 510 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.

Die gewagte Rosetta-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) wird von manchen Experten mit der Mondlandung 1969 verglichen."Das ist das erste Mal, dass so etwas unternommen wird, ein Meilenstein", sagt Paolo Ferri, Chef des ESA-Flugbetriebs im Satelliten-Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt.

Seit dem 6. August inspizierte die Raumsonde Rosetta den Kometen aus der Nähe. Forscher und Ingenieure nennen ihn liebevoll "Tschuri". Aus immer geringerer Entfernung sendet das Kamerasystem OSIRIS immer detailreichere Aufnahmen zur Erde. Mittlerweile hat sich Rosetta schon so weit an "Tschuri" herangewagt, dass auf ihren Bildern Geröllbrocken erkennbar werden, die kleiner als ein Meter sind.

Die Quadratur des Kreises

Bei der Auswahl der besten Landeplätze mussten Forscher und Ingenieure viele unterschiedliche Kriterien im Blick behalten und gegeneinander abwägen, ein komplexer und sehr dynamischer Prozess.

Das Gelände muss möglichst eben und flach sein, sodass Philae sicher aufsetzen kann. Zudem sollte es mindestens sechs Stunden während einer Kometenumdrehung beleuchtet sein, denn Philaes Batterien müssen sich immer wieder aufladen können. Und das mindestens sechs Monate lang nach der Landung. Tschuri hat sehr ausgeprägte Jahreszeiten, die dabei zu beachten sind.

Zu viel Sonnenlicht ist auch nicht gut, der Landeroboter könnte sich zu sehr erhitzen. Außerdem muss ein regelmäßiger Funkkontakt zur Raumsonde gegeben sein, um Kommandos und Daten auszutauschen.

Zu den technischen kommen dann noch die wissenschaftlichen Kriterien. Die Forscher wollen untersuchen, wie leicht flüchtige Gase aus der Kometenoberfläche verdampfen und dabei Staubpartikel mit sich reißen. Also sollte Philaes Landeplatz möglichst nahe an aktiven Regionen liegen. Dort sollte es auch möglichst viele organische Verbindungen geben, denn Philae soll ja nach den Bausteinen des Lebens suchen.

ESA Landeplätze auf Komet (Foto: ESA/Rosetta/MPS - for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA)
Aus mindestens drei hochauflösenden Bildern errechnet der Computer ein dreidimensionales Oberflächenmodell.Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Die dritte Dimension

Am 25. August wählten Forscher und Ingenieure zunächst fünf geeignete Landeplätze aus. Drei befinden sich auf Tschuris "Kopf", die anderen beiden liegen auf seinem größeren "Körper". Anfang September haben Teams in ganz Europa diese Plätze immer detaillierter untersucht. Am 15. September hatten sie dann zwei in die engere Auswahl genommen.

In den folgenden Wochen kam die Raumsonde Rosetta noch näher an Tschuri heran und lieferte noch detailreichere Aufnahmen. So konnten die Forscher ihre Geländemodelle verfeinern. Nun haben sich die Ingenieure von der Europäischen Raunfahrtagentur ESA und dem DLR für einen der beiden Plätze - namens "Landeplatz J" entschieden. "Der Landeplatz hat ausreichend Sonne und relativ flaches Gelände", sagt Lander-Projektleiter Stephan Ulamec vom DLR.

Wissenschaftler vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin Adlershof hatten zuvor die fünf Landeplätze drei-dimensional modelliert. Dazu nutzen sie ein spezielles Verfahren, die sogenannte Stereo-Photogrammetrie. Sie basiert auf einem Computerprogramm, das die Berliner Forscher schon seit den 90er Jahren entwickelt haben und seitdem ständig erweitern.

Geländemodelle von Himmelskörpern im ganzen Sonnensystem wurden damit schon berechnet. Den Oberflächen von Mars und Merkur, dem Erdmond, Jupiter- und Saturnmonden, auch Asteroiden haben die Berliner Forscher schon die räumliche dritte Dimension gegeben. Und sich damit weltweit einen Namen gemacht.

Tschuri, der Unberechenbare

"Dieser entenförmige Himmelskörper ist so unregelmäßig geformt. Da sind die üblichen Koordinaten für geographische Länge und und Breite nicht praktikabel, um einen Punkt auf seiner Oberfläche zu lokalisieren." erklärt DLR-Kometen-Forscher Ekkehard Kührt das Problem. "Der Nordpol zum Beispiel befindet sich in Tschuris "Nacken", dem Verbindungsstück zwischen Kopf und Körper, in einer etwa einen Kilometer tiefen Senke. Wir haben uns inzwischen abgewöhnt, hier mit Längen und Breiten zu rechnen."

Stattdessen bevorzugen die Forscher ein 3D-System aus drei senkrecht zueinander stehenden (kartesischen) Koordinatenachsen, um ein räumliches Geländemodell von Tschuris Oberfläche zu entwickeln.

Wie aus Flächen Landschaften werden

Dazu kombinieren sie Fotos, die von der OSIRIS-Kamera aus unterschiedlichen Richtungen aufgenommen wurden. Zeitpunkt der Aufnahme, Blickrichtung der Kamera, die Position der Raumsonde und des Kometenwerden für jede Aufnahme von den Forschern dabei sehr exakt bestimmt.

Die einzelnen Fotos legen die Forscher dann im Computer übereinander. Mindestens drei Aufnahmen brauchen sie dazu. Aus den unterschiedlichen Blickwinkeln bestimmen sie so mit ihrem Verfahren sehr hochauflösend die räumliche Dimension für das aufgenommene Terrain.

Mit den Geländemodellen lässt sich dann im Detail untersuchen: Wie erfüllen die einzelnen Landestellen die nötigen Kriterien? Die für die Auswahl zuständigen Forscher und Ingenieure können sich damit die Plätze aus allen Richtungen anschauen, Hangneigungen und Beleuchtungsverhältnisse berechnen, sich sogar in das Gelände hinein zoomen.

Phila setzt auf dem Kometen auf (Grafik: ESA)
Bevor Philae auf dem Kometen aufsetzt, wollen die Forscher der ESA sicherstellen, dass nichts schiefgeht.Bild: ESA/AOES Medialab

Um zu sehen: Gibt es Unebenheiten, die zum Risiko werden können oder Geröllbrocken? Reicht das Sonnenlicht, um die Batterien von Philae aufzuladen? In welchem Zeitraum haben sie wieder genügend Energie? Wie wirken sich die Temperaturen vor Ort auf den Lander aus?

Doppelt ist sicherer

Die Berliner arbeiten eng mit Forschern in Frankreich zusammen. Die entwickeln ein Geländemodell der Landeplätze mit der sogenannten Stereo-Photo-Klinometrie. Das ist ein Verfahren, das die räumlichen Dimensionen aus der Schattenbildung bei unterschiedlichen, aber bekannten Sonneneinstrahlungen im Detail ableitet, dabei aber bestimmte Annahmen über das Reflexionsverhalten der Oberfläche macht.

Die unterschiedlichen Methoden ergänzen sich. Jedes Geländemodell enthüllt andere Eigenschaften der Kometenoberfläche. Mit der Kombination der Ergebnisse beider Verfahren können die Forscher sicher sein, das Terrain der Landeplätze bestmöglich zu kennen.